Huthi-Rebellen kaperten im November ein japanisch-britisches Schiff, das unter der Flagge von Bahamas unterwegs war – allerdings auch Verbindungen zu einem israelischen Geschäftsmann hatte.
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Mit zunehmenden geopolitischen Spannungen ist der Schiffstransport auf den Weltmeeren mit immer größeren Turbulenzen konfrontiert. Aktuell ist eine der wichtigsten Handelsstraßen der Welt besonders betroffen: das Rote Meer. Dort attackieren Huthi-Rebellen im Jemen seit Oktober Transportschiffe, die durch die Straße von Bab el-Mandeb in Richtung Suezkanal steuern. Sie überfielen bisher mindestens 27 Schiffe.

Ein Großteil der Reedereien meidet das Rote Meer seitdem – doch die vielen zusätzlichen Kilometer, die Transporter nun zurücklegen müssen, kosten Zeit und Geld. Die Störungen könnten bald schon zahlreiche Lieferketten ins Wanken bringen. Das gilt umso mehr, weil die Attacken im Roten Meer derzeit bei weitem nicht die einzige Störung für den weltweiten Überseehandel sind.

Frage: Wie wichtig ist die Passage durch das Rote Meer für den Welthandel?

Antwort: Die Transportroute durch das Rote Meer ist eine der wichtigsten Handelsstraßen der Welt. Bis zu zwölf Prozent des Welthandels werden hier abgewickelt – entsprechend groß ist die Sorge im Hinblick auf eine weitere Eskalation in der Region. Derzeit wählen die meisten Reedereien aufgrund der Attacken in der Meerenge den langen Umweg um Südafrika, um das Kap der Guten Hoffnung. Das ist nicht nur teuer, sondern führt auch zu deutlich höheren Treibhausgasemissionen: Auf den vielen zusätzlichen Kilometer verbrauchen die Schiffe auch sehr viel mehr Treibstoff.

Video: Wie die Huthi-Rebellen in den Nahost-Konflikt eingreifen.
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Frage: Reedereien müssen mit Angriffen rechnen, wenn sie dennoch die kürzere Route nehmen. Sind dort heute überhaupt noch Transportschiffe unterwegs?

Antwort: Einige Schiffe fahren weiterhin durchs Rote Meer, allerdings werden es immer weniger. Die Transportmenge lag im Dezember rund 70 Prozent unter dem erwarteten Aufkommen, heißt es in einem neuen Bericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Täglich wurden weiterhin 200.000 Container durch das Rote Meer verschifft, im November waren es aber noch rund 500.000.

Voraussichtlich nutzen aber immer weniger Schiffe diese Route. Der "Economist" berichtet bereits von einem Einbruch der Containerschifffahrt durch den Suezkanal, die Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer, um 90 Prozent.

Frage: Welche Folgen hat das für die Weltwirtschaft?

Antwort: Bereits im November und Dezember sei das globale Handelsvolumen um 1,3 Prozent eingebrochen, schreibt das IfW in seinem neuen Bericht. Importe nach Europa fielen in dieser Zeit um 3,1 Prozent, europäische Exporte um zwei Prozent.

Einbrüche im Schiffstransport können massive Einschnitte für den Welthandel bedeuten: Rund 80 Prozent des internationalen Warenhandels werden auf dem Meer transportiert.

Frage: Heißt das, es könnte zu Lieferengpässen in Europa kommen?

Antwort: Julian Hinz vom IfW erklärt gegenüber Deutsche Welle, dass die Umleitung der Schiffe bedeute, dass sich die Zeit für den Transport von Waren zwischen asiatischen Produktionszentren und dem europäischen Markt um bis zu 20 Tage verlängern könnte. Am Donnerstag ließ der Elektroautobauer Tesla bereits wissen, dass er seine Produktion in Brandenburg "wegen fehlender Teile" ab Ende Jänner für zwei Wochen stilllegen wird.

Das IfW beschwichtigt dennoch: Es gehe derzeit nicht davon aus, dass allein die Angriffe im Roten Meer zu spürbaren Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher führen werden. Dennoch ist die Lage angespannt. Es gibt Sorgen, dass sich die Unterbrechungen ausweiten könnten. Zuletzt bestätigte etwa der Iran, im Golf von Oman einen Öltanker mit US-Bezug beschlagnahmt zu haben. Zuvor hatten bislang Unbekannte einen griechischen Tanker unter der Flagge der Marshallinseln am Donnerstag im Persischen Golf gekapert.

Vincent Clerc, Chef des Reedereiriesen Maersk, warnt bereits vor einer Verstärkung der Inflation in der Weltwirtschaft. Zudem bedeutet der Umweg höhere Kosten für die Branche und eingeschränkte Kapazität. "Es ist für uns unklar, ob die sichere Passage ins Rote Meer innerhalb von Tagen, Wochen oder Monaten wiederhergestellt werden kann", so Clerc im Interview mit der "Financial Times". "Das könnte erhebliche Auswirkungen auf das weltweite Wachstum haben."

Frage: Warum werden die Schiffe im Roten Meer eigentlich attackiert?

Antwort: Die Huthi-Rebellen sagen, ihre Angriffe in der Straße von Bab el-Mandeb gelten Schiffen mit israelischen Interessen – sie unterstützen die Terrorgruppe Hamas. Rückendeckung bekommen sie dabei aus dem Iran. In der Praxis hatten die Rebellen im Jemen allerdings auch Schiffe angegriffen, die nicht nach Israel steuerten. Seit November wurden mindestens 27 Attacken gezählt.

Die USA und Großbritannien führen nun eine Gegenoffensive durch. Mit der Unterstützung von Australien, Bahrain, Kanada und den Niederlanden griffen sie Huthi-kontrollierte Regionen im Jemen an. "Das ist unsere Antwort auf die beispiellosen Angriffe der Huthi auf internationale Seeschiffe im Roten Meer", erklärte US-Präsident Joe Biden am Freitag.

Frage: Wie ist die Situation auf anderen großen Handelsrouten?

Antwort: Für weitere Anspannung sorgt die Wahl in Taiwan am Samstag: China hat seine Marine immer weiter verstärkt und deutet an, Taiwan enger sich binden zu wollen. Aus der Sicht Chinas gehört Taiwan zum eigenen Staatsgebiet, doch Taiwan will unabhängig sein – die USA wiederum wollen eine chinesische Invasion verhindern. Auch dieser Konflikt könnte Konsequenzen für den Welthandel mit sich bringen. Die Taiwanstraße im Südchinesischen Meer ist eine der bedeutendsten Wasserstraßen der Welt.

Bereits heute stark eingeschränkt ist der Schiffstransport durch den Panamakanal – die Abkürzung zwischen dem Atlantischen und dem Pazifischen Ozean, die 1914 eröffnet wurde. Die 82 Kilometer lange Wasserstraße erspart Schiffen einen Umweg von Tausenden von Kilometern. Über fünf Prozent des globalen Warenverkehrs werden durch den Kanal geschifft. Doch derzeit ist der Wasserstand im Kanal aufgrund einer Dürre – die durch das Klimaphänomen El Niño weiter verschlimmert wurde – so niedrig, dass die Kanalaufsicht die Passage stark eingeschränkt hat. Seit Dezember dürfen nur noch 22 Schiffe am Tag passieren, ab Februar soll die Zahl auf nur 18 sinken. (Alicia Prager, 12.1.2024)