Luxuriös war das Schlosshotel Igls bei Innsbruck schon immer. "Wertvolle Antiquitäten, stilvolle Möbel und Kunstobjekte prägen das Ambiente", hieß es auf einer Webseite für Premium-Hochzeiten, über die man die Location buchen konnte. Für noblen Komfort sorgten "die überdachte Schlossterrasse mit offenem Kamin und traumhaftem Panorama für die Feierlichkeiten im Sommer, die charmante Schlossbar mit offenem Kamin und Lounge für das Get-together, der königlich blaue Salon zum Frühstücken und das einzigartige Restaurant für edle Dinners", all das mit einer "herrlichen Parkanlage mit Blick auf die wunderschöne Bergkulisse". Auch beim Service: nur das Beste. Der Hausherr sei "11 Jahre als Hofmarschall für alle Empfänge Ihrer Majestät, Königin Beatrix der Niederlande" zuständig gewesen.

Und dann kam René Benko.

Die Benkos
René und Nathalie Benko, im Hintergrund die Luxusvilla.
Fotos: APA/EXPA/Johann Groder & REUTERS Illustration: Standard/Monika Köstinger

Im Mai 2016 verkauften die niederländischen Besitzer das 5500 Quadratmeter große Anwesen für rund elf Millionen Euro an die eigens gegründete Schlosshotel Igls Betriebs GmbH & Co KG. Diese Gesellschaft mit Sitz in Wien gehörte nie dem Immobilienunternehmer René Benko selbst, sie hängt bis heute an dessen Laura-Privatstiftung.

Die 12-Millionen-Euro-Frage

"Es handelt sich wohl um einen Privatkauf Benkos", beschrieb die Tiroler Tageszeitung das Immobiliengeschäft in Igls Ende Mai 2016. Soweit bisher bekannt, hat Benko das alte Schlosshotel nach dem Kauf 2016 abtragen und auf dem Grundstück eine, nun ja, recht ausladende Villa errichten lassen, die er später mit seiner Familie bezog. Die ursprünglichen Pläne sollen derart pompös gewesen sein, dass der Gestaltungsbeirat der Stadt Innsbruck eingegriffen haben soll. So sei etwa ein unterirdischer Wellnessbereich geplant gewesen.

Bis heute hat Benko in Igls seinen Hauptwohnsitz gemeldet, seine Ehefrau Nathalie den Sitz ihrer Firmen. Seit 1. Dezember 2021 tritt die Signa Holding formell als Mieterin auf. Wird das Objekt also privat oder gewerblich genutzt? Die Antwort auf diese Frage ist mittlerweile knapp mehr als zwölf Millionen Euro schwer.

Wie sich kürzlich herausgestellt hat, fordert die Finanzverwaltung von der Schlosshotel Igls Betriebsgesellschaft insgesamt 12,06 Millionen Euro an offenen Umsatzsteuern – für den Zeitraum 2016 bis September 2023. Daraus ergibt sich ein Projektvolumen in der Höhe von rund 60 Millionen Euro.

Prinzipiell können Unternehmen und Selbstständige die Umsatzsteuer auf Errichtungskosten im Wege des Vorsteuerabzugs geltend machen, stets unter der Voraussetzung, dass die Immobilie dann auch zum Betrieb gehört.

Schlosshotel Igls
Die Villa in Igls wurde 2016 von einer Benko zuzurechnenden Firma gekauft.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Wenn nun aber der Betriebsgegenstand nur in der Überlassung des Wohnraums an René Benko und Familie bestand, wäre die betriebliche Nutzung eher schwer darzustellen. Die Besitzgesellschaft "Schlosshotel" zu nennen ist für sich genommen noch kein Ausweis gewerblicher Nutzung. Auffallend ist, dass die Schlosshotel Igls Betriebsgesellschaft im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien seit dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2017 keine weiteren Abschlüsse mehr hinterlegt hat.

Signa: "Ordnungsgemäß"

Tatsächlich hatte die Schlosshotel Igls Betriebsgesellschaft das Projekt am sogenannten Sonnenplateau in Auftrag gegeben und bezahlt – und sich die Umsatzsteuer im Rahmen der Vorsteuer vom Finanzamt rückerstatten lassen. "Ordnungsgemäß und richtigerweise", wie Signa-Sprecher Robert Leingruber betonte.

Im Rahmen einer Steuerprüfung sei die Finanzverwaltung zu der "einseitigen Ansicht" gelangt, dass die bereits erstatteten Vorsteuern zurückzuzahlen seien. "Was keine Rechtsgrundlage hat und von der Objekteigentümerin abgelehnt wird", sagt Leingruber.

Mit ihrem Pfandantrag ist die Republik Österreich nicht allein. Bereits im Juli 2023 hatte sich die Liechtensteinische Landesbank ein Pfandrecht im Höchstbetrag von 18 Millionen Euro eintragen lassen – als Besicherung eines 15-Millionen-Euro-Kredits, den die Schlossgesellschaft aufgenommen hatte. Welchen Zweck diese Verschuldung hatte, geht aus den im Grund- und Firmenbuch öffentlich einsehbaren Unterlagen nicht hervor.

Sie zeigt allerdings, dass es für Benko spätestens ab dem Sommer 2023 persönlich wurde. So gehört die Schlosshotel Igls Betriebsgesellschaft eben nicht zu Benkos Signa-Imperium, sondern ist den zahlreichen Gesellschaften der Laura-Privatstiftung zuzurechnen. Diese hatte Benko im Jahr 2007 gemeinsam mit Mutter Ingeborg gestiftet, benannt wurde die Stiftung wohl nach Benkos Tochter aus seiner ersten Ehe. Bei der insolventen Signa Holding engagiert ist hingegen die Familie-Benko-Privatstiftung, die schon im Jahr 2001 errichtet worden ist.

Signa verkaufte Chalet N

Tendenziell kann man die "Laura"-Unternehmen als von der Signa unabhängige Investitionen der Familie Benko sehen; ganz trennscharf ist das aber freilich nicht. Wie so oft im Benko-Reich verschwimmen die Grenzen zwischen privat und geschäftlich, wie so oft sorgen verschachtelte Firmenkonstruktionen für Unklarheit – was angesichts der Milliardenpleite der Signa noch für viele Fragen und wohl auch Rechtsstreitigkeiten sorgen dürfte.

Chalet N
Das Chalet N in Oberlech am Arlberg – ein Screenshot aus einem Promotionvideo.
Chalet-N

Seit Ende November 2023 gehört beispielsweise das berühmte, nach Benkos Frau Nathalie benannte Chalet N in Lech der Laura-Privatstiftung. Und zwar über diesen verschlungenen Pfad: Der Stiftung gehört die Laura AT 2019 Zwei GmbH, die wiederum zwei Tochterfirmen hat. Beide, Laura Chronis und Laura Chloris, sind Eigentümer der Muxel Berggasthof Schlössle GmbH.

Diese besitzt die Signa Luxury Collection GmbH, die wiederum eine Gewerbeberechtigung für den Betrieb eines Hotels mit dem Betriebsnamen "Chalet N Oberlech" hat. Der Verkauf des "Chalets N", in dem man für mehrere Hunderttausend Euro pro Woche nächtigen kann, an das Reich der Laura-Privatstiftung erfolgte jedenfalls so knapp vor dem Insolvenzantrag der Signa Holding, dass sich Insolvenzverwalter Christof Stapf die Transaktion wohl sehr genau ansehen wird.

Allerdings ist die Immobilie pfandrechtlich belastet – mit etwas mehr als 20 Millionen Euro bei der Hypo Landesbank Vorarlberg. Die Summe wäre in vollem Ausmaß zu bezahlen, erst dann kämen andere Gläubiger an die Reihe.

"Schlosshotel N"

Im Unterschied zur Signa Holding ist die Laura-Privatstiftung derzeit allerdings von keiner Insolvenz betroffen. Neben dem "Chalet N" und der Villa in Igls, deren Eigentümerin übrigens ursprünglich "Schlosshotel N" hätte heißen sollen, gehören noch weitere prestigeträchtige Grundstücke in Tirol Tochterfirmen der Laura-Privatstiftung.

Dazu zählt etwa eine Immobilie in Seefeld in Tirol, auf der Benko einst mit der Tourismusgruppe Falkensteiner ein Luxushotel geplant hatte. Passiert ist dort seither: nichts. Das rund 8000 Quadratmeter große Grundstück mitten in Seefeld liegt brach, Bürgermeister Andreas Steiner reagierte auf eine Anfrage des STANDARD nicht.

Benko Signa Laura
Wem die in diesem Text erwähnten Immobilien zugerechnet werden können.
Standard/Michaela Köck

Auch in Hall in Tirol besitzt die Laura-Privatstiftung über Tochterfirmen viel Grund. Dort schnappte man sich Teile des "Winklergartens", der "grünen Lunge" der Stadt, wie Bürgermeister Christian Margreiter ihn nennt. Was René Benko mit der Immobilie vorhatte, ist unklar – der Winklergarten war stets als Grünfläche gewidmet. Schon Margreiters Vorgängerin erteilte einer Umwidmung eine Absage; laut dem Bürgermeister ist für alle Parteien klar, dass der Park erhalten bleibt. Sollten die Grundstücksanteile nun auf den Markt kommen, "hätten wir Interesse", sagt Margreiter zum STANDARD.

Mit dem Verkauf von Vermögenswerten hat die Laura-Privatstiftung jedenfalls schon länger begonnen. Im November wurde die Yacht Roma kurzzeitig zum Verkauf angeboten; jenes Boot, das der frühere Öbag-Chef Thomas Schmid einst mit den Worten "Rene, du Mr. 64 Meter – irre!!" kommentierte. Kurz vor der Aufnahme des Ibiza-Videos besuchte auch der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Roma. Es gab Sushi und für die Kinder Schnitzel.

Diese sorglosen Zeiten sind nun Vergangenheit. Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes soll das Benko zuzurechnende Vermögen in den vergangenen Monaten um mehr als die Hälfte geschmolzen sein, von sechs auf 2,8 Milliarden Euro.

Suche nach frischem Geld

Dabei begann die Suche nach frischem Geld für die Signa Holding schon 2022: Benko warb gemeinsam mit Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Nahost um Investoren, teils wurden enorme Pfandkredite auf Signa-Immobilien abgeschlossen, manche – wie das Apple-Haus in der Wiener Kärntner Straße oder der noble Meinl am Graben – wurden mittlerweile verkauft.

Gesucht wird weiter: Wie "Der Spiegel" und "Profil" berichten, sandte am 22. Dezember Erhard Grossnigg, der Sanierungsvorstand der Töchter Signa Prime und Development, einen Brief an die bisherigen Investoren. Der Inhalt: Die Geldgeber sollen 350 Millionen nachschießen, um eine Zerschlagung zu vermeiden. Das Angebot: neun Prozent Zinsen und anteilsmäßige Erträge, wenn Projekte regulär verwertet werden können.

Lamarr Baustelle
Auf das Lamarr-Grundstück wurden teils erstaunliche Pfandkredite aufgenommen, etwa in Höhe von 295 Millionen Euro.
APA/GEORG HOCHMUTH

Fraglich ist, wie es mit dem geplanten Luxuskaufhaus Lamarr weitergeht. Die Unicredit gewährte der Mariahilfer Straße 10–18 Immobilien GmbH zunächst eine Höchstschuld von 295 Millionen Euro, gesichert mit dem Grundstück des früheren Leiner-Hauses im siebenten Wiener Bezirk. Auch die Raiffeisenbank Oberösterreich hatte dort Pfandrechte in Höhe von 95 Millionen Euro.

Wertsteigerungen

Erworben hatte Benko die Immobilie Ende 2017 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, in die auch die türkis-blaue Regierung involviert war, für lediglich 60 Millionen Euro. Mittlerweile sind die Pfandurkunde der Raiffeisenbank sowie die Pfandbestellungsurkunde der Unicredit wieder aus dem Grundbuch gelöscht worden.

Einen durchaus unüblichen Deal schloss eine weitere Firma aus dem Signa-Reich rund um das Hotel Andaz am Belvedere dann im Dezember 2022 ab: Die Hotel am Belvedere GmbH & Co OG verpflichtete sich, der Deutschen Pfandbriefbank AG ganze zehn Prozent Zinsen für das Pfandrecht in Höhe von 68,3 Millionen Euro zu bezahlen. Auch hier sind die Firmenverhältnisse gelinde gesagt kompliziert, letztlich landet man bei der Hotel am Belvedere Holding GmbH, die je zur Hälfte der HI Holdings Vienna S.à.r.l. aus Luxemburg und der Hotel am Belvedere GmbH gehört. Letztere ist eine Tochter der Signa Development Selection Asset GmbH, die der insolventen Signa Development Selection AG gehört.

So ähnlich gestaltet sich das bei vielen Signa-Unternehmungen. Diese Konstrukte verkomplizieren nicht nur die Bewältigung der Insolvenz, auch die Steuerprüfer hatten in den vergangenen Jahrzehnten keine einfache Aufgabe.

Bestechungsvorwürfe

Sie prüften etwa jahrelang den Ankauf der Immobilien des Goldenen Quartiers in Wien oder die Nutzung von Benkos Privatjet (der der Laura-Privatstiftung zuzurechnen war). Dieses Steuerverfahren ist Gegenstand von Ermittlungen: In seinem Geständnis hat Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid angegeben, Benko habe ihn, der damals Generalsekretär im Finanzministerium war, mit der Aussicht auf einen Job bei der Signa bestochen.

Thomas Schmid sagte zuletzt als Zeuge im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aus.
APA/HELMUT FOHRINGER

Das führte im Herbst 2022 zu Hausdurchsuchungen bei der Signa. Schmid will bekanntlich Kronzeuge werden, es gilt die Unschuldsvermutung. Als Intervention bewerteten Ermittler und Oppositionspolitiker sowie Grüne bereits die Verlegung dieses Steuerverfahrens von Wien nach Innsbruck. "Wir hätten den Bescheid mit den von der Signa gewünschten Grundlagen nicht unterschrieben bzw. erlassen", sagte ein Finanzbeamter aus Wien gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aus.

Entgegenkommen

In Innsbruck sei man Benko jedoch entgegengekommen, beschäftigt habe sich mit dem Fall auch der damalige Sektionschef, spätere Finanzminister und heutige Vorstand der Finanzmarktaufsicht Eduard Müller. Der bestreitet die Vorwürfe ebenso wie die Signa.

Neben der Finanz, Gläubigern und Ermittlern dürfte Benko nächstes Jahr auch wieder die Politik im Nacken sitzen. Von den besten Beziehungen, die der Unternehmer jahrzehntelang zur Spitze der Republik pflegte, ist nun nichts mehr zu spüren. Schon Ibiza- und ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss beschäftigten sich mit Benko; der kommende U-Ausschuss der Opposition dürfte ihm sogar überwiegend gewidmet sein. Dem Vernehmen nach sollen erneut Steuerprüfer, aber auch Vertreter der Finanzmarktaufsicht geladen werden.

Die Zeiten, in denen für Benko einzig Bedenken des Innsbrucker Gestaltungsbeirats und das Verbot, diverse Untertunnelungen zu bauen, das größte Ärgernis waren, sind jedenfalls vorüber. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 5.1.2024)