Johanna Sebauer empfiehlt Gianna Molinari

Johanna Sebauer
Johanna Sebauer (geb. 1988 in Wien) wuchs in einem kleinen burgenländischen Dorf nahe der ungarischen Grenze auf und lebt heute in Hamburg. Ihr erster Roman "Nincshof" (Dumont, 2023) wurde mit dem Debütpreis des Harbour-Front- Literaturfestivals 2023 ausgezeichnet.
Birte Filmer

"Ein Dorf wehrt sich gegen das Verschwinden. Die Geschichte ist das haargenaue Gegenteil dessen, was ich in meinem Debütroman erzähle. Da war ich natürlich sofort neugierig, wie Gianna Molinari da rangeht. Nun ja: Sie zaubert! Es ist ein wunderschönes Buch. Leise, aber mächtig. Mit poetischer, präziser Sprache erzählt es so viel mehr als das, was tatsächlich dasteht. Man findet Sätze darin, so schön, dass man sie mehrmals liest und sich insgeheim wünscht, sie wären einem selbst eingefallen."

Buchcover
Gianna Molinari, "Hinter der Hecke die Welt". € 25,50 / 208 Seiten. Aufbau, Berlin 2023
aufbau

Luca Kieser empfiehlt Cornelia Hülmbauer

Luca Kieser
Luca Kieser (geb. 1992 in Tübingen, Deutschland) studierte Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien, wo er lebt. Sein Debütroman "Weil da war etwas im Wasser" (Picus, 2023) erreichte die Longlist des Deutschen Buchpreises 2023. Sein Lyrikdebüt erschien im selben Jahr.
Nikolaus Stein

"In einer Kette aus kurzen Szenen wird hier das Panorama einer Jugend auf dem Land entworfen: 80er-Jahre, Niederösterreich, eine Autowerkstatt an der Bundesstraße, die Familie, die Mechaniker ... und dazwischen ein Mädchen. Das alles ist geschrieben von einer Lyrikerin. Und gerade weil hier jedes Wort mit poetischer Behutsamkeit gesetzt ist, kann man in oft manchmal nie versinken. Ich habe es in der Badewanne weggesnackt."

Cornelia Hülmbauer, "oft manchmal nie". € 24,– / 192 Seiten. Residenz, Salzburg 2023
Residenz

Anna Kim empfiehlt Anna Neata

Anna Kim
Anna Kim (geb. 1977 in Daejeon, Südkorea) stand mit ihrem aktuellen Roman "Geschichte eines Kindes" (Suhrkamp, 2022) auf der Longlist des Deutschen und auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises. Im Juli wurde das literarische Schaffen der Autorin mit dem Veza-Canetti-Preis gewürdigt. Kim lebt und arbeitet in Wien.
Heribert Corn

"Ich bin dem Roman das erste Mal begegnet, als er gerade halb so lang war, wie er jetzt ist; vielleicht ist er mir deshalb so ans Herz gewachsen. Anna Neatas Packerl wird als Familienroman verkauft, aber er ist viel mehr als das: Er ist vor allem eine Kritik an den hiesigen Strukturen, die Frauen die Entscheidung erschwert, sich für (oder gegen) eine Abtreibung zu entscheiden – nicht zuletzt durch seinen ungewöhnlichen Aufbau, der Verbindungen von der NS-Zeit bis in die Gegenwart aufzeigt."

Anna Neata, "Packerl". € 24,50,– / 368 Seiten. Ullstein, Berlin 2023
Ullstein

Arad Dabiri empfiehl Necati Öziri

Arad Dabiri
Arad Dabiri (geb. 1997 in Wien) wird von dort auch nicht wegziehen. Sein Roman "DRAMA" (Septime-Verlag, 2023) wurde als bestes Debüt beim Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet und war für den Franz-Tumler-Preis nominiert. Im Rahmen des Drama-Lab der Wiener Wortstätten entstand das Stück "DRUCK!".
Anna Radaschütz

"Dreihundertvier Seiten später, und ich habe unzählige Leben an mir vorbeiziehen sehen. Das meiner Eltern, derer Eltern, Freunde, Bekannte, Fremde und sogar meine eigene Geschichte. Rohe, laute Gewalt – zarte, leise Einfühlsamkeit. Direkt unter die Haut, rein in das (post)migrantische Herz: Es schlägt schneller, lauter, gefährlicher – ich konnte und kann es auch heute noch spüren. Keine Prosa, vielmehr: literarisches Erwachen. Achtung, Pathos: ein Buch, das all unsere Leben überdauern wird."

Necati Öziri, "Vatermal". € 25,– / 304 Seiten. Claassen, Berlin 2023

Clemens Setz empfiehlt Barbi Marković

Clemens J. Setz
Clemens J. Setz (geb. 1982 in Graz) erhielt für sein Werk zahlreiche Auszeichnungen. Unter anderem den renommierten Georg-Büchner-Preis. Zuletzt wurde er mit dem Österreichischen Buchpreis für seinen Roman "Monde vor der Landung" (Suhrkamp) ausgezeichnet. Er lebt in Wien.
Rafaela Pröll

"Mein Lieblingsbuch 2023 war Minihorror von Barbi Marković. Mini und Miki begegnen einer Reihe von Monstern und Katastrophen. Alle aus dem Horrorgenre bekannten Möglichkeiten der Verwandlung des Alltags in verschiedene Aspekte der Hölle stoßen ihnen zu, und was unter der Hand der meisten Schreibenden höchstens zu anmutigem Klamauk geraten würde, wird bei Barbi Marković zu bewegender, fuchsschlauer Poesie, voller Zartgefühl, Weisheit und geradezu anarchischer Menschenliebe."

Barbi Marković, "Minihorror". € 25,– / 192 Seiten. Residenz, Salzburg 2023

Romina Pleschko empfiehlt Ottessa Moshfegh

Romina Pleschko (geb. 1983 in Gmunden) studierte Schauspiel am Konservatorium der Stadt Wien. Ihr Debütroman "Ameisenmonarchie" erschien 2021 bei Kremayr & Scheriau, 2023 folgte ihr zweiter Roman "Offene Gewässer" ebendort.
Nadine Studeny

"Nach Mein Jahr der Ruhe und Entspannung von Ottessa Moshfegh (ebenfalls ganz große Empfehlung!) habe ich unruhig und gespannt auf ihr neuestes Werk gewartet und wurde nicht enttäuscht. Lapvona erzählt in mittelalterlich anmutendem Setting die Geschichte einer grausamen Feudalherrschaft, der Roman handelt von Status und Fatalismus, Glaube und Lügen, Betrug und Selbstbetrug. Durchaus tauglich zum Eskapismus beim Lesen, erinnert er dann doch immer wieder an aktuelle Zustände, und trotz teilweise sehr explizit deftigen Inhalts scheint regelmäßig subtiler Humor durch, was ich persönlich sehr schätze."

Ottessa Moshfegh, "Lapvona". € 27,50 / 336 Seiten. Hanser, Berlin 2023
Verlag

Johanna Grillmayer empfiehlt Zadie Smith

Johanna Grillmayer
Johanna Grillmayer (geb. 1974 in Wien) lebt und arbeitet als Autorin und Journalistin für den ORF ebendort. Der Debütroman der studierten Historikerin "That’s Life in Dystopia" erschien im Oktober bei Müry Salzmann, eine Fortsetzung wird für 2024 erwartet.
Johanna Grillmayer

"London, 1873: Eliza Touchet führt ihrem Cousin, einem Dichter, den Haushalt, zieht seine Töchter groß und trauert um eine verlorene Liebe. Nebenbei verfolgt sie den Gerichtsprozess um einen Erben (oder Hochstapler) und den früheren Sklaven, der ihn begleitet. Zadie Smith zeichnet ein plastisches Bild der schöngeistigen englischen Gesellschaft, plus Misogynie und Verschwörungstheorien. Bis die Perspektive wechselt, die glänzende viktorianische Medaille kippt und ihre furchtbare Rückseite offenbart."

Zadie Smith, "Betrug". € 26,– / 528 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2023
Kiepenheuer & Witsch

Tonio Schachinger empfiehlt Samuel Hamen

Tonio Schachinger
Tonio Schachinger (geb. 1992 in Neu-Dehli, Indien) erhielt für seinen Roman "Echtzeitalter" (Rowohlt), der in einer Eliteschule spielt, den Deutschen Buchpreis 2023. Er lebt in Wien.
Anna Breit

"Unter jüngeren deutschsprachigen Autoren sind in naher, dystopischer Zukunft spielende Romane längst ein Allgemeinplatz geworden. Sie dienen meist auf sehr banale Art dazu, etwas über die Gegenwart zu sagen, und klingen soziologisch-blutleer. Ganz anders Samuel Hamens Roman, der in seine von einem melancholischen Grundton getragene Dystopie eine beinahe klassische Detektivgeschichte mischt und in diese eine kühle, widersprüchliche und dennoch ernsthafte Liebesgeschichte. Ein ganz besonderes Buch."

Samuel Hamen, "Wie die Fliegen". € 18,– / 200 Seiten. Diaphanes, Zürich 2023

Birgit Birnbacher empfiehlt Matthias Gruber

Birgit Birnbacher
Birgit Birnbacher (geb. 1985 in Schwarzach im Pongau) erhielt neben zahlreichen Auszeichnungen 2019 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Zuletzt erschien von ihr der Roman "Wovon wir leben" (Zsolnay, 2023). Birnbacher lebt in Salzburg.
Siegrid Cain

"Dieses Buch ist ein bisschen wie Zauberei. Zuerst habe ich gedacht, da erzählt einfach eine zutiefst sympathische Stimme aus einem mehr oder weniger besonderen Leben, aber dann wird schnell klar, dass der Autor mit ungewöhnlichen Motiven künstlerisch konsequent anspruchsvoll bleibt, ohne dass er dabei bemüht wirkt. Gerade bei literarischen Debüts ist es doch immer spannend, womit jemand beginnt. Bei Gruber ist es besonders angenehm, dass er sich nicht um sich selbst dreht, sondern schreibt, weil es da eine Geschichte gibt, die erzählt werden soll. Er tut das literarisch und menschlich mit Haltung. Dieses Buch war vom Anfang bis zum Ende ein Genuss: mein persönliches Jahreshighlight."

Matthias Gruber, "Die Einsamkeit der Ersten ihrer Art". € 24,– / 304 Seiten. Jung & Jung, Salzburg 2023
Jung und Jung

Irene Diwiak empfiehlt Anna Herzig

Irene Diwiak
Irene Diwiak (geb. 1991 in Graz) stand mit ihrem Debütroman "Liebwies" (Deuticke, 2017) auf der Shortlist für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises. 2023 ist ihr dritter Roman "Sag Alex, er soll nicht auf mich warten" (C. Bertelsmann) erschienen. Sie erhielt bereits zahlreiche Literaturpreise und -stipendien.
Bogenberger

Mir ist dieses Jahr besonders Anna Herzigs 12 Grad unter Null in Erinnerung geblieben: eine Dystopie, in der Männer im Falle einer Trennung oder auch einfach nur so von Frauen ihre "Schulden" zurückverlangen können, also all das, was der Mann in die Frau investiert zu haben glaubt. Feministische Themen sind immer gut, was ich bei diesem Buch aber fast noch spannender finde, ist die ganz eigene, eigenwillige Sprache. Liebe Theaterleute da draußen, dieser Text verdient eine Bühne!

Anna Herzig, "12 Grad unter Null". € 19,90 / 144 Seiten. Haymon, Innsbruck 2023
Haymon

Stefan Kutzenberger empfiehlt Benjamín Labatut

Stefan Kutzenberger (geb. 1971 in Linz) ist Schriftsteller und lebt in Wien. Seine neueste Publikation ist eine Übersetzung aus dem Spanischen von Kirmen Uribes "Das Vorleben der Delfine" (Berlin-Verlag, 2023).
privat

"Der chilenische Schriftsteller Benjamín Labatut hat in englischer Sprache ein düsteres Werk über den ungarischen Mathematiker John von Neumann geschrieben. Dieser emigrierte 1933 in die USA, wo er den modernen Computer miterfand, ein wichtiger Teil des Manhattan-Projekts wurde und die KI vorwegnahm. Es ist äußerst reizvoll, wie in diesem grandiosen Roman die streng rationale Sicht der theoretischen Mathematik auf das Terrain des Deliriums, des Irrationalen trifft."

Benjamín Labatut, "Maniac". € 26,– / 395 Seiten. Suhrkamp, Berlin 2023
Suhrkamp

Karin Peschka empfiehlt Srečko Kosovel

Karin Peschka
Karin Peschka (geb. 1967 in Linz) wuchs als Wirtstochter in Oberösterreich auf. Sie ist Trägerin zahlreicher Preise und Stipendien. Mit ihrem letzten Roman "Dschomba" (Otto-Müller-Verlag, 2023), der im Mai und Juni 2023 auf Platz eins der ORF-Bestenliste stand, war sie auf der Longlist des Österreichischen Buchpreises vertreten. Sie lebt in Wien.
Raphael Gabauer

"'Weiße Aeroplane sanft | kreisen sie im Blau. | Wer, Wer? Wohin, Wohin | Das sind meine Erinnerungen.' Srečko Kosovel starb 1926 mit 22 Jahren. Er hinterließ 1400 Gedichte, dazu Prosatexte, Notizen, Briefe und vieles mehr. Ludwig Hartinger lernte "in slowenischen Wortlandschaften" die Sprache des jung verstorbenen Dichters. Und wurde für seine herausragenden Kosovel-Übersetzungen mit dem Fabjan-Hafner-Preis 2023 ausgezeichnet. Sein Buch ist pure Begegnung. Mit Srečko Kosovel, mit dem Karst."

Srečko Kosovel, "Mein Gedicht ist mein Gesicht". Auswahl, Übersetzung aus dem Slowenischen und Komposition: Ludwig Hartinger. Mit Federzeichnungen und Holzschnitten von Christian Thanhäuser. € 24,– / 180 Seiten. Otto-Müller-Verlag, Salzburg 2023
otto müller verlag

(29.12.2023)