Im Film
Im Film "Le Règne animal – Animalia" verwandeln sich Menschen in Tiere. Das ergibt Probleme, ein besonders naturverbundener Mann will seine Frau nicht aufgeben.
2023 Studiocanal GmbH

Als Émile Marindaze eines Morgens aus unruhigem Traum erwachte, fand er sich zu einer Bestie verwandelt. So ungefähr lautet die Prämisse des französischen Genrefilms Le Règne animal, der hierzulande als Animalia ins Kino kommt. Émile ist ein pubertierender Teenager, und seine Verwandlung passiert nicht über Nacht. Stattdessen stellt uns Filmemacher Thomas Cailley in der ersten Hälfte seines Films ausführlich das Setting seiner Fantasygeschichte vor.

Widerstand gegen die Bestien

Nach einer starken Eröffnungsszene mit Émile und seinem systemkritischen Vater im städtischen Verkehrsstau übersiedeln die beiden in die französische Provinz. Dorthin wurde Émiles Mutter in ein Therapiezentrum verlegt. Ihre tierische Verwandlung ist schon fortgeschritten. Überall in Europa mutieren Menschen auf rätselhafte Weise.

Wie uns Cailley und Co-Autorin Pauline Munier diese Zukunftsvision über kleine Details als neue Normalität erzählen, hat im vierten Jahr der Corona-Pandemie einen unheimlichen Wiedererkennungswert. In einem südfranzösischen Touristenkaff in der Gascogne formiert sich Widerstand gegen eine Koexistenz mit den Bestien. Menschen gewöhnen sich ungern um, schon gar nicht, wenn ihre Liebsten animalisch werden. Nur Émiles naturverbundener Vater François ist da flexibler. Er hat seine Frau noch nicht aufgegeben.

ARTHAUS

Starke Besetzung, schwache Rollen

Äußerlich präsentiert sich Le Règne animal als Mix aus dezenter Gesellschaftsallegorie – Stichwort Migration, Stichwort Klimawandel – und dystopischem Abenteuerfilm. Doch das Teenagerfamiliendrama mit dem überzeugenden Nachwuchsdarsteller Paul Kircher dringt Animalia aus allen tierischen Poren und nimmt immer wieder überhand. Seit seinem spannenden Debüt Love at First Fight selbst Vater geworden, ist die Sympathie des Regisseurs für Papa François (Roman Duris) spürbar.

Die stark besetzten Frauenfiguren – Émiles Klassenkameradin und eine Dorfpolizistin – bekommen dagegen nicht viel zu tun. Es überrascht, Euro-Star Adèle Exarchopoulos in dieser uniformierten Nebenrolle zu sehen. Tom Mercier hat in Animalia einen kaum wiederzuerkennenden tierischen Auftritt samt trainierter Vogelstimme.

Als Eröffnungsfilm der Nebenschiene Certain Regard beim Filmfestival in Cannes und als Abschluss des Wiener Slash-Festivals erweist sich Le Règne animal als willkommene Erfrischung der bürgerlichen Filmware aus Frankreich, die es sonst hierzulande ins Kino schafft. Hochkarätig besetzt und mit geschickt eingesetzten Effekten verspricht das 16-Millionen-Filmprojekt so einiges, von Körperhorror à la Titane und bis zur Monsterfantasy.

Trotz einer starken Schlusssequenz im Märchenwald traut sich Regisseur Thomas Cailley dann aber doch nicht allzu weit weg vom Dialogdramapfad. Auch dieser französische Film fühlt sich eben in der Zivilisation wohler als in der Genrefilmwildnis. (Marian Wilhelm, 10.1.2024)