Klimaaktivistin Anja Windl wurde festgenommen, nachdem sie sich auf einer Fahrbahn festbetoniert hatte.
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"Höchst irritiert" zeigte sich Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in der Vorwoche von einer Weisung des Justizministeriums im Zusammenhang mit der Enthaftung der Klimaaktivistin Anja Windl. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) sende damit das Signal aus, dass für Klimaaktivistinnen und -aktivisten auf Österreichs Straßen "Narrenfreiheit" herrsche. Auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ortete eine "mutmaßlich ideologisch motivierte Intervention durch Weisung von Alma Zadić". Es brauche nun "dringend Aufklärung". Die Justizministerin betone zwar immer wieder, dass die Justiz unabhängig ermitteln soll, messe in Wirklichkeit aber mit "zweierlei Maß", meinte Stocker.

Nach der harschen Kritik der ÖVP ging Justizministerin Zadić Mittwochabend in die Offensive. "Das ist ein Angriff auf die Justiz", sagte sie in der Sendung "Milborn" auf Puls 24. Stocker unterstelle der Justiz "politisches Agieren, und das halte ich ehrlicherweise in einem demokratischen Land für nicht in Ordnung". Dieser müsse als Jurist "eigentlich wissen, wie das System funktioniert", sagte Zadić.

Eine Beschwerde gegen das Landesgericht hätte keine "Erfolgsaussichten" gehabt, zu diesem Schluss sei die Fachaufsicht im Justizministerium gekommen. Sie sei dieser Entscheidung gefolgt und habe eben keine politische Weisung erteilt, so die Justizministerin und vermutete den näher rückenden Wahlkampf als Motiv für den jüngsten innerkoalitionären Streit.

Vizekanzler verteidigt Maßnahme

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verwies Mittwochabend in der "ZiB 2" auf den Beschluss "eines unabhängigen Gerichts", danach habe die Fachaufsicht im Justizministerium entschieden, dass dieser Beschluss "rechtsrichtig" sei. "Gegen eine rechtsrichtige Entscheidung wird man nicht berufen", sagte Kogler. "Aus guten Gründen" sei keine Untersuchungshaft verhängt worden, weil das Gericht auf "gelindere Mittel" verwiesen hätte.

Eine Untersuchungshaft "wäre nicht angemessen und rechtsrichtig gewesen", sagte der Vizekanzler in der Nachrichtensendung des ORF. Entsprechend könne man "nicht eine Justizministerin auf die Reise schicken und sagen, sie soll das einfangen". In dieser Sache werde viel "zusammenkonstruiert", man wisse, "woher das kommt". "Wir sind alle Opfer von diesem komischen Getöse, das da losgetreten wird", man dürfe nicht den Jargon von "nicht besonders wohlwollenden Semijuristen" übernehmen.

Auf Autobahn festbetoniert

Klimaaktivistin Windl hatte sich am 20. und 21. November mit einer Mischung aus Quarzsand und Superkleber auf der Fahrbahn einer Autobahn festbetoniert. Daraufhin war sie festgenommen und in die Justizanstalt Josefstadt überstellt worden. Begründet hatte die Staatsanwaltschaft das damit, dass "Teile der kritischen Infrastruktur bei den Aktionen beschädigt" worden seien und "Tatbegehungsgefahr" bestanden habe.

Das Landesgericht Wien sah das anders und lehnte die Verhängung der Untersuchungshaft ab. Haft sei nur in Ausnahmen erlaubt, und aus Sicht des zuständigen Richters reichten im aktuellen Fall gelindere Mittel aus. So muss Windl nun etwa regelmäßig für die Behörden erreichbar sein. Auf Weisung des Justizministeriums akzeptierte auch die Staatsanwaltschaft Wien diese Entscheidung und verzichtete auf eine Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss. (schi, 21.12.2023)