Wolkenkratzer
Die Architektur der Zukunft hat Innovationsbedarf. Neue Gesetze sollen hier unterstützend wirken.
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1. Neue Bodenpolitik

Österreich versiegelt und asphaltiert seine unersetzbaren Böden, als gäbe es kein Morgen. Das gefährdet das Klima, das gefährdet die Nahrungsvorsorge. Behörden wie das Umweltbundesamt haben die Daten dazu ermittelt, die Lösungen sind bekannt. Und doch wurde die quasi beschlussfähige Bodenstrategie abgewürgt. Stattdessen setzt man auf Anreize statt Verbote. Doch mit gutem Zureden kommt das Betonierland Österreich auf keinen grünen Zweig. Eine Bodenpolitik braucht Zielsetzungen mit eindeutigen Zahlen und einer Gesamtstrategie, was, wo und wie viel verbaut werden darf.

2. Vernetzte Raumordnung

Aufgrund der Kommunalsteuer hat jeder Bürgermeister ein reges Interesse daran, die eigene Gemeinde wachsen und prosperieren zu lassen. Die Folge sind Zersiedelung und wuchernde Kreisverkehre mit Supermärkten und Fachmarktzentren. Das muss ein Ende haben. Es braucht dringend eine Kompetenzverlagerung: Flächenwidmung und Raumordnung müssen von der Agenda der Bürgermeisterinnen verschwinden – und müssen Ländersache werden, idealerweise in Kooperation mit dem Städte- und Gemeindebund. Nur so kann eine vernetzte, nachhaltige Raumordnung gelingen.

3. Neues Mietrechtsgesetz

Das österreichische Mietrechtsgesetz (MRG) ist zwar sehr mieterfreundlich, was wir begrüßen, hat aber zwei große Haken: Erstens sind Eigentümerinnen von Altbauten vor 1945 massiv benachteiligt, weil sie die Miete deckeln müssen und sich anstehende thermische und energetische Investitionen ins Gebäude häufig als unrentabel herausstellen. Und zweitens können Mieter immer noch individuell mitentscheiden, ob sie in ihrer Mietwohnung eine solche Sanierung zulassen oder nicht. Liebe Regierung, es braucht dringend ein neues MRG!

4. CO2-Bepreisung

Wie bei der Bodenstrategie ist man auch beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) kurz vor dem Ziel umgeknickt. Der Austausch fossiler Heizungen hängt nun von der Zustimmung jedes einzelnen Eigentümers ab. Das macht "Raus aus Gas" im Geschoßwohnbau bis 2040 praktisch unmöglich. Doch bei der Klimawende darf es keine Zaghaftigkeit und kein angstvolles Schielen auf die nächste Wahl geben. Neben einem ordentlichen EWG ist eine von vielen Expertinnen geforderte faire Bepreisung der CO2-Emissionen umzusetzen. Nur so kann die Energiebilanz von Neubauten und Altbauten richtig berechnet werden.

5. Transparente städtebauliche Verträge

Seit 2014 hat die Stadt Wien die Möglichkeit, mit privaten Grundeigentümern städtebauliche Verträge abzuschließen. Diese kommen meist bei Großprojekten zum Tragen. Im Gegenzug für eine rentable Umwidmung (Nutzung, Gebäudehöhe, Bebauungsdichte) verpflichtet sich der Investor, öffentliche Infrastrukturen zu schaffen – ob das nun Schulen, Grünräume oder gemeinschaftliche Einrichtungen sind. Das Problem: Die städtebaulichen Verträge sind nicht öffentlich einsehbar. Beim Triiiple hat sich der Investor geschickt aus der Affäre gezogen, beim Kaufhaus Lamarr in der Mariahilfer Straße (Signa), hört man, ist der Vertrag bis heute nicht unterzeichnet. Nun ist es zu spät. Bitte mehr Transparenz!

6. Entsiegelung der Stadt

Österreich ist Versiegelungseuropameister. Pro Minute werden 80 Quadratmeter Boden versiegelt. Oder, anders ausgedrückt: Jahr für Jahr wird in Österreich Grünland in der Größe von Eisenstadt zubetoniert und mit Asphalt zugegossen. Allein in Wien versickern lediglich sieben Prozent des Regenwassers im Untergrund, 93 Prozent müssen über Kanäle abgeleitet werden. Das ist teuer, aufwendig und stadtklimatisch unvernünftig. In Zeiten von Klimakrise und Urban-Heat-Islands braucht es nicht nur einen Versiegelungsstopp, sondern auch ein Aufreißen von bestehenden Straßenflächen. Unsere Straßen müssen endlich grün werden. Dazu braucht es mehr als nur sogenannte Ulli-Sima-XXL-Bäume.

7. Weniger Autos in der Stadt

Nur noch 20 Prozent der Wege sollen 2025 in Wien per Auto zurückgelegt werden: Das hat sich die Stadtregierung selbst vorgenommen. Doch davon ist man meilenweit entfernt, erst recht, wenn man die Pendler aus dem Umland mit einberechnet. Oft scheitern die Maßnahmen zudem an dieselsüchtigen Bezirkskaisern. Diese schrauben auch eigenmächtig den Stellplatzschlüssel nach oben, obwohl Bauträger seit Jahren darum flehen, genau hier zu reduzieren. Denn Garagen sind die teuersten Räume im sowieso schon teuren Wohnbau. Daher: Das Gesetz muss die längst gewandelten Mobilitätskonzepte endlich abbilden: weniger Autos, mehr Fahrräder, mehr Sharing, intelligente Logistik.

8. Umbauordnung

Die Bauwirtschaft ist für rund 40 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Geht das so weiter, wird das im Pariser Klimaübereinkommen gedeckelte CO2-Budget schon 2025 aufgebraucht sein. Wie lässt sich das verhindern? Mit einer Kultur von Umbau und Reparatur anstatt Abriss und Neubau. Darüber sind sich Bauträger und Architekten weitgehend einig, doch man kann nicht so, wie man will, denn Gewährleistungen und Kostenberechnungen sind auf neue Bauteile optimiert. Bis zur sehnlichst erwarteten "Umbau-Norm", der OIB-Richtlinie 7, dauert es noch Jahre. Wir brauchen mehr Förderungen für Sanierung und Bauordnungen, die den Bestand in den Mittelpunkt stellen.

9. Weg mit der Übernormierung

Offenbar brenne es alle paar Jahre anders, hört man oft von galgenhumorigen Architekten, wenn sich wieder einmal eine Brandschutznorm verschärft hat. Das tut sie andauernd, ebenso wie die Vorschriften zu Erdbeben, Schallschutz und Barrierefreiheit. Wohnen, das scheint aus Sicht des Gesetzgebers eine Schnittmenge zahlloser lebensgefährlicher Situationen zu sein, vor denen die Menschen geschützt werden müssen. Doch diese Normenflut verschlingt Zeit und Geld, Anträge stapeln sich monatelang bei der Baupolizei. Für die architektonische Qualität bleibt da kaum Luft. Daher: Baut die Normen ab!

10. Experimentelle Wohnbauten

Die IBA Wien 2022 wäre eine große Chance gewesen, wie in anderen europäischen IBA-Städten innovative Wohnexperimente außerhalb der aktuell geltenden Bauordnung zu wagen. Der Versuch wurde leider verunmöglicht. In Zeiten von Übernormierung, explodierenden Grundstückspreisen und generell steigenden Wohn- und Energiekosten wünschen wir uns endlich mehr Wagnis und mehr Wohnkonzepte außerhalb der Zimmer-Schuhschachtel-Schablone. Es gibt in Österreich nicht nur Otto Normalverbraucher und Monika Musterfrau. Lasst uns spielen! (Maik Novotny, Wojciech Czaja, 29.12.2023)