Die Wiener Sängerknaben auf ihrem Campus im Wiener Augarten.
Die Wiener Sängerknaben auf ihremCampus im Wiener Augarten.
Lukas Beck

Die Schnelligkeit, mit der Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Vorabend des Jahreswechsels eines der "kulturellen Aushängeschilder unseres Landes" aus dessen "finanziellen Notlage" rettete, überraschte dann doch. "Sängerknaben vor der Pleite!" schlug die "Kronen Zeitung" vergangenen Samstag morgendlichen Alarm.

Noch am Vormittag desselben Tages kam es zu einem Treffen mit dem Vorstand der Wiener Sängerknaben im Bundeskanzleramt, das anschließend eine Akuthilfe von 800.000 Euro vermeldete. Eine Punktlandung, denn exakt jenen Betrag hatte Erich Arthold, seit Dezember 2022 Präsident der Wiener Sängerknaben (WSK), dem auflagenstärksten Tagesmedium des Landes als für die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs notwendige Summe genannt.

Gelungene Inszenierung

Wem sich der Verdacht einer Inszenierung aufdrängt, der liegt nicht ganz verkehrt. Sowohl mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) als auch mit jenem für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), die nun 500.000 und 300.000 Euro aus ihren Budgets beisteuern, stand Erich Arthold schon länger in Kontakt.

Mitte Dezember signalisierte ihm der Bundeskanzler in einem Gespräch, dass sich eine Lösung anbahnen würde, terminlich solle er sich dafür zwischen Weihnachten und Silvester zur Verfügung halten.

Noch vor den Weihnachtsferien übermittelte Arthold dann am 22. Dezember einen Förderantrag an das BMBWF, wie man dort auf Anfrage bestätigt. Dem BMKÖS liegt bislang kein Antrag vor, sobald ein vom Wiener-Sängerknaben-Verein erarbeitetes "Konzept zur nachhaltigen Absicherung" vorliege, könne dieses "mit den Subventionsgebern abgestimmt werden", wie es heißt.

Auftritte sichern 70 Prozent der Einnahmen

Denn: Sieht man vom Lehrpersonal der Schulen sowie den Erzieherinnen und Erziehern der Internate ab, die das BMBWF jährlich im Umfang von rund 3,2 Millionen Euro finanziert, gab es – anders als vielfach und vor allem im Ausland angenommen – seitens der öffentlichen Hand bisher keine regelmäßigen, sondern allenfalls punktuelle und projektbezogene Förderungen.

Zu mehr als 70 Prozent finanziert sich der gemeinnützige Verein durch Auftritte – vor allem über Tourneen im Ausland, aber auch im Inland: etwa in der Hofmusikkapelle, einer vom Bund finanzierten nachgeordneten Dienststelle des BMKÖS, oder seit 2012 im Muth, dem Konzertsaal der Wiener Sängerknaben, dessen Betreibergesellschaft eine 100-Prozent-Tochter der WSK-Privatstiftung ist.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Ende Dezember mit Erich Arthold (li.), dem Präsidenten der Wiener Sängerknaben.
Karl Nehammer
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Ende Dezember mit Erich Arthold (li.), dem Präsidenten der Wiener Sängerknaben.
Andy Wenzel

Die Pandemie brachte diese Haupteinnahmequelle für mehr als zwei Jahre fast völlig zum Erliegen. Die Stadt Wien sprang im Herbst 2021 und im Frühjahr 2023 mit je 500.000 Euro ein, das BMKÖS steuerte aus dem NPO-Fonds (für Non-Profit-Organisationen) bis März 2022 insgesamt etwas mehr als 1,6 Millionen Euro bei. 2021 gab es zusätzlich 50.000 Euro zur Struktursicherung. Kurzarbeit nahm man ebenfalls in Anspruch.

Personal als größter Kostenfaktor

Nach 700 abgesagten Konzerten habe man zu zählen aufgehört, resümiert Erich Arthold die schwierige Phase gegenüber dem STANDARD. Mittlerweile läuft der Konzertbetrieb wieder auf Hochtouren, mit der Anzahl der Auftritte sei die Belastungsgrenze bereits erreicht. Es bereiten jedoch die hohe Inflation und die damit verbundene Teuerung auf mehreren Ebenen Probleme. Im Rahmen von Tourneen etwa den Veranstaltern, die zwar die hart ausverhandelten höheren Gagen und auch die teureren Reise- und Verpflegungskosten übernehmen, diese Erhöhung aber nur kaum an das Publikum weiterverrechnen können.

Als größte Kostenfaktoren benennt Arthold aktuell Personalkosten in Höhe von 2,2 Millionen Euro für das künstlerische Personal vom Stimmbildner bis zum Konzertmeister, von der Reinigung über die Küche bis zur Schneiderei und bis hin zum Management. Mit weiteren 1,7 Millionen schlagen sich die explodierenden Energie- und Lebensmittelkosten sowie die Kosten für Fahrzeuge, Versicherungen oder die Instandhaltung der Gebäude zu Buche.

Hoffnung auf eine Million

Diesen Ausgaben von 3,9 Millionen Euro stehen derzeit nur Einnahmen von 3,1 Millionen Euro gegenüber. 69 Prozent davon generierte man zuletzt aus Auftritten und Workshops, weitere 27 Prozent kamen über Schulgelder in die Kasse. Bei den Sängerknaben liegt der Elternbeitrag für die Ausbildung bei 130 Euro pro Monat zehnmal im Jahr, bei den Chormädchen bei 280 Euro pro Semester.

Realistisch betrachtet wird angesichts anhaltend steigender Kosten wohl weiterhin eine Lücke klaffen. Namens seiner Schützlinge hofft Arthold auf eine konzertierte Unterstützung der Stadt Wien und des Bundes in einer Größenordnung von insgesamt einer Million jährlich. Nur um den Betrieb zu sichern, denn als gemeinnütziger Verein sind Gewinne bekanntlich tabu. Eine andere Unternehmensform wäre zwar eine Überlegung wert, jedoch bleibt die Option der Absetzbarkeit von Spenden ein wichtiges Thema, wie er sagt. Mit vier Prozent spielen solche einnahmenseitig derzeit allerdings eine untergeordnete Rolle.

Maria Großbauer als PR-Beraterin

Hier gebe es noch Potenzial, jedoch sei der Markt in Österreich vergleichsweise klein, gibt Erich Arthold zu bedenken. Vor allem Großsponsoren würden sich vom Konzept langfristiger Engagements zunehmend verabschieden. Es sei ein Bereich, den man jedenfalls intensivieren möchte, im Idealfall mit einer fachlich versierten Person besetzt, die sich um derlei kümmert.

Zuletzt machte in der Kategorie Sponsoring Unternehmer Klemens Hallmann von sich reden, der das von Designerin Eva Poleschinski gestaltete, maritim inspirierte Konzertgewand für die Chormädchen finanzierte. Eingefädelt hatte diesen Deal Maria Großbauer: nicht in ihrer Funktion als Nationalratsabgeordnete (sie war bis Oktober Kultursprecherin der ÖVP und ist nunmehr Mitglied im Kulturausschuss), sondern mit ihrer Werbeagentur Casa Maria als neue – nichtehrenamtliche – PR-Beraterin der Wiener Sängerknaben. (Olga Kronsteiner, 5.1.2024)