Aufnahme aus Traiskirchen
Das Logo der Bundesbetreuungsagentur in Traiskirchen.
Regine Hendrich

Wien – Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerberinnen und Asylwerber ist durch die unter Türkis-Blau eingerichtete Bundesbetreuungsagentur (BBU) nicht hinreichend gesetzlich abgesichert, wodurch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt wird. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem Gesetzprüfungsverfahren entschieden. Die entsprechenden Bestimmungen werden als verfassungswidrig aufgehoben. Bis 1. Juli 2025 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen.

Seit Juni 2019 ist die BBU, die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes steht, damit betraut, die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerbern im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. Zuvor führten vor allem Vereine derartige Beratungen durch.

Im Dezember 2022 beschloss der VfGH, mehrere Bestimmungen im BBU-Errichtungsgesetz (BBU-G) sowie im Verfahrensgesetz für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA-VG) von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Bedenken wurden unter anderem im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf "effektiven gerichtlichen Rechtsschutz" geäußert.

Kostenlose Rechtsberatung

Asylwerbern ist für ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. Dieser muss den jeweiligen Asylwerber etwa bei der Einbringung von Beschwerden an das BVwG unterstützen und hat unabhängig und weisungsfrei zu agieren. Bis zur Errichtung der BBU oblag die Auswahl der Rechtsberater vor dem BVwG dem Bundeskanzler; mit der Durchführung der Rechtsberatung konnten auch Vereine wie die Diakonie betraut werden.

Ebenjene Unabhängigkeit vom Innenminister sieht der Verfassungsgerichtshof bei den Rechtsberatern der BBU nicht gegeben. Zwar ist diese gesetzlich festgeschrieben, die Stellung der Berater innerhalb der BBU und gegenüber dem Innenminister, der gesellschaftsrechtlich als Eigentümervertreter fungiert, ist jedoch in einem Vertrag näher ausgestaltet, der die Geschäftsführung der BBU in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht an Weisungen des Innen- sowie der Justizministerin bindet, heißt es einer Presseaussendung des VfGH am Freitag.

Reaktion der Justizministerin

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) begrüßte die Entscheidung des VfGH, dass Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit gesetzlich abgesichert werden müssen. "Es ist uns im BBU-Rahmenvertrag gelungen, entsprechende Garantien der Unabhängigkeit zu verankern. Trotzdem habe ich bereits damals gesagt, dass es eine gesetzliche Lösung für die Unabhängigkeit braucht", betonte sie am Freitag in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Am Zug sieht sie nun den Innenminister, um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen. Das Justizministerium werde seine "grund- und menschenrechtliche Expertise zur Verfügung stellen", um einerseits die unabhängige Rechtsberatung und Vertretung von Asylsuchenden sicherzustellen, andererseits die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rechtsberatung der BBU langfristig abzusichern. "Allein dieses Jahr haben diese in zweiter Instanz in mehr als 20.000 Fällen unabhängig und qualitativ hochwertig beraten und vertreten", sagte Zadić.

Kickl findet Entscheidung "unverständlich"

Für FPÖ-Chef Herbert Kickl, unter dem als Innenminister die Reverstaatlichung der Rechtsbetreuung von Asylwerbern beschlossen wurde, ist die Entscheidung "zur Kenntnis zu nehmen, aber aufgrund ihrer negativen Folgen für unsere Heimat unverständlich". Die "einzigen Profiteure" dieser Entscheidung seien "die verfahrensverschleppenden NGOs, die private Geschäftsinteressen verfolgen".

Für eine tatsächlich konsequente und restriktive Asylpolitik sei es unerlässlich, dass geschäftliche Interessen privater Organisationen keine Rolle in diesem Bereich spielen dürften. "Genau das war auch das Ziel, das mit der Schaffung der BBU zur Rechts- und Rückkehrberatung verfolgt wurde, um eine klare Trennung zwischen dem wichtigen Recht auf Asyl, das Schutz vor Verfolgung auf Zeit bedeutet, und illegaler Einwanderung aus aller Herren Länder unter dem Deckmantel des Asylrechts herzustellen", betonte Kickl in einer Aussendung.

Rechtsform der GmbH verfassungskonform

Verfassungskonform ist laut der Prüfung des VfGH hingegen die Rechtsform der GmbH. "Die so gestaltete Rechtsberatung und -vertretung stellt – anders als z. B. bei der Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) – keine funktionell staatliche Verwaltungsführung (...) dar", so die Entscheidung des VfGH.

Zwar habe der Gesetzgeber einen staatlich beherrschten Rechtsträger mit der Rechtsberatung und -vertretung beauftragt, diese Tätigkeit sei aber eine Leistung für die Betroffenen, die auch von Privaten erbracht werden kann und erbracht wird. Daher lasse sich die BBU oder einzelne Rechtsberater nicht der staatlichen Verwaltung zuordnen.

Reaktion der BBU

BBU-Geschäftsführer und Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer meldete sich am Freitag per Aussendung zu Wort. Die Rechtsberatung für Geflüchtete bleibe demnach "ein integraler Bestandteil der BBU", so Achrainer. Er begrüße "das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Unabhängigkeit nun auch auf gesetzlicher Ebene stärker abgesichert werden soll". Die notwendige Gesetzesänderung will er "schnellstmöglich unter Dach und Fach bringen" und der Politik dabei "unsere vom VfGH anerkannte Expertise anbieten". (APA, red, 22.12.2023)