Schlussendlich lief es besser, als man hätte meinen sollen. Die heimische Start-up-Szene blickt auf ein schwieriges Jahr zurück, doch mit 184 Finanzierungsrunden endete es mit einem neuen Rekord. So viele Investments flossen noch nie an heimische Jungunternehmen. Bisher waren 153 im Jahr 2020 die Höchstmarke.

So weit, so gut. Doch die hohe Inflation, die geopolitische Unsicherheiten und die gestiegenen Zinsen hinterließen selbstredend ihre Spuren. Das Investitionsvolumen ist insgesamt um knapp ein Drittel von rund einer Milliarde Euro auf 695 Millionen Euro eingebrochen, wie aus dem aktuellen EY-Start-up-Barometer hervorgeht. Dieser Trend sei überall auf der Welt zu beobachten, heißt es im Bericht.

Ausnahmejahre

Nach den Ausnahmejahren 2021 und 2022, in denen ein Finanzierungsrekord nach dem anderen gebrochen wurde, kehrt wieder "Normalität" im Markt ein. Während dieser Zeit wurden Investments in spektakuläre Höhen getrieben, vor allem weil auf Investorenseite ein richtiger Wettbewerb herrschte. Alle fürchteten sich, etwas zu verpassen, das ließ die Unternehmensbewertungen durch die Decke gehen – wenn auch oft zu Unrecht, wie sich im Nachhinein recht deutlich herausstellte.

Im Wiener Impact Hub ist es vor allem der Klimawandel, der junge Menschen motiviert, ein Unternehmen zu gründen.
Eugenie Sophie

"Für die österreichische Start-up-Szene war 2023 ein starkes Jahr. Natürlich fallen unter die Investments auch Überbrückungsfinanzierungen, um Liquidität zu sichern. Diese werden allerdings zumeist diskret mit Bestandsinvestor:innen durchgeführt, die Mehrheit der veröffentlichten Kapitalspritzen waren strategische Wachstumsrunden", sagt Florian Haas, Head of Start-up bei EY Österreich. Der Wermutstropfen sei, wie schon vor dem Boom, das Fehlen der großen Anschlussfinanzierungen: Für Scale-ups ist es momentan enorm schwer, zwei- bis dreistellige Millionenfinanzierungen zu bekommen.

Nicht ganz überraschend gewinnt das Thema Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung. Jeder vierte Euro ging an Start-ups im Sustainability-Bereich, wie das EY-Barometer zeigt. Das Gesamtvolumen belief sich heuer auf 175 Mio. Euro – das entspricht einem Anstieg von 465 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Klimawandel dominiert

Diesen Trend bestätigt auch Hinnerk Hansen, Gründer und Geschäftsführer vom Wiener Impact Hub, einem Netzwerk und Co-Working-Space für soziale und ökologische Innovationen. "Das Thema Klimawandel dominiert bei jungen Gründerinnen und Gründern, speziell im Bereich Energie und Mobilität kommen viele Ideen herein", sagt Hansen zum STANDARD.

Genau wie sich Ideen und Geschäftsmodelle von Start-ups ändern, hat sich auch beim Impact Hub der Fokus mit der Zeit verschoben: "In der Vergangenheit ging es hauptsächlich um die Förderung und Gründung von Start-ups. Mittlerweile geht es darum, Innovationen für relevante Bereiche zu entwickeln", sagt Hansen. Dafür müsse man nicht zwingend jemand Speziellen unterstützen, sondern die richtigen Leute zusammenbringen.

Deswegen eröffneten Hansen und sein Team 2022 das Climate Lab. Ein neutraler Ort, an dem Vertreter von Wissenschaft, Unternehmen und Start-ups, aber auch der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Verwaltung gemeinsam an Ideen für ein klimaneutrales Österreich basteln – beispielsweise um Vergaberecht grüner zu gestalten. "Aktuell laufen drei Pilotprojekte gemeinsam mit der Wien-Energie, für das Start-ups in ganz Europa gescoutet wurden", sagt Hansen. Zudem wurde im Dezember ein Plan für ein Kreislaufwirtschaftsmodell für Matratzen vorgestellt.

Baustelle Gesundheit

Ähnlich großen Verbesserungsbedarf gibt es im Gesundheitswesen. Als entsprechendes Pendant zum Climate Lab eröffnete deswegen im Herbst das Future Health Lab seine Pforten. Dort gehe es in der aktuellen Anfangsphase darum, Patientenpfade zu optimieren oder die Digitalisierung bei der Patientenbetreuung zu verbessern.

Aber auch Hansen sieht, dass viele Jungunternehmen Probleme haben: "Viele Start-ups haben sich mit Förderungen und Ersparnissen über Corona und die hohen Energiekosten darüber hinweggerettet, doch vielen geht nun die Puste aus." (Andreas Danzer, 6.1.2024)