Svetlana Mojsov machte in fünf Jahren bahnbrechende Entdeckungen zu GLP-1. Mehr als 30 Jahre musste sie darum kämpfen, die entsprechende Würdigung dafür zu erhalten.
Rockefeller University/Taggart

Sie wäre nicht die erste Wissenschafterin, deren wissenschaftliche Großtaten zeitlebens eine angemessene Würdigung versagt blieb. Doch dem Schicksal der DNA-Pionierin Rosalind Franklin oder der Mutter der Kernspaltung Lise Meitner – um nur zwei prominentere Beispiele zu nennen – dürfte Svetlana Mojsov dank eigener Anstrengungen entgangen sein. Die Biochemikerin hat in den letzten Monaten die wichtigsten Fachjournale wie "Nature", "Science" oder "Cell" erfolgreich davon überzeugt, dass die Geschichte eines der wichtigsten medizinischen Durchbrüche der vergangenen Jahrzehnte ohne ihre Beiträge unvollständig wäre.

Bei dieser revolutionären Therapie handelt es sich um die – salopp formuliert – Fett-weg- oder Abnehmspritze, die in den vergangenen Monaten zum medizinischen Blockbuster mit Milliardenumsatz geworden ist. Wissenschaftlich etwas korrekter formuliert geht es um das Glucagon-ähnliche Peptid-1 (GLP-1) beziehungsweise um GLP-1-Agonisten, die zu hohe Blutzuckerwerte im Blut verhindern und das Hungergefühl drosseln können, wodurch sie wirkungsvoll gegen Adipositas wirken und bei Typ-2-Diabetes zum Einsatz kommen – und das mit zahllosen sehr positiven Nebenwirkungen, die bereits in etlichen Studien dokumentiert wurden.

Aus diesem Grund hat das Fachmagazin "Science" dieses erste wirksame Abnehmmedikament, das von US-Berühmtheiten wie Oprah Winfrey und Elon Musk verwendet wird, auch zum wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres 2023 erklärt. In vielen Medien sind lange Artikel über die Geschichte der Entdeckung erschienen, so unter anderem im August in der "New York Times" von der renommierten US-Medizinjournalistin Gina Kolata. In diesem wie in anderen Texten fehlte allerdings ein Name, nämlich der von Svetlana Mojsov. Und das, obwohl die gebürtige Serbin, die 1972 in die USA kam, vor rund 40 Jahren am Massachusetts General Hospital in Boston maßgebliche Beiträge zur Erforschung von GLP-1 geleistet hatte.

Frühe bahnbrechende Forschungen

So sagte sie unter anderem voraus, dass eine bestimmte Version dieses Hormons im Darmgewebe von Säugetieren vorkomme, was sie experimentell bestätigen konnte. Anschließend zeigte sie, dass diese biologisch aktive Form von GLP-1 die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse einer Ratte auslösen kann. Die damals von der Forscherin hergestellten Peptide und Antikörper waren auch bei mehreren anderen GLP-1-Experimenten, die zu dieser Zeit durchgeführt wurden, von entscheidender Bedeutung und führten in einer frühen Studie am Menschen zum Nachweis, dass GLP-1 den Blutzucker senken kann.

Diese Forschungen bildeten wiederum die Grundlage für Medikamente aus Basis von GLP-1-Agonisten wie Ozempic und Wegovy, die beide ein GLP-1-Analogon namens Semaglutid enthalten. Es enthält nur geringfügige Modifikationen gegenüber dem in Mojsovs Originalarbeit beschriebenen Peptid; die Änderungen verbessern die Stabilität und gewährleisten eine länger anhaltende Wirkung.

Heute belaufen sich die weltweiten Umsätze mit Semaglutid auf mehr als eine Milliarde Euro pro Monat. Und Fachleute gehen davon aus, dass diese Medikamentenklasse eines der umsatzstärksten Medikamente aller Zeiten werden wird. Was zu den Umsätzen beiträgt: Semaglutid muss zeitlebens eingenommen werden, ansonsten drohen Rückfälle.

Die Mittsiebzigerin, die mit dem bekannten Immunologen Michel Nussenzweig verheiratet ist und seit vielen Jahren an der Rockefeller University forscht, musste bereits vor Jahren einen langwierigen Rechtsstreit führen, damit ihr Name als Miterfinderin in die grundlegenden Patente aufgenommen wurde. Das brachte Mojsov kurzzeitig Tantiemen im Zusammenhang mit dem Verkauf eines früheren GLP-1-Medikaments ein. Da aber ihre Patentrechte längst ausgelaufen sind, verdient sie an Semaglutid nicht mit, das den dänischen Pharmahersteller Novo Nordisk heuer en passant zum wertvollsten Unternehmen Europas machte.

Späte Anerkennung

Als sich in den vergangenen Jahren abzuzeichnen begann, wie gut Semaglutid funktioniert, erhielten die GLP-1-Entdecker wichtige biomedizinische Preise wie 2021 den Gairdner Foundation International Award zugesprochen, der ein guter Indikator für einen späteren Nobelpreis ist. Wieder wurde Mojsov übergangen, was die bescheidene Forscherin so sehr ärgerte, dass sie gegen diese "manipulierte" Entdeckungsgeschichte anzukämpfen begann. Ihrer Meinung nach seien die Beiträge der Preisträger auf ihre Kosten übertrieben worden.

Mojsov bekam in den letzten Monaten Recht, nicht nur von Fachmagazinen wie "Cell", "Science" und "Nature", die ihre Beiträge nachträglich korrigierten und ihr ausführliche Porträts widmeten. Auch Joel Habener, ebenfalls ein Forscher am Massachusetts General Hospital, der bei allen bisherigen Preisverleihungen für GLP-1 berücksichtigt wurde, räumt mittlerweile ein, dass seine ehemalige Kollegin mit ihren Entdeckungsansprüchen "nicht ganz Unrecht" habe. "Sie hat es absolut verdient, anerkannt zu werden", sagte er kürzlich gegenüber "Nature". Richard Goodman, der als Postdoc bei Habener arbeitete, ist sogar überzeugt davon, dass die Forschung an GLP-1 ohne Mojsovs Beiträge in den 1980er-Jahren nicht weitergegangen wäre.

Für ihre bahnbrechenden Forschungen benötigte sie fünf Jahre – aber mehr als 30 Jahre, um dafür gewürdigt zu werden. Heute ist Mojsov darüber "einfach froh". Alles andere sei zweitrangig, sagt die Forscherin, auch die damit verbundenen Preise. Wobei sich das Nobelkomitee in Stockholm mittlerweile schwertun dürfte, Mojsov bei einem nicht ganz unwahrscheinlichen Nobelpreis für GLP-1 nicht zu berücksichtigen. (Klaus Taschwer, 30.12.2023)