Sind Zebrastreifen sicher genug? Wahrscheinlich nicht, wie Aktivistinnen und Aktivisten nachweisen konnten, indem sie verfügbare Daten miteinander verknüpften.
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Es ist etwas faul im Großherzogtum Luxemburg. Und nein, die Rede ist ausnahmsweise nicht von diversen Finanzskandalen, sondern von einem eher bodenständigen Thema: Mit den Zebrastreifen in Luxemburg stimmt etwas ganz und gar nicht, wie die Netzaktivistinnen und -aktivisten vom Zentrum für urbane Gerechtigkeit herausgefunden haben. Sie haben nämlich aufgedeckt, dass knapp 500 der rund 1.800 Zebrastreifen in Luxemburg nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, weil Parkplätze im direkten Umfeld die Sicht auf Passantinnen und Passanten versperren. Das ist einerseits gefährlich, andererseits verstoßen die Parkplätze gegen die luxemburgische Straßenverkehrsordnung, wie "Netzpolitik.org" berichtet.

Pikant: Die zuständige Stadtverwaltung hält nur 37 Zebrastreifen für fragwürdig und weigert sich beharrlich, die zugehörigen Dokumente herauszurücken. Diese seien nämlich vertraulich, so die luxemburgischen Behörden.

Der Fall wäre natürlich für lokale Medien höchst interessant, europaweit dürfte sich das Interesse an luxemburgischen Zebrastreifen eher in Grenzen halten. Aber die Aktivistinnen und Aktivisten haben eine Methode entwickelt, wie sie Bausünden und Fehlplanungen aufdecken können, ohne auf die Dokumente von wenig kooperativen Behörden angewiesen zu sein. Sie entwickelten ein Zebrastreifen-Tinder, das sich auch ohne großen Aufwand auf andere Städte übertragen lässt.

Freiwillige sammelten Daten

Thorben Grosser hat mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern auf dem Chaos Communication Congress in Hamburg davon berichtet und dabei auch das System vorgestellt, mit dem sie die Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung nachweisen konnten. Die genaue Position der Zebrastreifen lieferte Open Street Map. Mit dem Werkzeug Overpass Turbo ließ sich das Kartenmaterial systematisch durchforsten. Dabei handelt es sich um ein offenes Data-Mining-Tool für Open Street Map, mit dem man beispielsweise Trinkwasserquellen in einer Stadt finden kann – oder eben Zebrastreifen in Luxemburg. Zudem verwendete man hochauflösende Satellitenaufnahmen vom Staat Luxemburg selbst.

Aus diesen drei Komponenten entwickelten die Aktivistinnen und Aktivisten eine Art Zebrastreifen-Tinder. Auf dem Bildschirm erschien eine Satellitenaufnahme eines Zebrastreifens und ein verschiebbarer Kreis mit einer Größe von exakt fünf Metern. Auf diese Weise konnte überprüft werden, ob die Abstände eingehalten wurden oder ob sich im Radius bereits Markierungen für Parkplätze befinden.

25 Personen haben das Zebrastreifen-Tinder gespielt und dabei 25.000 Datenpunkte gesammelt. Um sicherzugehen, mussten für jeden Zebrastreifen mindestens fünf unabhängige Bewertungen vorliegen. Das Resultat: 475 von 1.800 Zebrastreifen entsprechen nicht dem geltenden Recht.

Eine Anfrage der Aktivistinnen an die luxemburgischen Behörden wurde abschlägig behandelt. Selbst nach dem Informationsfreiheitsgesetz blieben sie erfolglos. Die Stadtverwaltung verweigerte die Herausgabe von Dokumenten mit dem Verweis auf den Datenschutz sowie das Urheberrecht.

Vorbild für andere Städte

Das wiederum akzeptierte man beim Zentrum für urbane Gerechtigkeit nicht. Die Aktivistinnen und Aktivisten sammelten per Crowdfunding Geld für eine Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof. Binnen weniger Wochen kamen so 8.000 Euro zusammen. Die Verhandlung ist für September 2024 angesetzt.

Die Aktivistinnen und Aktivisten hoffen, dass möglichst viele ihrem Beispiel folgen und ähnliche Projekte in ihren Heimatstädten starten. Mit Luftbildern und Daten von Open Street Map lassen sich ähnliche Recherchen auf der ganzen Welt starten, wie ein Mitglied des Zentrums für urbane Gerechtigkeit namens Federico erklärt. "Darum auch die Ermutigung von uns für euch alle: Wenn ihr so etwas macht, kontaktiert uns, wir helfen gerne", so Federico während des Chaos Communication Congress. (red, 2.1.2024)