Sophie Plöchl, Parkinson-Betroffene, steht in einem Garten und lächelt
Bewegung ist das beste Mittel bei Parkinson. Sophia Plöchl (52) ist regelmäßig mit Smovey-Ringen unterwegs. Diese wurden von einem Betroffenen entwickelt.
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Wenn die Müdigkeit kam, musste sich Sophia Plöchl hinlegen. Sofort. "Da gab es kein 'Ich übertauche das jetzt, das schaff ich schon'. Ausruhen war die einzige Möglichkeit", erzählt die heute 52-jährige Niederösterreicherin. Als sie Mitte 40 war, fing die überfallsartige Erschöpfung an, ihre beiden Kinder waren damals noch sehr klein.

Müde und schwer

"Dazu kam, dass sich ein Bein immer extrem schwer und müde anfühlte", beschreibt sie weitere Symptome. Irgendwann begann auch ein Finger zu zittern: "Das ist als Erstem meinem damals fünfjährigen Sohn aufgefallen, er hat es angesprochen. Ich selbst habe es bis dahin eher verdrängt." Jede Menge Symptome – aber eine bestimmte Krankheit erkannte man nicht. Die Neurologin diagnostizierte einen 'essenziellen Tremor'.

Als schließlich Plöchls Schrift unleserlich wurde und sie gar nicht mehr belastbar war, ging sie zu einem Spezialisten. Der stellte schnell fest: Sie hat Parkinson. Mit 47. "Für mich war es aber eine große Erleichterung, endlich zu wissen, was nicht stimmt."

Zehn Prozent unter 50

Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der das a-Synuclein, ein kleines, lösliches Protein, das in vielen Zellen, vor allem aber im Gehirn, vorkommt, verklumpt und die Zelle absterben lässt. Das Protein regelt unter anderem die Dopaminausschüttung. Und genau dieser Neurotransmitter fehlt Parkinsonbetroffenen. Er ist aber an zahlreichen körperlichen und psychischen Vorgängen essenziell beteiligt. Durch den Mangel kommt es zu typischen Parkinsonsymptomen wie Zittern und Steifheit.

Warum das Protein verklumpt, weiß man nicht. Man weiß nur, dass das bei immer mehr Menschen passiert. Rund eine von tausend Personen hat Parkinson, Tendenz rasant steigend. Es ist die neurodegenerative Erkrankung, die den höchsten Anstieg an Betroffenen überhaupt hat.

Junge Betroffene

Parkinson ist dabei entgegen der breiten Wahrnehmung keine Erkrankung des Alters. "Viele verbinden es mit alten Menschen, die halt salopp gesagt zittern. Aber zehn Prozent der Betroffenen sind zum Zeitpunkt der Diagnose unter 50, das ist noch sehr jung", sagt Dieter Volc, Neurologe und Parkinsonspezialist. Mit durchschnittlich 62 Jahren manifestieren sich die meisten Neuerkrankungen, mit fünf Jahren Spielraum nach oben und unten. "Da stehen viele noch im Berufsleben."

Die fixe Diagnose schafft dabei Klarheit. Die ersten Anzeichen könnte man aber schon zehn bis 15 Jahre früher entdecken – würde man danach suchen. Da die Symptome aber eher unspezifisch sind, fällt das schwer.

Möglicher Ursprung im Darm

Ein frühes Anzeichen ist eine Geruchssinnstörung, Betroffene verwechseln häufig Gerüche – sie selbst bemerken das aber oft nicht. Ein weiteres Anzeichen sind lebhafte oder auch erschreckende Träume mit zum Teil heftigen Bewegungen, die "REM sleep behavior disorder". Viele später Betroffene leiden auch an Depressionen, wahrscheinlich als frühes Anzeichen des Dopaminmangels. Und auch Stuhlverstopfung kommt häufig vor.

Das dürfte daran liegen, dass eine Form der Erkrankung ihren Ursprung in einem veränderten Mikrobiom hat, der Bakterienvielfalt, die den Darm bevölkert. Was genau nicht stimmt, weiß man aber nicht. Und genau wegen dieser unklaren Symptome dauert es oft sehr lange, bis eine Diagnose gestellt wird.

Je jünger die Betroffenen sind, desto eher kann es auch passieren, dass sie mit ihren Problemen gar nicht ernst genommen werden – auch weil man einfach nicht an Parkinson denkt. So erging es ja auch Sophia Plöchl. Fast drei Jahre dauerte es von den ersten Anzeichen bis zur Diagnose. Ihr damals schlechter Zustand und wohl auch die noch nicht erkannte Krankheit ließen sie in eine Erschöpfungsdepression rutschen.

Umweltgifte als Ursache

Was die Erkrankung konkret auslöst, ist nicht klar. Es gibt eine genetische Disposition, in über 90 Prozent der Fälle wird die Erkrankung aber nicht direkt vererbt. Generell wirkt sich die Genetik nur zu rund 30 Prozent auf eine Manifestation aus. Eine relevante Ursache dürften Umweltgifte sein – und weil es so viele davon gibt, steigt wohl auch die Zahl der Betroffenen so rasant. "Man geht heute davon aus, dass Inhalations- und Industriegifte wie Lösungsmittel Parkinson auslösen können. In Frankreich ist etwa ein Herbizid aus dem Weinbau als Auslöser anerkannt. Die Weinbauern atmen das ein, wenn sie auf dem Traktor sitzen", sagt Volc.

Die eine Form von Parkinson gibt es übrigens nicht, es existieren mehrere Unterformen mit unterschiedlichen Syndromen. Eine davon ist etwa die Parkinsondemenz. Diese war zuletzt mehrfach in den Medien, weil Hollywoodstar Bruce Willis daran erkrankt ist.

Sophia Plöchls hält eine Tasse Kaffee in den Händen
Zu viel Stress tut nicht gut. Regelmäßige Pausen, auch mit Kaffee, sind wichtig.
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Die Krankheit ist übrigens nicht lebensbedrohlich, statistisch gesehen reduziert sie die Lebenserwartung nur um drei Monate. Die Lebensqualität ist aber stark eingeschränkt. Spezialist Volc weiß: "Parkinson wird immer noch als motorische Erkrankung eingestuft, mit Ruhetremor, Bewegungsarmut, Zittern und Muskelsteifheit. Aber tatsächlich sind die nichtmotorischen Symptome wie Schlafstörungen, Verdauungsprobleme, Depression oder Demenz für Betroffene viel schlimmer."

Eine Therapie gibt es in dem Sinn nicht, man kann nur symptomatisch behandeln und die Auswirkungen verringern. Dafür stehen fünf Substanzgruppen zur Verfügung, die man, je nach Ausformung, kombiniert. Und Sport ist extrem wichtig. "Bewegung und Physiotherapie machen rund 50 Prozent des Behandlungserfolgs aus", betont Volc.

Das ist auch für Sophia Plöchl das wichtigste Element. Regelmäßig geht sie laufen oder mit Smovey-Ringen schnell spazieren. Die Ringe wurden übrigens von einem Parkinsonbetroffenen entwickelt. Sie tanzt außerdem, macht Krafttraining und dehnt ausgiebig. Sie empfiehlt: "Tischtennis ist ein super Sport bei Parkinson – solche unerwarteten Bewegungen stimulieren das Gehirn. Das gilt auch für Boxen oder Klettern – in Wien gibt es sogar eigene Parkinson-Kletterkurse."

Besserung durch Bewegung

Plöchl geht mit ihrer Erkrankung sehr offen um, das ist ihr wichtig. Denn für Außenstehende ist ja nicht klar, was nicht stimmt – man merkt nur, dass etwas nicht in Ordnung ist. Auch im Arbeitskontext hat sie immer offen kommuniziert. "Ich kenne viele, die in der Arbeit nichts von ihrer Krankheit erzählen, aus Angst, den Job zu verlieren. Aber die Krankheit geht ja nicht weg, nur weil man nicht darüber redet. Im Gegenteil, es wird noch schlimmer." Denn Stress ist ein wichtiger Trigger. Und der doppelte Stress aus Arbeit und dem Verheimlichen kann zum echten Teufelskreis werden.

Mit ihrem Engagement will Plöchl das Stigma brechen, das der Krankheit anhaftet. "Ich finde es so wichtig, dass man darüber spricht. Nur dann kann breitere Akzeptanz entstehen. Man muss ja auch Lebensgewohnheiten ändern und auf die Krankheit eingehen. Definiert man sich vorwiegend über die Arbeit, kann das natürlich sehr schwer fallen."

Auch für Plöchl war das nicht einfach, aber mittlerweile hat sie die Krankheit in ihr Leben integriert. Als selbstständige Supervisorin kann sie ihren Arbeitstag weitgehend frei einteilen, hat Zeit für Bewegung und kann sich ausruhen, wenn es nötig ist. Sie engagiert sich auch in der Parkinsonaufklärung und in der Vernetzung von Betroffenen. Plöchl betont heute: "Ja, die Diagnose hat natürlich eine Krise ausgelöst. Aber dadurch haben sich mir auch neue Türen geöffnet." (Pia Kruckenhauser, 7.1.2024)