Die Pizza beim Italiener ums Eck, das Fünf-Gänge-Menü in der Innenstadt, der Braten im Traditionsgasthaus auf dem Land und natürlich auch das beliebte Wiener Schnitzel – all das dürfte in Deutschland im neuen Jahr teurer werden. Denn ab 1. Jänner 2024 gilt in der Gastronomie für Speisen wieder die "alte" Mehrwertsteuer von 19 Prozent.

Mit Jahreswechsel wird der Restaurantbesuch in Deutschland wieder teurer.
AP/Ted Shaffrey

Derzeit ist noch der ermäßigte Satz von sieben Prozent fällig. Auf diesen war die Mehrwertsteuer im Juli 2020 gesenkt worden. Die damalige große Koalition unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte damit der von Corona gebeutelten Branche unter die Arme greifen. Später wurde die Senkung beibehalten, da auch die Gastronomie unter den hohen Energiekosten infolge des Ukrainekrieges stöhnte.

Nun läuft diese Maßnahme aus, da die Ampelregierung aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP sparen muss. Um den Haushalt 2014 unter Dach und Fach zu bekommen, hat sie erst einmal 17 Milliarden Euro mühsam zusammenkratzen müssen.

Rechnung ohne Wirt

Wochenlang war dabei zuzusehen, wie die Ampel strampelte. Denn sie hatte die Rechnung ohne den Wirt, in dem Fall das Bundesverfassungsgericht, gemacht. Dieses hatte in einem Urteil Mitte November Finanztricks der Ampel, nämlich das Verschieben von nicht abgerufenen Kreditlinien von einem Fonds in einen anderen, für verfassungswidrig erklärt.

Die Folge: In Berlin schaute man in ein riesiges Finanzloch. Und dazu zählen nun auch jene 3,4 Milliarden Euro, die dem deutschen Staat laut Finanzministerium jährlich durch die niedrigere Mehrwertsteuer in der Gastronomie verloren gehen.

Beim Branchenverband Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) herrscht Alarmstimmung. "Eine Steuererhöhung zum 1. Januar 2024 ist eine Katastrophe für die Betriebe und führt zu Preiserhöhungen für die Gäste – mit fatalen Folgen für die Gesellschaft, den Staat und die Gastgeber", heißt es dort.

Angst vor wirtschaftlichen Folgen

In einer Umfrage unter 3746 gastgewerblichen Betrieben haben laut Dehoga 62,7 Prozent der Unternehmer angegeben, dass sie die Anhebung wirtschaftlich hart treffen werde. Weitere zwölf Prozent treibe die politische Entscheidung "an den Rand des Ruins".

Dehoga-Präsident Guido Zöllick fordert von der Ampel, die Erhöhung wieder abzuräumen. "Steuerfairness heißt, Essen einheitlich mit sieben Prozent zu besteuern. Wie kann es sein, dass nur für das Essen im Restaurant ab 1. Januar 2024 wieder 19 Prozent gelten, während für das verpackte Essen zur Mitnahme, To-go oder Drive-in, die Essenslieferung sowie für den Fertigsalat aus dem Supermarkt weiterhin sieben Prozent gelten?", fragt er. Laut Dehoga werden 88,9 Prozent der Betriebe die Preise erhöhen.

Ökonomen bewerten die Anhebung des Steuersatzes unterschiedlich. So sagt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther: "Die Gastronomie hat sich noch immer nicht von den Krisen erholt." Die preisbereinigten Umsätze der Gastwirte lägen immer noch unter dem Niveau von 2019. Hüther sieht daher eine "Steuererhöhung zur Unzeit, unter der Konsumenten und Gastronomen leiden werden".

In den Städten schmeckt’s

Laut einer Studie des Münchner Ifo-Instituts und der Technischen Universität München ist das Bild in den großen deutschen Städten aber ein anderes. In Berlin, Hamburg, München, Stuttgart und Dresden lägen die Umsätze der Gastronomie inflationsbereinigt über den Werten der Pandemie.

"Die Betriebe konnten einen Teil ihrer gestiegenen Kosten für Personal, Lebensmittel und Energie weitergeben, ohne dass die Gäste ausbleiben", sagt Carla Krolage, Mitautorin der Studie. Abseits der konsumstarken Großstädte falle die Umsatzentwicklung jedoch weniger positiv aus.

Begrüßt wird die Anhebung der Mehrwertsteuer am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Katharina Nicolay, Stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft", meint, die Absenkung der Steuer begünstige "wohlhabende und kinderlose Haushalte stärker". Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs, lässt das Argument der Dehoga, dass steuerliche Hilfe wegen des Arbeitskräftemangels nötig sei, nicht gelten. Er meint: "Es ist kaum nachvollziehbar, warum etwa der Arbeitskräftemangel in der Gastronomie für die deutsche Wirtschaft ein schwerwiegenderes Problem darstellen sollte als im Handwerk oder im Einzelhandel."

In der Politik schiebt man sich für den Anstieg der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent auf Speisen gegenseitig den schwarzen Peter zu. Finanzminister Christian Lindner lässt durchblicken, dass er sich günstigere Preise auch weiterhin hätte vorstellen können. "Wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, wäre eine weitere Verlängerung drin gewesen. SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten. Ich verstehe, dass es viele bedauern. Aber die Rückkehr zur Normalität muss man akzeptieren, sagte er in der Bild am Sonntag.

Das ärgert die SPD. Deren Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, gab zurück: "Entscheidungen treffen wir in der Ampel gemeinsam. Es ist kein guter Stil, wenn der Finanzminister nachher nichts mehr mit den Beschlüssen zu tun haben will." (Birgit Baumann aus Berlin, 22.12.2023)