Metabale-Ameisen (hier rechts ein von den Forschenden mit grüner Farbe markiertes Exemplar) behandeln ihre verletzten Artgenossen mit "Medikamenten".
Foto: Université de Lausanne/Erik T. Frank

Ameisen sind bekannt für ihre medizinischen "Fachkenntnisse", immerhin stellt die Ansteckung mit Infektionen für einen bevölkerungsreichen Insektenstaat ein hohes Risiko dar. Manche Arten stellen sogar Antibiotika für ihre verwundeten Artgenossen her, wie Forscherinnen und Forscher aus Lausanne nun nachgewiesen haben. Das setzt voraus, dass die Insekten in der Lage sind, infizierte Wunden zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Riskante Überfälle

Afrikanische Metabale-Ameisen (Megaponera analis) führen ein gefährliches Leben. Mehrmals täglich überfallen sie Termiten, töten und verschleppen sie. Zurückgekehrt ins Ameisennest, fressen sie sie auf. Bei diesen Raubzügen gibt es nicht nur unter den Termiten viele Opfer, denn Letztere wehren sich vehement. Bis zu 22 Prozent der Ameisen werden bei einem solchen Überfall ein oder mehrere Beine abgetrennt, wie die Forschenden im Fachjournal "Nature Communications" berichten.

Metabale-Ameise, Termite, Überfall
Nach einem erfolgreichen Überfall auf ein Termitennest schleppt eine Metabale-Ameise ein Opfer zurück in den heimischen Ameisenbau.
Foto: Université de Lausanne/Erik T. Frank

Die verwundeten Ameisen werden jedoch gerettet: Artgenossen bringen sie zum Nest zurück und kümmern sich um sie. Durch diese Pflege kann die Sterblichkeitsrate der verletzten Ameisen um mehr als 90 Prozent gesenkt werden. In der Studie unter der Leitung von Laurent Keller, einem ehemaligen Professor an der Universität Lausanne, zeigten die Forschenden um Erik Frank, dass Ameisen einen Cocktail von Antibiotika verwenden, um Verletzte zu pflegen. Diese Antibiotika werden von einer speziellen Drüse abgesondert, die es nur bei Ameisen gibt.

Geruchssignale bei Verletzten

Die sogenannte Metapleuraldrüse enthält über 100 Proteine und organische Verbindungen, die verhindern, dass sich Bakterien auf der Wunde und im Körper verletzter Tiere entwickeln. Für die Anwendung nutzen Ameisen sogenannte Palpen, die sich zwischen den Kieferzangen befinden, wie Keller gegenüber Keystone-SDA erklärte.

Metabale-Ameise
So ein Raubzug geht nicht ohne Opfer in den eigenen Reihen ab. Hier bringt eine Metabale-Ameise eine verletzte Artgenossin wieder heim, damit sie dort mit selbst produzierten Antibiotika behandelt werden kann.
Foto: Université de Lausanne/Erik T. Frank

Außerdem zeigten die Forschenden in der Studie, dass sich bei verletzten Ameisen das Profil der Kohlenwasserstoffe in der äußeren Schutzschicht verändert. Um zu signalisieren, dass sie Hilfe brauchen, sind verletzte Ameisen also in der Lage, ihren Körpergeruch zu verändern, wie die Forschenden erklärten.

Hilfreich gegen multiresistente Keime

Laut Keller könnten die Ergebnisse auch in der Humanmedizin neue Wege im Kampf gegen multiresistente Keime aufzeigen. "Die Bakterien, die sich in den verletzten Ameisen vermehren, sind Pseudomonas, Krankheitserreger, die in Spitälern oft die Lungen geschwächter Patienten besiedeln", so der Forscher. "Da Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika immer häufiger auftreten, könnte die Entdeckung von Substanzen, die gegen diese Pathogene wirksam sind, somit neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen." (red, APA, 2.1.2024)