"2024 droht eine Vollbremsung bei der Elektromobilität" und "Der E-Auto-Boom scheint 2024 ausgebremst zu werden" titelten gegen Ende vergangenen Jahres die beiden Medien "Handelsblatt" und "Trending Topics". Vor allem in Deutschland gibt es einen klaren Grund für diese Titel, denn immerhin ist dort am 1. Jänner 2024 die Förderung für den Kauf von E-Autos weggefallen, wie auch der STANDARD berichtete.

Bis Ende 2023 konnten Elektroautokäufer in Deutschland mit einer Gesamtförderung von bis zu 6750 Euro rechnen, schreibt das "Handelsblatt": Um ein Budgetloch von rund 30 Milliarden Euro zu schließen, einigte sich die Koalition auf ein Aus für die Förderung. Der im deutschen Sprachraum bekannteste Autoexperte, Ferdinand Dudenhöffer, rechnete folglich damit, dass 2024 in Deutschland bis zu 200.000 E-Autos weniger als im Vorjahr verkauft werden, dadurch könne der Anteil am Gesamtmarkt von mehr als 18 auf nur noch elf Prozent sinken.

Im Bericht von "Trending Topics" heißt es wiederum, dass der Hersteller Toyota im Vorjahr noch ein Rekordwachstum beim Verkauf von E-Autos erwartet, für 2024 die Prognose aber um 40 Prozent gesenkt habe. Panasonic wiederum reduziere aufgrund schwächerer Prognosen die Produktion jener Batterien, die in E-Autos benötigt würden. Und auch im Technologiefachmedium "Techopedia" heißt es, dass der globale Markt für Elektroautos abflaue: Analysten der Swiss Bank UBS hatten zuvor etwa prognostiziert, dass im Jahr 2030 E-Autos einen Marktanteil von 54 Prozent haben würden, nun wurde diese Prognose auf 47 Prozent gesenkt. Von Wachstumsraten zwischen 25 und 50 Prozent im Jahr 2023 soll dieses Wachstum in Europa und den USA auf zehn bis 15 Prozent im Jahr 2024 sinken.

Weiterhin Wachstum in Österreich

Allerdings lohnt sich vor allem in Bezug auf Österreich der Blick aufs Detail, wie sich aus Statements von Helena Wisbert, Direktorin des Center Automotive Research (CAR), gegenüber dem STANDARD ergibt. Denn nach wie vor werde sich der Absatz von rein elektrischen Autos in der EU positiv entwickeln und stärker als der Gesamtmarkt wachsen. "Für den gesamten Binnenmarkt wird ein Marktwachstum von 4,0 Prozent zum Vorjahreszeitraum erwartet, für die rein elektrischen Fahrzeuge ein Plus von zwölf Prozent", sagt Wisbert.

Das europaweite Wachstum resultiert aus jenen Märkten, die den Absatz von E-Autos fördern, wie Frankreich, Niederlande, Belgien, Italien – und auch Österreich, wo Wisbert ebenfalls zweistellige Wachstumsraten erwartet. "Deutschland als größter Automarkt in der EU wird die große Ausnahme sein", sagt die Expertin: Der Absatz an rein elektrischen Autos werde dort aufgrund des Wegfalls der Umweltprämie einbrechen und nach heutigem Stand um mindestens zehn Prozent unter dem Absatzniveau von 2023 liegen.

Ebenfalls optimistisch in puncto E-Mobilität ist übrigens ACEA-Generalsekretärin Sigrid de Vries: Der Verband der europäischen Autohersteller prognostiziert, dass im Jahr 2024 in Gesamteuropa der Anteil von E-Autos bei 20 Prozent liegen wird. Damit würde der Elektroautoabsatz europaweit im Jahresvergleich um rund 43 Prozent zulegen. Wohlgemerkt: Absatz ist nicht gleich Umsatz. Und der Verband hat seine Prognose vor allem angehoben, weil das Angebot an günstigeren Elektroautos in Europa wächst.

Chinesische Hersteller drängen nach Europa

Das liegt vor allem daran, dass zunehmend chinesische Hersteller nach Europa drängen. "Wir haben 2023 gesehen, dass die großen chinesischen Marken wie MG in Europa Fuß gefasst haben und mit attraktiven Leasingangeboten Kundinnen und Kunden für sich gewinnen konnten. Dieser Trend wird sich mit weiteren Markteintritten insbesondere ins große Kompaktwagensegment 2024 verstärken", sagt Wisbert.

Einer dieser chinesischen Marktteilnehmer ist BYD, welcher sich aktuell mit Tesla ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Krönung zum größten Elektroautohersteller der Welt liefert. Auch in Österreich führen bereits manche Händler die Modelle des chinesischen Herstellers. Bei einem Händler in Vösendorf wird der Elektrokleinwagen BYD Dolphin zum Beispiel ab 25.980 Euro (inklusive Förderung) angeboten. An kaufkräftigere Kundinnen und Kunden richtet sich hingegen die E-Limousine BYD Han zu einem Preis von mindestens 70.800 Euro, inklusive Förderung.

BYD Han
Die E-Limousine BYD Han ist im oberen Preissegment des chinesischen Anbieters angesiedelt.
BYD

Die Hintergründe der verstärkten chinesischen Marktpräsenz sind auch politisch. So hat die chinesische Regierung im Rahmen der "Made in China 2025"-Strategie festgelegt, dass die beiden größten chinesischen E-Auto-Hersteller bis 2025 zehn Prozent ihres Umsatzes im Ausland generieren sollen. BYD hatte zuletzt klar das Ziel kommuniziert, verstärkt in Übersee zu verkaufen, dementsprechend soll ein Midsize-SUV im Lauf des Jahres in Europa starten.

Der chinesische Anbieter Xpeng plant für 2024 ebenfalls einen Start in Deutschland, Österreich könnte womöglich folgen. Leapmotor, ein weiterer Hersteller, plant ebenfalls eine europäische Expansion. Der niederländische Hersteller Stellantis hatte 2023 einen Anteil von 20 Prozent an Leapmotor erworben und wird ein Joint Venture schaffen, um diese Expansion zu beschleunigen. Dazu gehört auch die Herstellung der Autos in Europa, um Logistikkosten und Importzölle zu minimieren.

Auch andere werden günstiger

Auch wenn die chinesischen Autos hierzulande teurer sind als in ihrem Ursprungsland, so sind sie preislich doch äußerst kompetitiv. Und setzen somit die westlichen Hersteller unter Druck. "Wir haben schon im vierten Quartal gesehen, dass die neuen Wettbewerber – insbesondere MG und BYD, aber auch Great Wall Motors – ihre Fahrzeuge zu sehr attraktiven Leasingraten angeboten haben", sagt Wisbert: "Das setzt die heimischen Anbieter unter Druck, die Preise zu senken. Aus Kundensicht ist das positiv, so wird es in 2024 aufgrund des stärkeren Wettbewerbs mehr Angebote und auch günstigere Angebote an E-Autos geben."

Tesla zum Beispiel hatte die Preise für bestimmte Modelle zu Jahresende gesenkt. In einem Bericht des Fachmediums "Inside EVs" heißt es zudem, dass in naher Zukunft mit zahlreichen günstigeren Modellen – auch westlicher Hersteller – zu rechnen sei, darunter der Citroën e-C3 oder der Renault 5. Im Jahr 2025 soll VW gleich drei E-Auto-Modelle zu je rund 25.000 Euro bringen, der ebenfalls für 2025 geplante Elektro-Twingo von Renault soll sogar nur rund 20.000 Euro kosten.

Apropos VW: Dieser und auch andere Hersteller haben auf das Aus der Förderung in Deutschland reagiert – und die Preise bereits entsprechend angepasst. (Stefan Mey, 7.1.2024)