Euromünze auf Taschenrechner
Wer die niedrigen Zinsen fix abgesichert hat, hat Glück gehabt. Inhaber variabel verzinster Kredite schnaufen unter den Kosten.
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Es ist ein Albtraum, der für Frau M. (Name der Redaktion bekannt) wahr geworden ist. Sie hatte 2020 einen Kredit aufgenommen, anlässlich der Anschaffung einer Eigentumswohnung. Diese bei der Bawag abgeschlossene Finanzierung erfolgte – dem damaligen Nullzinsumfeld entsprechend – zu einer fixen Verzinsung von 1,8 Prozent auf zehn Jahre. Vermittelt hat diesen Kredit eine Mitarbeiterin der Deutschen Vermögensberatung Bank AG. Ein Jahr später suchte Frau M. die Kreditvermittlerin wieder auf. Sie wollte bei einem laufenden Konsumkredit eine Tilgung vornehmen.

Im Zuge dieses Gespräches machte die Kreditvermittlerin Frau M. den Vorschlag, den laufenden Kredit für die Wohnung von einer fixen auf eine variable Verzinsung umzustellen. Die Beraterin holte ein Angebot ein: 1,6 Prozent effektiv würde der neue Zinssatz betragen. Auf den Fall von Frau M. runtergerechnet würde sich diese durch die Umstrukturierung 11.000 Euro sparen.

Frau M. und die Zinswende

Die Umstellung des Kredits erfolgte. Kreditgebende Bank ist seither die Oberbank. Dann kam die Zinswende. Seit Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank den Leitzins in elf Schritten auf ein Niveau von 4,50 Prozent angehoben. Das schlägt sich nun voll durch auf die Kreditrate von Frau M., die statt 300 Euro monatlich nun 900 Euro für ihre Finanzierung bezahlen muss. Hinzu kam eine Vermittlerprovision in der Höhe von 4.428 Euro. Dass Frau M. diese Gebühr zu zahlen habe, sei ihr nicht bewusst gewesen, sagt Anwalt Robert Haupt, der diesen Fall nun vor Gericht bringt.

Sehe man sich die Inflation und die Zinsentwicklung an, hätte klar sein müssen, dass im Jahr 2021 die Zinsen nur noch nach oben gehen können. Darüber sei laut Anwalt Haupt die nun klagende Frau M. aber nie aufgeklärt worden. Weder von der neuen Bank noch von der Kreditvermittlerin.

Risiko war offensichtlich

Das stößt dem Anwalt sauer auf. Seine Klientin hätte darüber aufgeklärt werden müssen, dass sich einerseits der variable Zinssatz vor der Umschulung schon am "Tiefstand" befand und andererseits bei Anhebung des Zinssatzes die Gesamtkostenentwicklung – im Vergleich zum Festzinskredit – zu ihrem Nachteil entwickeln könne.

Der OGH hat in früheren Fällen entschieden, dass z. B. eine Änderung der Währungspolitik der Schweizer Nationalbank – die viele Franken-Kreditnehmer getroffen hat – nicht vorhersehbar war und daher keine Aufklärungspflicht über diese allgemeine Möglichkeit bestand. Auf Fälle, wo einem Kunden – bei absehbarer schlechter Zinslage – die Umschuldung von einem bereits bestehenden Fixzinskredit auf einen variablen Zinskredit vermittlerseitig empfohlen wird, könne das laut Haupt aber nicht umgelegt werden. Der Anwalt sieht hier eine Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten gemäß Paragraf 8 des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes, die auch für den Kreditvermittler gelte. Zudem wollte Frau M. keine Umschuldung. Ihr Ziel beim Kontakt mit der Kreditvermittlerin sei ein anderes gewesen.

Verbraucherschutz alarmiert

Damit sich eine Stelle hier nicht auf die andere ausreden könne, ist eine solidarische Haftung vorgesehen. Im vorliegenden Fall passiere aber genau das. Weder Kreditvermittler noch die Bank wollen für das Aufklärungsdefizit nun einstehen.

Anders sieht das Franz Gasselsberger, Chef der Oberbank. Man kenne diesen bestimmten Fall in der Bank sehr genau. Man könne auch nachweisen, dass Frau M. über beide Kreditvarianten aufgeklärt worden sei. "Als Bank agieren wir im Kreditgeschäft sehr sorgsam", sagt Gasselsberger zum STANDARD. Um diese Zeit, also 2020/2021, hätte es mehrere Kunden gegeben, die von fix auf variabel verzinste Kredite wechseln wollten, einfach weil die variablen Zinsen damals billiger waren. Alle Kunden, die das machen wollten, seien laut Gasselsberger aber ordentlich über das bestehende Zinsänderungsrisiko aufgeklärt worden.

Der Verbraucherschutzverein VSV will sich diese und ähnliche Fälle genau ansehen. Dass in Österreich der Anteil variabel verzinster Kredite bei rund 50 Prozent liegt, im europäischen Durchschnitt aber nur bei 23 Prozent, erklärt sich VSV-Gründer Peter Kolba damit, dass die Banken bei variabel verzinsten Krediten das Risiko an die Kreditnehmer auslagern. Der VSV hat eine Sammelaktion gestartet. Informationen zu der Sammelaktion gibt es hier. (Bettina Pfluger, 20.12.2023)