Eisbär
Ein kanadischer Eisbär bei einem kleinen Nickerchen auf dem Schnee. Ihr besonderes Fell und eine Fettschicht schützen die Tiere perfekt vor Kälte.
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Eisbären sind, no na, perfekt an extreme Kälte angepasst. Ihr Fell ist ist extrem dicht, ölig und wasserabweisend, wodurch es eine Art isolierenden Luftpolster um den Körper des Tiers bildet. Unter dem Fell befindet sich schwarz gefärbte Haut, die das Beste aus den kärglichen Sonnenstrahlen des hohen Nordens herausholt. Schließlich verfügen die Tiere auch noch über eine bis zu zehn Zentimeter dicke Fettschicht.

Das Eisbärenfell und insbesondere die hohlen Fellhaare wurden zur Inspiration für chinesische Forscher, die eine Faser entwickelten, die isolierende Eigenschaften des Bärenpelzes nachahmt. Diese Kunstfaser ist ein mit Polyurethan beschichtetes Aerogel, das flexibel, waschbar und tragbar ist, wie die Forschenden um den Materialwissenschafter Weiwei Gao (Zhejiang-Universität in China) im Fachblatt "Science" berichten.

Großes Anwendungspotenzial

Diese Faser könnte eines Tages für Kleidungsstücke verwendet werden, die leicht und strapazierfähig sein müssen – also für Sportbekleidung, Militäruniformen und Raumanzüge. Der große Vorteil: Tiere müssen dafür nicht ihr Leben lassen. Um das Potenzial der Entwicklung anzudeuten, wurde ein Pullover aus dem neuartigen Material gestrickt. Laut den Angaben der Fachleute isoliert er sogar etwas besser als eine Daunenjacke, obwohl seine Dicke nur ein Fünftel der einer Daunenjacke beträgt.

Eisbär Pullover
Wärmt famos und sieht auch gut aus: der aus speziellen Aerogelfasern hergestellte Pullover.
M. Wu et al. / Science 2023

Dass Aerogele, bei denen Poren bis zu 99,8 Prozent des Volumens ausmachen, zu den besten Wärmedämmstoffen überhaupt gehören, ist seit langem bekannt. Aerogele wurden entsprechend bereits als Isoliermaterial etwa für Gebäude verwendet. Sie hatten bis jetzt allerdings einen Nachteil: Daraus hergestellte Fasern sind oft zu spröde und zerbrechlich, um zu tragbaren Textilien verwoben zu werden. Zudem verloren sie bis jetzt ihre isolierenden Eigenschaften nach dem Waschen und in feuchter Umgebung.

Haare mit Lufttaschen

Daher ließen sich die Forscher vom Eisbärenfell inspirieren. Der Kern jedes Fellhaars hat wie Aerogele Dutzende von winzigen Lufttaschen, die verhindern, dass Wärme abgeleitet wird. Doch dieser poröse Kern des Haars ist von einer Außenhülle umgeben, die wasserdicht, dehnbar und robust ist. Diese Struktur bauten die Forschenden mit einem Aerogel aus einem Polymer und einer Hülle aus thermoplastischem Polyurethan (TPU) nach, das häufig in Sportkleidung verwendet wird.. Gao und seine Kollegen verwendeten ein Verfahren, das als Gefrierspinnen bekannt ist, um die poröse innere Struktur des Eisbärenfells zu imitieren.

Während gewöhnliches Aerogel um nicht mehr als zwei Prozent seiner ursprünglichen Länge gedehnt werden kann, ohne beschädigt zu werden, kehrte die von Eisbären inspirierte Verbundfaser nach einer 1.000-prozentigen Dehnung zu ihrer ursprünglichen Länge zurück. Die isolierenden Eigenschaften der Faser blieben auch erhalten, nachdem sie 10.000-mal auf das Doppelte ihrer Länge gedehnt worden war, und sie veränderte ihre Struktur oder Form nicht, wenn sie in Wasser getaucht, ausgetrocknet oder gefärbt wurde.

Fasern
Querschnitt eines Eisbärenhaars (links) und der neuartigen Aerogelfaser.
M. Wu et al. / Science 2023

Erfolgreicher Praxistest

Für den Praxistext fertigten die Forschenden einen Pullover aus der neuen Aerogelfaser an und verglichen dessen Wärmeisolationsleistung mit einer Daunenjacke, einem gewöhnlichen Wollpullover und einem langärmeligen Baumwolloberteil. Das Team bat einen Freiwilligen, jedes Kleidungsstück in einem auf minus 20 Grad Celsius abgekühlten Raum zu tragen. Nach einiger Zeit maßen sie die Oberflächentemperatur der vier Kleidungsstücke, um zu beurteilen, wie gut sie die Wärme halten.

Obwohl der von Eisbären inspirierte Pullover nur ein Fünftel so dick war wie die Daunenjacke, wies er die beste Isolierung von allen Kleidungsstücken auf. Seine durchschnittliche Oberflächentemperatur betrug 3,5 Grad Celsius, während die Daunenjacke 3,8 Grad Celsius warm wurde, was bedeutet, dass sie etwas mehr Wärme abgab als der Pullover. Die Hemden aus Baumwolle und Wolle isolierten am wenigsten, mit einer durchschnittlichen Oberflächentemperatur von 10,8 und 7,2 Grad Celsius. Die Isolierung des Aerogel-Pullovers ließ auch nach einigen Waschmaschinengängen nicht nach, was darauf hindeutet, dass er haltbar ist, um häufig getragen zu werden.

Dennoch ist synthetische Kleidung aus dem Eisbärenfellanalogon noch weit davon entfernt, in normalen Bekleidungsgeschäften angeboten zu werden. Denn das Verfahren zur Herstellung der Fasern ist noch viel zu langsam und energieintensiv, um für eine Massenproduktion geeignet zu sein. Das Team arbeitet aber angeblich bereits daran, diese Herstellungsprozesse markttauglich(er) zu machen. (tasch, 29.12.2023)