Wenn in Südkorea ab 2027 das Gesetz zum Verbot des Verkaufs von Hundefleisch in Kraft tritt, ist damit ein vorläufiger Schlusspunkt unter eine jahrzehntelange Debatte in dem Land gesetzt. Bei Verstößen gegen die am Dienstag vom Parlament beschlossene neue Regelung sollen dann bis zu drei Jahre Haft und 30 Millionen Won (20.800 Euro) Geldstrafe drohen. Zwar ist der Konsum des Hundefleisches in den vergangenen Jahren rückläufig, doch von dem Verbot sind nach Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums immerhin rund 1100 Zuchtbetriebe und 1600 Restaurants betroffen. Der Verband für essbare Hunde führt gar Zahlen von 3500 Betrieben mit 1,5 Millionen Zuchthunden und 3000 Restaurants an.

Tierschutzaktivisten feiern das neue Gesetz vor dem Parlament in Seoul.
Tierschutzaktivisten feiern das neue Gesetz vor dem Parlament in Seoul.
AFP/JUNG YEON-JE

Während Hundefleischkonsum in dem Land eine jahrhundertealte Tradition hat, wird als Argument für das Verbot der Tierschutz bemüht. Das erscheint angesichts der Tatsache, dass sich Hunde diesbezüglich von anderen Nutztieren nicht wirklich unterscheiden, eine willkürliche Begründung zu sein. Doch auch in Südkorea hat sich die Funktion des Hundes in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend von der Rolle eines Nutztieres hin zum Begleiter und Kuscheltier verändert. So präsentieren sich auch Präsident Yoon Suk-yeol und seine Frau Kim Keon-hee öffentlich als Hundeliebhaber und haben streunende Hunde und Katzen adoptiert.

Präsident Yoon Suk-yeol und First Lady Kim Keon-hee mögen Hunde, haben sie aber nicht zum Fressen gern.
Präsident Yoon Suk-yeol und First Lady Kim Keon-hee mögen Hunde, haben sie aber nicht zum Fressen gern.
AFP/South Korean Presidential Of

Ausdauer-Suppe

Die innersüdkoreanische Debatte lässt sich bis zum Beginn der Republik und ihrem ersten Präsidenten zurückverfolgen: Rhee Syng-man war mit der aus dem damaligen Inzersdorf bei Wien stammenden Österreicherin Franziska Donner verheiratet. Diese soll sich gegen die Nutzung von Hunden als Nahrungsmittel ausgesprochen haben. Dies führte letztlich dazu, dass der traditionelle Hundeeintopf Gaejangguk lediglich in "Bosintang" umbenannt wurde, was "Ausdauer-Suppe" bedeutet – eine sehr österreichisch anmutende Lösung. Doch die mit dem Koreakrieg einhergehende Nahrungsmittelknappheit ließ keinen Raum für Sentimentalitäten. Ab den 1980er-Jahren führte eine von der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot initiierte Kampagne dazu, dass die Debatte über Hundefleisch in Südkorea wieder an Fahrt aufnahm. 1984 erließ die Regierung ein Gesetz zum Verbot von Lebensmitteln, die als "widerlich, abstoßend, ungesund oder unhygienisch" gelten könnten, doch dies hatte in der Realität wenig Auswirkungen.

Bosintang kann in Südkorea ab 2027 nicht mehr genossen werden.
Bosintang kann in Südkorea ab 2027 nicht mehr genossen werden.
REUTERS/KIM HONG-JI

Bardot-Suppe

Die damals anstehenden Olympischen Spiele in Seoul im Jahr 1988 lenkten die internationale Aufmerksamkeit intensiver auf die südkoreanischen Hundefleisch-Spezialitäten, weshalb die Regierung danach trachtete, Märkte und Restaurants mit Hundefleisch möglichst aus dem Blickfeld internationaler Gäste zu verdrängen. Die Hundesuppe erhielt auch weitere euphemistische Bezeichnungen wie Sagyetang („Suppe für alle Jahreszeiten“), Youngyangtang („nahrhafte Suppe“) oder Kyejoltang („Saisonsuppe“). Aber auch der Name "Bardot-Suppe" soll eine gewisse Verbreitung gefunden haben.

1996 entschied ein Gericht, dass Hundefleisch als Nahrungsmittel Verwendung finden darf. Die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2002 setzte Südkorea jedoch erneut internationalem Druck aus. Das führte zu einem gewissen nationalistischen Trotzeffekt im Land: Es kam zur Gründung einer Vereinigung der Hundefleisch-Restaurants. Diese planten, die Fußballfans kostenlos mit Bosintang zu bewirten, was jedoch auf Druck der Regierung nicht umgesetzt wurde.

Bosintang gilt, unter welchem Namen auch immer, der Bevölkerung als probates Mittel, um die schwülheißen Sommermonate besser ertragen zu können. Der scharfe Eintopf enthält Zwiebeln, Taroknollen, Ingwer, Sojasauce und Chili. De Hund wird nach dem Absengen des Fells mehrere Stunden lang in der Brühe gekocht.

Gekochtes Hundefleisch in einem Restaurant in Hwaseong.
Gekochtes Hundefleisch in einem Restaurant in Hwaseong.
REUTERS/KIM HONG-JI

Von jeher auch Nahrungsmittel

Aus historischer Sicht ist der Konsum von Hundefleisch eher die Regel als die Ausnahme. Auf allen Kontinenten diente Canis lupus familiaris den Menschen als Nahrungsmittel, vielerorts bis heute. In vielen Kulturen wurden gar Hunderassen gezielt für den Verzehr gezüchtet, wie etwa der speziell gemästete hawaiische Poi Dog. Doch vielfach gehen die Regierungen gegen diese Traditionen vor, oft auf Druck von Kampagnen, meist aber schlicht aus Gründen der Hygiene. Im vergangenen September wurde etwa der Verkauf von Hunde- und Katzenfleisch auf dem Tomohon Extreme Market verboten, einem Wildtiermarkt in der Stadt Tomohon auf der indonesischen Insel Sulawesi. Der Markt galt als virologische Zeitbombe, vergleichbar mit dem berüchtigten Markt in Wuhan in der chinesischen Provinz Hubei, wo Ende 2019 die Corona-Pandemie ihren Ausgang nahm.

Im Zuge der Pandemie wurde im Februar 2020 in Tomohon schon der Verkauf von Ratten, Schlangen, Fledermäusen und Affen verboten. Im April 2020 verfügte die chinesische Regierung, dass Hunde Haustiere und kein Nutzvieh seien. Ein generelles Verbot von Hundefleisch bedeutet dies jedoch keineswegs. Im Dezember 2021 wiederum beschloss die bei Touristen beliebte vietnamesische Stadt Hoi An ein Verbot von Hunde- und Katzenfleisch.

Auch in der Schweiz flammt die Debatte über Hundefleisch immer wieder auf. Hier ist der kommerzielle Verkauf zwar verboten, die Produktion und der Verzehr für den Eigengebrauch jedoch zulässig, solange dabei die Tierschutzgesetze eingehalten werden. Im Appenzellerland werden für die geräucherten Mostbröckli nicht nur Pferde und Rinder verarbeitet, sondern gelegentlich auch ein Hund. Und auch wenn es bedingt durch die gesetzliche Regelung keinerlei offizielle Angaben zum heimischen Hundefleischkonsum gibt, sollen auch im Rheintal oder in der Innerschweiz Hunde im Gulaschtopf landen. En Guete! (Michael Vosatka, 9.1.2024)