Justizministerin Alma Zadić
"Mir ist wichtig, dass wir eine Regelung haben, die einerseits die Vorgaben des Gerichtshofs aufnimmt und andererseits die Ermittlungsarbeit zum Beispiel in Fällen von Cyberkriminalität oder Kinderpornografie nicht behindert", so Zadić.
APA/EVA MANHART

Wien – Nach dem Erkenntnis der Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Handysicherstellung geht Justizministerin Alma Zadić (Grüne) von einem deutlichen Mehrbedarf an Richtern aus. "Da es nach dem VfGH-Erkenntnis bei Sicherstellung von Handys eine richterliche Genehmigung braucht, werden wir im Journaldienst aufstocken müssen", so Zadić zur APA. "Daher werden wir wesentlich mehr Richterinnen und Richter brauchen."

Der VfGH hat kurz vor Weihnachten entschieden, dass die derzeit gängige Sicherstellung von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern ohne davor erfolgte richterliche Genehmigung der Verfassung widerspricht. Gleichzeitig hat er auch mehrere Vorgaben für eine Neuregelung gemacht. Bis spätestens 1. Jänner 2025 muss der Gesetzgeber den entsprechenden Passus der Strafprozessordnung korrigieren.

"Es muss zeitnah eine Regelung kommen, damit Rechtssicherheit herrscht", betonte Zadić. Dazu habe man bereits mit allen Stakeholdern wie auch der Standesvertretung Gespräche geführt. "Mir ist wichtig, dass wir eine Regelung haben, die einerseits die Vorgaben des Gerichtshofs aufnimmt und andererseits die Ermittlungsarbeit zum Beispiel in Fällen von Cyberkriminalität oder Kinderpornografie nicht behindert."

Aufstockung des Richter-Journaldienstes

Laut VfGH nicht möglich sei eine Trennung zwischen einer wie bisher gehandhabten Sicherstellung des Handys und einer erst mit richterlicher Genehmigung durchgeführten Auswertung der Daten, so Zadić. Für die häufigen Fälle, in denen Gefahr im Verzug sei, müsse man daher eben mit einer Aufstockung des Richter-Journaldienstes reagieren.

"Der Hauptfall der Anwendung sind nicht die bekannten politischen Verfahren – da hat es ja gerichtlich genehmigte Hausdurchsuchungen gegeben", so Zadić. "Klassischer Fall ist, wenn die Polizei im Rahmen eines Suchtmitteldelikts jemanden anhält, das Handy abnimmt, inkriminierende Chats abfotografiert und das dann der Staatsanwaltschaft schickt, ähnlich auch bei Cybermobbing", so Zadić. Bei fehlenden Sicherstellungsmöglichkeiten herrsche die Gefahr, dass Beschuldigte dann inkriminierende Daten löschen.

Verwertung von Zufallsfunden

Weiterhin auch möglich sein müsste die Verwertung von Zufallsfunden, betonte Zadić. "Der VfGH hat ja kein Beweisverwertungsverbot ausgesprochen, das wäre unserer Rechtsordnung auch fremd." Wenn im Zuge von Ermittlungen zu einem Suchtmitteldelikt etwa ein Mord aufgedeckt werde, werde man die auf einem Handy dazu gefundenen Beweise verwerten können, auch wenn sich die Sicherstellungsgenehmigung nur auf das Suchtmitteldelikt bezieht.

Nicht vorstellen kann sich Zadić, dass die von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) geforderte Überwachung von Messenger-Diensten verfassungskonform ist. "Der VfGH hat gerade in seinem jüngsten Erkenntnis gezeigt, wie besonders wichtig ihm das Recht auf Privatsphäre ist. Selbst wenn es einen konkreten Tatverdacht und einen konkreten Beschuldigten gibt, ist ihm ja eine Sicherstellung ohne richterliche Genehmigung zu eingriffsintensiv." Umso weniger möglich werde eine anlasslose Massenüberwachung ohne konkreten Verdacht sein. "Das wird sich schwer ausgehen."

Signa-Pleiten

Auswirkungen könnten die Vorgänge rund um die Signa-Pleiten haben. "Wir führen gerade eine umfassende Prüfung und Evaluierung durch, ich bin kein Freund von unüberlegten Schnellschüssen", meinte Zadić. "Was wir verhindern müssen, ist, dass Unternehmen bewusst falsche Jahresabschlüsse rechtswidrig nicht an die Firmenbuchgerichte vorlegen und die verhängten Geldstrafen dann einfach lächelnd akzeptieren. Hier müssen wir nachschärfen, damit rechtswidrige Verhaltensweisen nicht einfach hingenommen werden. Diese Praktiken müssen ein Ende haben."

U-Haft der Klimaaktivistin Anja Windl

Verteidigt wird von Zadić ihr Nichteingreifen bei der Entscheidung der Fachaufsicht im Ministerium, der Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel gegen die ablehnende Entscheidung des Straflandesgerichts zur U-Haft der Klimaaktivistin Anja Windl zu verwehren. "Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Justiz auf allen Ebenen unabhängig arbeiten kann." Sie habe durchaus gewusst, dass es aufgrund des Vorgehens Kritik geben würde. "Aber wenn ich der Fachaufsicht die Weisung gegeben hätte, ihre rechtsrichtige Ansicht zurückzuziehen, nur weil ich mit politischem Druck von außerhalb rechne, dann wäre das eine politische Einflussnahme."

Die Entscheidung der Fachabteilung habe sich auch rein auf die Frage der U-Haft Windls bezogen und darauf, ob nicht gelindere Mittel ausreichen, betonte Zadić. Darüber hinausgehende Rechtsfragen zu den Aktivitäten Windls ließen sich auch im Ermittlungsverfahren oder später in einem Gerichtsverfahren klären.

Verteidigerkostenersatz

Bei der bereits budgetär beschlossenen Ausweitung des Verteidigerkostenersatzes kündigte Zadić auch weitere Ressourcen für die Justiz an. Künftig müssen ja Richterinnen und Richter diesen bemessen – eine konkrete Regelung gibt es noch nicht. Bei einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens werde man wohl mit Pauschalbeträgen arbeiten, so die Ministerin. Bei einem Freispruch müssten Angeklagte einen dem konkreten Prozess angemessenen Verteidigungskostenersatz erhalten.

In der Diskussion über eine unabhängige Weisungsspitze für die Staatsanwaltschaften will Zadić nicht von ihrer Vorstellung eines Gremiums beziehungsweise Senats an der Spitze abrücken. Die ÖVP beharrte hier zuletzt auf einer monokratischen Behörde mit einer dem Parlament verantwortlichen Person an der Spitze. "Wenn eine Person zu lange zu viel Macht hat, halte ich eine Bündelung für gefährlich", so Zadić. "Erstens weiß man nie, wie Menschen mit Macht sich nach einer gewissen Zeit verhalten. Zweitens lässt sich eine einzige Person viel leichter von Parteien oder der Öffentlichkeit instrumentalisieren."

Bei der Bestellung könne man dagegen diskutieren, welche Rechte dem Parlament zukommen, meinte Zadić. Gleichzeitig müsse man aber einen Mechanismus einbauen, der sicherstellt, dass das Parlament nicht einfach eine Entscheidung blockieren könne und die Stelle unbesetzt bleibt. Nicht abrücken will Zadić von der Voraussetzung, dass zunächst ein Personalsenat aus anerkannten Vertretungen der Staatsanwaltschaft und der Richterschaft Vorschläge macht. Ob dann die Justizministerin aus diesen auswählt oder das Parlament, könne man überlegen – vielleicht auch mit einer Verfallsfrist, durch die im Fall einer Nichtbestellung das Ernennungsrecht auf den Bundespräsidenten übergeht.

Eine solche Verfallsfrist wäre für Zadić auch bei Ernennungen wie beim Bundesverwaltungsgericht eine Möglichkeit, die seit mehr als einem Jahr an der fehlenden Einstimmigkeit im Ministerrat scheitert. Änderungen müssten aber zunächst vom Parlament beschlossen werden.

Laufende Legislaturperiode

In der laufenden Legislaturperiode außerdem noch umsetzen will Zadić neben den Gewaltschutzambulanzen die geplante Reform des Kindschafts- und Unterhaltsrechts. "Obsorgeverfahren dauern zu lange, das führt oft zu einem Rosenkrieg." Unter anderem sollen im Zuge der Änderungen Kinder einen Beistand im Verfahren bekommen oder auch der Gewaltbegriff erweitert werden. Ein entsprechender Vorschlag sei fertig und müsse noch mit der ÖVP abgestimmt werden.

Nach wie vor keine Option ist für Zadić eine Kandidatur bei der EU-Wahl. Sie werde aber – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskongresses – für die Grünen bei der Nationalratswahl antreten. (APA, 5.1.2024)