Für Menschen, die in einem Binnenstaat wie Österreich leben, ist es oft schwer vorstellbar, dass rund 90 Prozent der weltweit gehandelten Güter über Wasserwege transportiert werden. Große Containerschiffe können mehr als 20.000 Standardcontainer transportieren – würde man diese auf Lkws laden und aneinanderreihen, würde die Kolonne von Wien bis Linz reichen. Ein Großteil des Welthandels auf den Meeren findet dabei auf einigen wenigen Wasserstraßen statt. Fast jedes Schiff passiert auf seiner Route einmal den Suez- und Panamakanal sowie die Straßen von Gibraltar, Hormus oder Malakka.

Rund 90 Prozent des Warenhandels werden per Schiff abgewickelt.
REUTERS/Khaled Abdullah

Doch diese engen Wasserstraßen sind anfällig für Störungen. Die Geschichte ist voll von Krisen, die durch die Blockade von Seewegen ausgelöst wurde – vom Peloponnesischen Krieg in der Antike über die Suezkrise 1956 bis zum Containerschiff Ever Given, das sich 2021 im Suezkanal verkeilte und die weltweiten Warenflüsse durcheinanderbrachte. Neben Angriffen und Unfällen könnten auch die Folgen des Klimawandels die Schifffahrt in Zukunft treffen.

Brenzlige Lage am Roten Meer

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Das Rote Meer gehört als Verbindung zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean zu den wichtigsten Wasserwegen der Welt. Laut der International Chamber of Shipping werden rund zwölf Prozent des Welthandels auf dieser Route abgewickelt, ist sie doch die kürzeste Seeverbindung zwischen Europa und Asien. Doch seit Mitte Dezember ist diese Aorta des Welthandels empfindlich gestört: Die jemenitischen Huthi-Rebellen greifen immer wieder Frachtschiffe mit Drohnen und Raketen an oder versuchen, sie zu kapern. Die vom Iran unterstützten Milizen solidarisieren sich mit der Hamas im Gazastreifen und wollen mit ihren Angriffen ein Ende des israelischen Militäreinsatzes in Gaza erreichen.

Mehrere große Reedereien wie Maersk und Hapag-Lloyd leiten ihre Schiffe deshalb auf den um mehrere Tausend Kilometer längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika um. Dies verzögert Lieferzeiten um bis zu zwei Wochen und verteuert den Transport enorm. Vor wenigen Tagen hat etwa die französische Reederei CMA CGM die Preise für Fracht von Asien in den Mittelmeerraum um 100 Prozent angehoben.

Huthi-Kämpfer auf einem von den Rebellen geenterten Schiff am 20. November 2023.
via REUTERS/HOUTHI MILITARY MEDI

Als Reaktion auf die Angriffe haben die USA und Großbritannien in der Nacht auf Freitag Huthi-Stellungen im Jemen bombardiert, bereits im Dezember hat die USA sowie ihre Partnerstaaten Kriegsschiffe in die Region entsendet und Huthi-Schiffe versenkt. Doch eine nachhaltige Lösung des Konflikts ist vorerst nicht in Sicht. Eine Eskalation könnte den Schiffsverkehr im Roten Meer noch stärker beeinträchtigen und die ohnehin angespannten Lieferketten weiter belasten.

In Zukunft könnten vermehrt technische Schutzeinrichtungen Frachter vor Entführungen schützen. Schallkanonen, die für Menschen unerträgliche hochfrequente Töne aussenden, wurden bereits Anfang der 2000er-Jahre gegen somalische Piraten testweise eingesetzt. Neuere Versionen sollen bis drei Kilometer hörbar sein und verdächtige Personen gleichzeitig tracken können. Auch mit Wasserkanonen, Lasern und Relings aus Stacheldraht wird experimentiert.

Zu wenig Wasser für Schleusen des Panamakanals

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82 Kilometer sind es, die Schiffen seit nunmehr 110 Jahren einen Umweg von tausenden Kilometern ersparen. Zwischen 30 und 40 Schiffe nutzen die Abkürzung zwischen Atlantischem und Pazifischen Ozean pro Tag – unter Normalbedingungen. Doch diese sind nun schon seit einigen Monaten nicht mehr gegeben. Wegen Wassermangels gewährt die Panamakanal-Behörde seit Dezember nur noch 22 Schiffen die Durchfahrt, ab Februar war geplant, nur noch 18 Schiffe täglich durchzulassen. Auch der maximale Tiefgang von Schiffen musste im vergangenen Jahr immer weiter reduziert werden.

Anders als ein Blick von oben vermuten lässt, ist der Kanal kein durchgängiger Fluss, in den von beiden Seiten einfach Meerwasser nachfließt. Stattdessen sorgt ein System von mehreren Schleusen dafür, den Niveauunterschied von 26 Metern zwischen dem Meeresspiegel und dem künstlich angelegten Gatúnsee zu überwinden. Pro Schiffsdurchfahrt werden rund 200 Millionen Liter Wasser aus dem See abgezapft, um die Schleusen zu betreiben. Doch die Flüsse, die den Gatúnsee speisen, führen immer weniger Wasser. In Jahren des Wetterphänomens El Niño ist die Durchfahrt durch den Kanal zwar regelmäßig eingeschränkt, derzeit ist es in Mittelamerika aber noch trockener als sonst.

Wer den Panamakanal passieren will, muss durch mehrere Schleusen.
REUTERS/ARIS MARTINEZ

Waren im Wert von 270 Milliarden US-Dollar wandern jährlich durch den Kanal, eine Durchfahrt kann für große Schiffe schon einmal einige Hunderttausend US-Dollar kosten. Rund sechs Prozent trägt der Kanal zur panamaischen Wirtschaft bei, für den Staat ist er einer der wichtigsten Einnahmequellen. Das Interesse Panamas, möglichst schnell zum Normalzustand zurückzukehren, ist deshalb hoch.

Die Panamakanal-Behörde erwägt einige Optionen, um den Wassermangel zu bekämpfen: So könnten Wolken zum Beispiel künstlich zum Abregnen gebracht werden oder der Gatúnsee mit Wasser aus anderen Seen, unterirdischen Quellen oder sogar dem Meer gespeist werden. Doch viele der Lösungen sind ökologisch bedenklich – und würden Milliarden verschlingen. Vorerst bleibt Panama deshalb bloß, auf den Regen zu warten.

Arktis: Schiffsroute der Zukunft?

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Sowohl für die Route durch den Panamakanal als auch jene durch das Rote Meer gibt es eine theoretische Alternative: die Arktis. Die Nordostpassage und die Nordwestpassage sind der kürzeste Weg von Asien nach Europa respektive Nordamerika. Die Fahrtzeit von Hamburg nach Tokio könnte sich etwa um ein Drittel verkürzen. Wäre da nicht das Packeis, das die Routen nur unter erheblichen Aufwand – wenn überhaupt – befahrbar macht.

Dieses Hindernis schrumpft wörtlich von Jahr zu Jahr. Die Arktis erwärmt sich aufgrund des Klimawandels im Vergleich zum Rest des Planeten überdurchschnittlich schnell. Das macht die arktischen Seewege für den Welthandel immer interessanter. Die "polare Seidenstraße" ist etwa Teil der billionenschweren "Belt and Road Initiative", mit der China in See- und Flughäfen, Straßen-, Schienen- und Dateninfrastruktur in Asien, Afrika und Europa investiert.

Der russische Atom-Eisbrecher "50 Jahre Sieg" bei einem Manöver im August 2021. Russland erhofft sich von den arktischen Routen neue Handelswege zu neuen Gas- und Ölkäufern in Asien.
AFP/EKATERINA ANISIMOVA

Vor allem die Nordostpassage, wo das Eis weniger dicht ist als vor Kanada, könnte in Zukunft eine größere Rolle spielen. Derzeit werden Teile der Route vor allem für den Transport von Gütern innerhalb Russlands und zwischen Russland und China befahren, der internationale Transitverkehr war zwar im Steigen begriffen, ist nun aber wieder abgeflaut. Das liegt weniger an den klimatischen Bedingungen als am unberechenbaren Russland, an dessen Küste die Route fast ausschließlich verläuft.

Für das fragile, nahezu unberührte Ökosystem in der Arktis wäre reger Schiffsverkehr ebenso ein Problem wie für das Klima: Der ausgestoßene Ruß könnte die Reflexion des Sonnenlichts auf den weißen Eisflächen behindern und die Erde zusätzlich aufheizen, vermehrte Wolkenbildung über der Arktis wiederum den Treibhauseffekt verstärken. Noch sind Frachtschiffe zudem die größte Zeit auf Atom-Eisbrecher angewiesen. Das könnte sich in Zukunft ändern: Laut einer Studie wäre die Nordostpassage bei ungezügelter Erderhitzung immerhin von August bis Oktober ohne Eisbrecher befahrbar. (pp, 13.1.2024)