Neujahrskonzert
Dirigent Christian Thielemann während der Probe der Wiener Philharmoniker zum Neujahrskonzert.
APA/GEORG HOCHMUTH

Der Pophit aus den späten 1970ern Love Is in the Air wurde bei der Pressekonferenz zum Neujahrskonzert im Imperial zwar nicht angestimmt. Ein bisschen hatte die gute Laune aber etwas von picksüßer Seligkeit. Es ist zwar längst kein Geheimnis mehr, dass sich die Wiener Philharmoniker und Dirigent Christian Thielemann musikalisch gut verstehen. So entzückt hört man den Vorstand des vielbeschäftigten Orchesters, Daniel Froschauer, aber auch nicht alle Tage plaudern. Thielemann sei "unglaublich gut vorbereitet". Es mache so Spaß, mit dem Deutschen zu spielen, denn "er schont uns nicht, holt das Letzte aus uns raus", schwärmt der philharmonische Geiger.

Auch Anton Bruckner dabei

Thielemann seinerseits geizte ebenfalls nicht mit Liebenswürdigkeit und betonte das Wunderschöne seiner Aufgabe, die "immer schöner wird, je besser man das Orchester kennt". Besonders durch die Aufnahmen aller elf Bruckner-Symphonien (samt der Studiensymphonie und der Nullten) habe sich das Verhältnis weiter vertieft. Bruckner erklingt, da 2024 sein 200. Geburtstag gefeiert wird, diesmal auch im Neujahrskonzert.

Man ließ dessen frühe Quadrille WAB 121, für Klavier erdacht, von Wolfgang Dörner orchestergerecht arrangieren. Thielemann versprach, man würde sich wundern, dass so etwas von Bruckner ist, der das Stück womöglich im Wirtshaus improvisierend erdacht habe. So jedenfalls eine Theorie zur Entstehung der Quadrille. "Bruckner hatte eine ganz andere Seite, als er jung war", staunt Thielemann selbst, der auch über die heikle Aufgabe sprach, die heiter-traurige Strauß-Musik umzusetzen, die im Zentrum des Programms mit neun Konzertneuheiten stehen wird.

Pingpong-Spiel

Es brauche für die Strauß-Familie gute Vorbereitung. Und er, Thielemann, habe bereits im Sommer, bei seinem Urlaub auf Sylt, begonnen, in den Partituren zu blättern. Wo dirigiert man energisch hinein? Wo lässt man das Orchester frei? Das seien die Fragen. Daraus folge auch ein Pingpong-Spiel zwischen ihm und Konzertmeister Rainer Honeck. Diese ganzen Temporückungen und Stimmungswechsel, die seien das Schwerste!

Er habe sich einst gewundert, dass ihm Herbert von Karajan empfahl, er möge mit der Operette beginnen. Tatsächlich hatte er recht. So leicht würde man von den Melodien fortgerissen und geriete dann zu laut. Es brauche diese spezielle Leichtigkeit und Diskretion, um diese Musik mit ihrem Hintersinn zu erfassen. Sie müsse spontan klingen, auch wenn vieles vorab verabredet wurde. Schwer ...

Bisschen lasziv

Froschauer berichtet aber von guten atmosphärischen Zeichen für das Konzert: Es sei ein Kollege zu ihm gekommen und habe gefragt, ob das Konzert kürzer sei als sonst. Natürlich nicht! "Aber ich habe mich gefreut, denn daran konnte ich erkennen, dass es Spaß macht, heuer zu spielen", so Froschauer, der auch über Joseph Hellmesberger schwärmte, dessen Estudiantina-Polka gespielt wird. Hellmesberger verkörpere für ihn das Wienerische, das er leicht klischeehaft definierte: "Es ist ein bisschen lasziv, ein bisschen unanständig – es berührt mich tief."

Recherche im Ehrbar-Saal?

Nüchterner wirkte er dann bei der Frage, warum nicht einmal Stücke von Komponistinnen Einzug ins Programm fänden. Schließlich habe er, Froschauer, selbst vorab Fakten präsentiert: Es seien bisher ganze 990 Stücke bei den 66 vom ORF übertragenen Konzerten gespielt worden, was eine Frauenstückquote von null Prozent ergebe. Froschauer meinte, es gebe keine grundsätzlichen Vorbehalte. Nur sei man "noch nicht so weit. Wir schauen uns das Repertoire aber an." Zwecks Recherche lohnt sich vielleicht am 1.1.2024 ein Besuch im Ehrbar-Saal. Dort erklingen beim speziellen Neujahrskonzert ausschließlich Werke von Komponistinnen. (Ljubiša Tošić, 29.12.2023)