Klaus Leistner, früherer ÖSV-Generalsekretär und IBU-Vizepräsident
Klaus Leistner, hier bei einem alpinen Ski-Weltcuprennen Anfang 2020, war ab 1971 für den ÖSV tätig, davon gut drei Jahrzehnte als Generalsekretär unter Präsident Peter Schröcksnadel. Der ÖSV entsandte Leistner in den Biathlon-Weltverband IBU, dort war er Vizepräsident unter Anders Besseberg und ab 2006 bis Herbst 2021 für Finanzen zuständig.
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Das norwegische Gerichtsverfahren gegen Anders Besseberg hat mit einem Paukenschlag begonnen. Die Staatsanwältin untermauerte nicht nur die Vorwürfe gegen den 77-jährigen Ex-Präsidenten der internationalen Biathlon-Union (IBU), dem "korruptes und unethisches" Verhalten mit teuren Uhren, kostenlosen Jagdausflügen, Jagdtrophäen, Diensten von Prostituierten und einem Leasingauto abgegolten worden sein soll. Hatte es zunächst geheißen, die Causa werde sich speziell um eine mögliche Vertuschung russischer Dopingfälle drehen, so wurde gleich zu Prozessbeginn klar, dass sie sich auch weit in die Bereiche Untreue und Bestechlichkeit hineindreht. Und nach Österreich.

In Österreich, genau gesagt in Salzburg, hat die IBU ihren Sitz. Hier fand bereits im Frühjahr 2018 eine Razzia des Bundeskriminalamts statt, deren Folge war, dass der seit 1993 amtierende Besseberg im April zurücktreten musste. Für einige Monate übernahm Klaus Leistner, der Bessebergs Vizepräsident und ab 2006 für die IBU-Finanzen zuständig war, die Leitung des Verbands. Doch wie die Staatsanwältin in Norwegen erklärte, ist mittlerweile auch Leistner von den Ermittlungen betroffen. Vom STANDARD damit konfrontiert, bestätigt Leistner, das sei "richtig". Er sei im Herbst 2023 zweimal einvernommen und "als Beschuldigter geführt worden".

Einerseits meint Leistner, er habe "alles klarstellen können, was da im Raum gestanden ist". Andererseits wäre er nicht überrascht, würde er immer noch als Beschuldigter geführt. Der Jurist geht davon aus, dass man ihn ansonsten wohl informiert hätte, und das sei bis dato nicht geschehen. Leistner ist überzeugt davon, dass es noch geschehen wird. "Ich habe nie etwas angeboten bekommen und auch nie etwas angenommen. Das hat man schon gewusst, daher hat man mir auch nie etwas angeboten."

Stets an Schröcksnadels Seite

Das hat klarerweise auch für Leistners Tätigkeit im österreichischen Skiverband (ÖSV) zu gelten, für den Leistner (Jahrgang 1945) bereits ab 1971 arbeitete, wobei er dem ab 1990 amtierenden Präsidenten Peter Schröcksnadel von Anfang an als Generalsekretär zur Seite stand. 2020, ein Jahr vor Schröcksnadel, legte Leistner seine ÖSV-Funktion nieder.

Die zuständige Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nennt keine Namen. Auf Anfrage eines Recherchenetzwerks, das der STANDARD mit dem "Spiegel", der "Augsburger Allgemeinen", dem Bayerischen Rundfunk und dem norwegischen TV-Sender NRK bildet, bestätigt sie aber: "Wir führen in diesem Zusammenhang ein Ermittlungsverfahren gegen (ehemalige) Verantwortliche der IBU und eines Unternehmens zur Vermarktung von Sportrechten wegen des Vorwurfs der Untreue und der Korruption sowie gegen namentlich benannte und weitere unbekannte Täter im Zusammenhang mit Dopingvorwürfen im Biathlon." Die "Verantwortlichen", gegen die ermittelt werde, seien "Beschuldigte".

Hausdurchsuchung bei Infront

Um welches Unternehmen es sich handelt, lässt die WKStA offen. Sowohl die norwegische Staatsanwältin als auch Leistner machen aber kein Hehl daraus, dass Infront Sports & Media gemeint ist, ein internationales Sportmarketing-Unternehmen mit Sitz in Zug in der Schweiz. Infront hat weltweit mehr als 900 Mitarbeiter und 40 Niederlassungen in 17 Ländern, die österreichische ist in Salzburg, die Entfernung zur IBU-Zentrale beträgt circa zehn Kilometer. Laut norwegischer Staatsanwaltschaft richten sich die Ermittlungen gegen zwei Mitarbeiter der Infront Austria GmbH, von denen einer bereits aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Infront bestätigte auf Anfrage, dass es im April 2023 bei der Österreich-Tochter in Salzburg zu einer Hausdurchsuchung gekommen ist.

Wichtigste Infront-Geschäftsfelder? Weltweite Vermarktung von Medien- und Sponsoringrechten für Sportevents sowie Medienproduktion. Philippe Blatter, Neffe von Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter, leitet das Unternehmen als Präsident und CEO. Ein zentraler Unternehmensschwerpunkt war das Fußballgeschäft, Infront hat exklusiv die weltweiten Medienrechte der WM-Endrunden 2002 und 2006 vermarktet. Mittlerweile ist das Unternehmen mit 170 Verbänden, Vereinen und Organisationskomitees im Sommer- und Wintersport im Bunde. Was den Biathlon-Weltverband IBU angeht, der mit Infront zuletzt bis 2030 abgeschlossen hat, so steht der Vorwurf im Raum, die Verantwortlichen hätten keinen freien Wettbewerb ermöglicht, sondern Infront bevorzugt.

Anders Besseberg, früherer IBU-Präsident
Der Norweger Anders Besseberg (77) war von 1993 bis April 2018 Präsident des Biathlon-Weltverbands IBU. Er sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert und steht derzeit in Hokksund vor Gericht.
AP/Lee Jin-man

Alle bestreiten alle Vorwürfe

Dagegen verwahrt sich neben den früheren IBU-Spitzenfunktionären auch Infront. In einem Statement heißt es, "dass unsere Vereinbarungen mit der IBU seit jeher marktüblich und durch Gremienbeschlüsse innerhalb der IBU breit abgestützt waren. Wir bestreiten jegliche unrechtmäßige Einflussnahme auf das Zustandekommen dieser Verträge." Besseberg hat sich vor Gericht bereits ähnlich gerechtfertigt – der Vorstand war zuständig. Und auch sein früherer Vize und Kurzzeitnachfolger Leistner sagt dem STANDARD: "Der Herr Besseberg hat ja weder einen TV-Vertrag abschließen noch Geld verteilen noch Veranstaltungen vergeben können. Und was die IBU an Verträgen gemacht hat im Bereich der TV-Rechte und des Marketings, hat immer der Vorstand beschlossen."

In Deutschland ist Biathlon eine Marketing-Lokomotive, Millionen sehen zu, die TV-Quoten lassen die Umsätze in die Höhe schnellen. Doch die deutsche Justiz interessiert sich über Biathlon-Zusammenhänge hinaus für die Geschäfte von Infront. Im November berichteten "Spiegel", "Augsburger Allgemeine" und der Bayerische Rundfunk von einem Anfangsverdacht der Untreue gegenüber Franz Reindl, dem langjährigen Präsidenten des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB). Reindl hat abgedankt, bestreitet aber Vorwürfe, er habe bewirkt, dass Vermarktungsrechte zu günstig an Infront gingen.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fritz Neumann, 12.1.2024)