Etwa 100 Menschen demonstrieren vor dem Präsidentenpalast in Warschau.
Etwa 100 Menschen kamen vor dem Präsidentenpalast in Warschau zusammen, um Staatsoberhaupt Andrzej Duda zu unterstützen. Dieser wiederum unterstützt den ehemaligen Innenminister Kamiński und dessen Stellvertreter. Die beiden Politiker der abgewählten PiS-Regierung waren am Dienstag verhaftet worden.
IMAGO/Marek Antoni Iwanczuk

Das Polizeiaufgebot war enorm: Rund um den Warschauer Präsidentenpalast flackerte am Dienstagabend das Blaulicht von dutzenden Polizeiautos und einem Rettungswagen. Doch dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda drohte keine Gefahr, wie man vielleicht vermuten könnte. Vielmehr ließ er im prunkvollen Festsaal des Palastes ein offizielles Gruppenfoto aufnehmen: Polens Präsident mit zwei rechtskräftig verurteilten Kriminellen, hinter ihnen der weiße Adler auf rotem Grund als Staatssymbol und die Flaggen Polens und der EU.

Duda hatte Mariusz Kamiński, den Innenminister der abgewählten Regierung der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), und dessen Stellvertreter Maciej Wąsik schon 2015 begnadigt, obwohl damals das Verfahren wegen Amtsmissbrauchs in Polens Antikorruptionsbehörde noch lief. Das endgültige und inzwischen rechtskräftige Urteil – zwei Jahre Haft – fiel daher erst Ende 2023 vor einem Warschauer Berufungsgericht. Doch das Quasi-Asyl im Präsidentenpalast währte nur wenige Stunden. Als Duda zu einem weiteren Termin aufbrach, ließ die Palastwache die Polizisten ins Haus, sodass diese die beiden Straftäter verhaften und ins Untersuchungs- und Strafgefängnis Warschau-Grochów einliefern konnten.

Spektakuläre Bilder der beiden Ex-Minister in Handschellen entstanden dabei nicht. Die zwei wichtigsten Polizeiautos standen in einer dunklen, von Kameras abgeschirmten Ecke. Fotos von der Verhaftung der beiden Ex-Minister, die angeblich "gegen Korruption im Lande gekämpft hatten", hätten sich in der Parteipropaganda der PiS gegen die neue Regierung aus liberalkonservativer Bürgerkoalition (KO), christlich-agrarischem Drittem Weg und Neuer Linker gut einsetzen lassen. Aus diesem Grund auch waren die beiden Ex-Parlamentarier noch tagelang in den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, gegangen, obwohl ihr Mandat mit dem Schuldspruch vor Gericht erloschen war. Dort behaupteten sie dann immer wieder vor laufenden Kameras, dass sie unschuldig seien und einfach als gewählte Volksvertreter an neuen Gesetzen mitarbeiten wollten.

Debatte über Begnadigung

Für Aufmerksamkeit ist aber ohnehin auch weiterhin gesorgt: Ex-Innenminister Kamiński ist inzwischen in Hungerstreik getreten. Das geht aus einer Erklärung hervor, die die PiS am Mittwoch auf der Plattform X (vormals Twitter) veröffentlicht hat. Er halte seine Verurteilung für politische Rache, schrieb Kamiński darin. Noch am Dienstagabend hatte PiS-Vorsitzender Jarosław Kaczyński zudem versucht, sich mit einigen Getreuen Zutritt zum Gefängnis zu verschaffen. Sein Pochen auf das "Interventionsrecht" eines Abgeordneten brachte jedoch nichts: Die Gefängnistore, die sich hinter den PiS-Funktionären Kamiński und Wąsik geschlossen hatten, blieben zu.

Natürlich könnte Präsident Duda, der selbst aus den Reihen der PiS kam, seine früheren Parteikollegen jederzeit ein zweites Mal begnadigen – diesmal verfassungsgemäß nach dem rechtskräftig ergangenen Urteil. Politische Beobachter in Polen gehen allerdings davon aus, dass gegen Kamiński und Wąsik schon bald ein weiterer Prozess wegen Amtsmissbrauchs eröffnet werden könnte: Polens Geheimdienst hatte unter Kamiński widerrechtlich die Spionagesoftware Pegasus eingekauft und gegen die demokratische Opposition eingesetzt. Das Kalkül Dudas könne sein, die beiden erst nach diesem Urteil zu begnadigen und ihnen damit eine längere Haftstrafe zu ersparen. Allerdings müsste das Urteil dann sehr schnell fallen: Dudas Amtszeit endet in eineinhalb Jahren. (Gabriele Lesser aus Warschau, 10.1.2024)