Unter der rauen Schale steckt eine intensive Pianistin und ramponierte Seele: Hannah Herzsprung.
Unter der rauen Schale steckt eine intensive Pianistin und ramponierte Seele: Hannah Herzsprung.
Christian Pitschl

Im Jahr 2006 wurde der Film Vier Minuten zum Überraschungserfolg. Darin sitzt die junge Frau Jenny (Hannah Herzsprung) für einen Mord im Gefängnis, den nicht sie, sondern ihr Liebhaber begangen hat, für den sie aber die Schuld übernommen hat. Jetzt ist mit 15 Jahre die Fortsetzung in den Kinos zu sehen. Wieder mit Herzsprung in der Hauptrolle, wieder geschrieben und verfilmt von Chris Kraus.

Man kann leider sagen, beide haben sich damit nicht unbedingt einen Gefallen getan. Jenny hat ihre Haft verbüßt, "Jesus liebt dich" prangt in dicken Lettern auf dem Bau, in dem sie nun in einer Selbsthilfegruppe im Sesselkreis sitzt, sich an den früheren Lover erinnert, ihre Aggressionsprobleme immer noch nicht losgeworden ist.

Therapeutin und Jugendfreund

Adele Neuhauser als Therapeutin beginnt aber langsam an ihr zu verzweifeln. Sie müsse ihre Vergangenheit hinter sich lassen und "lernen, da draußen zu überleben". Alles spricht aber gegen die Ende 30-Jährige. Den Job am Flughafen verliert sie sogleich, weil sie einen Polizisten attackiert. Beim Putzen im Musikkonservatorium (Stefanie Reinsperger hat eine Nebenrolle als Mitpatientin) pöbelt sie Studierende an.

Wie der Zufall es aber will, unterrichtet dort ein Jugendfreund Jennys. Harry (Christian Friedel) hat sie damals schon für ein Genie am Klavier gehalten, tut es nach einem Schubert-Vorspiel noch immer und lädt sie zu sich zum Abendessen ein.

Boboleben trifft auf Knast

15 Jahre ist eine Dramedy, die auf krasse, Komik erzeugende Kontraste setzt. Mit ihren fettigen Haaren und der Knasttätowierung auf den Händen schnautzt Jenny ihre Gastgeber grob an, während die ihr im Architektenhaus Apfelsaft aus eigener Pressung aus dem eigenen Garten kredenzen (Bobo-Satire). Sie versuchen zudem, Jenny mit der syrischen Frohnatur Omar (Hassan Akkouch) zusammenzuspannen.

Omar hat in Damaskus auf der Straße Klavier gespielt, weshalb der IS ihm einen Arm abgehackt hat. In seinem Helfersyndrom hat es sich Harry aber in den Kopf gesetzt, die beiden für einen TV-Talentwettbewerb für beeinträchtigte Menschen anzumelden und Jenny so in eine Zukunft als Musikerin zu katapultieren. Woran die kein Interesse hat, bis sie erfährt, dass ihr Ex von damals (Albrecht Schuch) inzwischen Popstar und in der Show Juror ist. Sie wittert ihre Chance auf Rache.

Wild Bunch Germany

Was da in über zwei Stunden geschieht, würde Jenny einerseits abschätzig "Schmalz" nennen: Musik wird sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für Omar öffnen und bald sind beide ein ungleiches, holpriges Paar. Andererseits krankt der Film am Mehr-ist-mehr-Bauplan: 15 Jahre versucht sich neben dem Porträt einer Schmerzensfrau auch als Medienschelte, wenn es für die Talentshow gängige TV-Formate imitiert und (wenig originell) als voyeuristisch entlarvt. Der Ex taugt, wiewohl nun Witzfigur, auch für Rührseligkeit. Das ergibt mit dem bitter-süßen Ende eine maue, typisch deutsche Kinokomödie. (Michael Wurmitzer, 9.1.2024)