Es ist paradox. Österreich durchlebt gerade eine schwere Teuerungskrise. Die Preise sind binnen zwei Jahren um 17 Prozent gestiegen, bis in den Mittelstand hinein sparen Menschen bei Konsumausgaben. Und dennoch wird im Winter Urlaub gemacht, als gäbe es kein Morgen. Die Tourismusindustrie verzeichnet für 2023 einen neuen Rekord. Die Zahl der Nächtigungen wird heuer nicht nur über dem Vorjahresniveau liegen, sondern auch über jenem des Vorpandemiejahres 2019. So viel Urlaub wurde in Österreich also noch nie gemacht.

Für die angelaufene Wintersaison liegen zwar noch keine Zahlen vor, aber Touristiker berichten von einer hervorragenden Buchungslage vom Arlberg bis zum Semmering, die Tirol Werbung spricht sogar von einer "sensationellen" Auslastung. Euphorische Stimmen kommen auch aus Salzburg und der Steiermark sowie Vorarlberg. Sowas ließe sich ja noch als PR einiger Touristiker abtun. Aber auch der Ökonom Oliver Fritz vom Forschungsinstitut Wifo sagt, dass es für die Branche gut aussehe: Ende November lagen die Reservierungen für den Winterurlaub in ausgewählten Hotels um 25 Prozent über dem Vorjahreswert.

Preisentwicklung Beherbergung | Eurobasis | Index: 2015 = 100
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Wie kann das sein bei all den Preissprüngen? Hotellerie und Gastronomie sind seit gut einem Jahr die Preistreiber schlechthin. Die Inflation liegt aktuell bei 5,6 Prozent. Beherbergungsleistungen sind im vergangenen Jahr um zwölf Prozent teurer geworden. In Vier- und Fünfsternehotels legten die Preise über zwei Jahre sogar fast um die Hälfte zu, zeigen Zahlen der Statistik Austria. Bei Privatzimmern war die Entwicklung ähnlich. Liftkarten kosten um ein Fünftel mehr. Und Geschichten über astronomische Preise in Skihütten, von 20 Euro für Berner Würstel mit Pommes und acht Euro für ein großes Bier, kursieren sowieso in sozialen Medien.

Tagesgäste gibt es kaum noch

Angesichts dieser Zahlen verblüffen die guten Tourismusdaten Ökonomen. Wenn Preise für Dienstleistungen und Waren steigen, legen Kundinnen und Kunden ein mehr oder weniger ausgeprägtes Ausweichverhalten an den Tag. Wirtschaftswissenschafter sprechen von Preiselastizität. Manche Ausgaben lassen sich nicht einsparen, etwa jene fürs Wohnen. Beim Urlaub ist das anders. Besonders beim Winterurlaub, der im Schnitt teurer ist als jener im Sommer, könnte leicht eingespart werden. Und doch gibt es keinen Verzicht. Wie kommt das?

Im Zillertal wie in den meisten anderen Skiregionen ist aktuell viel los
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Dazu gibt es eine Reihe von Erklärungen. Eine lautet: Skifahren ist gar nicht so viel teurer geworden, wie wir glauben. Der Wiener Tourismusforscher Peter Zellmann argumentiert, dass Winterurlaube in Österreich und Deutschland immer schon Angelegenheit des oberen Einkommensdrittels waren. Diese Gruppe belaste die Teuerung tendenziell weniger. So sind ihre Einkommen wegen stabiler Beschäftigungsverhältnisse über die vergangenen Jahre stärker gestiegen als jene von Geringverdienern. "Eine Woche Skiurlaub belastet das Familieneinkommen heute immer noch gleich stark wie vor 30 Jahren", sagt Zellmann. Plus/minus müsse man mit Kosten eines 13. oder 14. Monatsgehalts rechnen. Und: Manche Preise, etwa für Winterbekleidung, waren in der Zeit sogar rückläufig.

Hinzu kommt, dass das Angebot am Berg verbessert wurde, so der Forscher. Das kann jeder bestätigen, der Ski fährt: Sehr lange Wartezeiten an Liften, wie früher üblich, sind heute selten geworden. Viele Anlagen wurden ausgebaut und modernisiert.

Video: Ski-Sport boomt trotz Inflation.
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Trotz Teuerung: Kein Vergleich zur Schweiz

Was sich laut Zellmann verändert hat: Die Skitagesausflügler aus Ostösterreich gibt es kaum noch. Dass dafür die hohen Preise für Skipässe verantwortlich sind, hält er allerdings für eine Ausrede: "Diese Menschen holen sich die Auszeit heute anderweitig, haben keine Lust mehr aufs Skifahren." Richtig ist, dass nicht immer horrende Preise für Liftkarten bezahlt werden müssen wie etwa 70 Euro pro Tag mit einer Dreitageskarte am Arlberg. In Ostösterreich sind es in Skigebieten wie der Hohen Veitsch oder dem Niederalpl um die 40 Euro für einen Erwachsenen, Kinder zahlen weniger oder nichts.

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Auch volkswirtschaftlich ist relevant, wie sich die Teuerung auf den Tourismus auswirkt. Sieben Prozent der heimischen Wertschöpfung werden hier generiert, mehr als die Hälfte davon im Winter. Gut 80 Prozent der Gäste sind Ausländer, wie Wifo-Ökonomin Anna Burton sagt. Vor allem Deutsche, Niederländer, aber auch Schweizer, Briten, Ungarn, Polen und Tschechen kommen. Nun sind die Preise in Österreich stärker gestiegen als im übrigen Euroraum und auch stärker als in der Schweiz. Das kann auf die Wettbewerbsfähigkeit schon durchschlagen, wie auch die Arbeitgeber in der Tourismusindustrie warnen, wenn wieder Lohnrunden anstehen. Und doch kommen die ausländischen Gäste weiter.

Ein Grund dafür ist, dass Österreichs Wintersportorte immer noch günstiger sind als jene in der Schweiz und etwa auf einem Level mit französischen Angeboten liegen. Eine Analyse der Bank Austria zeigt, dass 100 Euro eines deutschen Urlaubers in Deutschland, Österreich und Frankreich etwa gleich viel wert sind. In der Schweiz sind die 100 Euro des Deutschen aber nur 70 wert, das touristische Preisniveau ist dort viel höher.

Preisentwicklung Beherbergung | Eurobasis | Index: 2015 = 100
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Wer gern fährt, leistet sich den Winterurlaub weiter. Österreichs Skiorte sind international weiter wettbewerbsfähig, für den höheren Preis gibt es mehr Angebot. Das ist vermutlich noch nicht die ganze Geschichte.

Es gibt nämlich wohl Hinweise darauf, dass zwar nicht beim Urlaub, aber im Urlaub gespart wird. Laut Zahlen des Wifo dürften Gäste heuer inflationsbereinigt um 13 Prozent weniger ausgeben also noch vor der Pandemie. Diese Werte sind mit Vorsicht zu genießen: Sie beruhen auf Selbsteinschätzungen von Gästen, die nicht zuverlässig sein müssen. Ökonomin Burton meint, dass in der Branche Ausweichverhalten beobachtet werde: Wer könne, buche Nebensaison oder fahre in kleinere Skigebiete. Das Produkt bleibt begehrt. (András Szigetvari, 8.1.2024)