Die österreichische Bundesregierung hat ein Mitglied, das die Hälfte der Wahlberechtigten so wenig kennt, dass sie sich kein Urteil zutraut. Und die andere Hälfte urteilt überwiegend negativ: 23 Prozent wünschen sich, dass Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler künftig eine (noch) geringere Rolle spielen soll als bisher, nur vier Prozent hätten gerne eine stärkere Rolle der Staatssekretärin, weiteren 23 Prozent ist es egal.

Weitgehend unbekannt: Susanne Kraus-Winkler, Staatssekretärin für Tourismus
Weitgehend unbekannt: Susanne Kraus-Winkler, Staatssekretärin für Tourismus
Regine Hendrich

Kraus-Winkler mag darunter leiden, dass sie zu wenig bekannt ist – untypisch ist es allerdings nicht, dass sie von mehr Menschen abgelehnt als gewünscht wird. Denn dieses Schicksal teilt sie mit allen drei Dutzend Vertretern des politischen Personals, für die das Linzer Market-Institut gefragt hat: "Welche dieser Persönlichkeiten soll Ihrer Meinung nach in Zukunft eine starke Rolle in der österreichischen Politik einnehmen, welche weniger?" Selbst beim Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen wünschen nur 29 Prozent, dass ihm eine stärkere Rolle zukommen solle – 35 Prozent aber wünschen das Gegenteil. Auffallend ist, dass in allen Parteiwählerschaften (besonders jener der Grünen, Neos und SPÖ) mehrheitlich eher eine stärkere oder allenfalls gleichbleibende Rolle für den Bundespräsidenten gewünscht wird, dass ihn allerdings freiheitliche Wähler und Unentschlossene geschwächt sehen wollen.

"In einer Parteienlandschaft mit drei Mittelparteien und mehreren Kleinparteien haben alle Akteure nur eine relativ kleine Anhängerschaft, aber rein rechnerisch viele Leute gegen sich – das ist ein wesentlicher Unterschied zu der Zeit vor 35 oder 40 Jahren, als SPÖ und ÖVP noch Großparteien waren und die FPÖ eine Kleinpartei", analysiert Market-Politikforscher David Pfarrhofer. Damals sei es auch selbstverständlich gewesen, dass Bundespräsident, Bundeskanzler, teilweise aber auch Parteichefs kraft ihres Amtes hohes Ansehen genossen haben.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat mit schlechten Werten zu kämpfen, er belegt den letzten Platz.
APA/HELMUT FOHRINGER

Davon ist in der aktuellen Umfrage für den STANDARD nicht viel übrig: Bundeskanzler Karl Nehammer wünschen sich nur 13 Prozent in einer stärkeren Rolle, 52 Prozent aber in einer schwächeren. Noch schwächer sind nur die Werte seines Vorvorgängers Sebastian Kurz (der nur noch zehn Prozent Unterstützer hat, aber 56 Prozent entschiedene Gegner) und des Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, der mit 59 Prozent Gegnern und fünf Prozent klaren Unterstützern den letzten Platz der Liste belegt. Auch unter den verbliebenen ÖVP-Wählern gibt es nur zwölf Prozent, die sich bei ihm eine stärkere Rolle in der Zukunft wünschen.

Justizministerin Alma Zadic ist das bestgereihte Regierungsmitglied der Grünen, stößt aber besonders bei FPÖ und ÖVP auf Ablehnung.
APA/EVA MANHART

Überwiegend schlechte Wünsche hagelt es für beinahe alle Regierungsmitglieder – vor allem jenen des grünen Juniorpartners in der Koalition schlägt eine ziemlich geschlossene Ablehnung aus dem freiheitlichen Lager entgegen. Ein auffälliges Muster ist bei Justizministerin Alma Zadić zu erkennen: Bei ihr wünschen nicht nur die meisten Freiheitlichen, sondern auch die Hälfte der ÖVP-Wähler, dass sie eine schwächere Rolle einnehmen solle – während sie umgekehrt von den Wählerschaften der SPÖ und der Neos besonders geschätzt wird. Damit wird sie zum bestgereihten Regierungsmitglied der Grünen.

Gut - oder am wenigsten schlecht

Von den ÖVP-Regierungsmitgliedern sind per saldo Wirtschaftsminister Martin Kocher und Finanzminister Magnus Brunner am wenigsten schlecht bewertet.

Pfarrhofer: "Nimmt man nur die positiven Werte – Wer wird in einer stärkeren Rolle gewünscht? –, so kommt der FPÖ-Chef Herbert Kickl gleich an zweiter Stelle hinter dem Bundespräsidenten, danach die Ministerin Zadić und der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil. Rechnet man aber den Wunsch nach einer stärkeren Rolle gegen den Wunsch nach einer schwächeren auf, so ergibt sich eine ganz andere Reihung. Da liegt dann der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser vor Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Diese beiden Personen polarisieren auch sehr wenig."

Für eine stärkere Rolle Kickls sprechen sich 26 Prozent aus, mehr als doppelt so viele wie in einer Vergleichsumfrage im August 2022, als erst elf Prozent Kickl gestärkt sehen wollten. Gleichzeitig ist die Ablehnung (Kickl solle eine weniger bedeutende Rolle einnehmen) von 56 Prozent im Sommer 2022 auf 44 Prozent gesunken. Die positiven Werte des FPÖ-Chefs stammen großteils aus der FPÖ-Wählerschaft, die ziemlich geschlossen hinter Kickl steht, alle anderen Parteiwählerschaften lehnen ihn in hohem Maße ab, und auch bei politisch nicht deklarierten Befragten kann Kickl kaum punkten.

SPÖ-Chef Andreas Babler ist in etwa auf dem Niveau, das vor ihm Pamela Rendi-Wagner erreicht hatte.
APA/ROBERT JAEGER

SPÖ-Chef Andreas Babler erhält seine Zustimmung (in der Gesamtheit der Wahlberechtigten bei 19 Prozent, etwa auf dem Niveau, das Pamela Rendi-Wagner im Sommer 2022 erreichte) von gut der Hälfte der SPÖ-Wählerschaft, aber auch von vielen der verbliebenen deklarierten Grün-Wähler. Deutliche Ablehnung (insgesamt 38 Prozent, etwas weniger als bei der Vorgängerin) äußern bei Babler neben FP-Wählern auch jene von ÖVP und Neos.

Bei Bablers internem Konkurrenten Doskozil, bei dem sich 2022 noch 28 Prozent eine stärkere Rolle wünschten, ist die Zustimmung auf 22 Prozent gesunken, die Ablehnung von 28 Prozent auf 34 gestiegen. Auch hier lohnt ein Blick auf die Wählerschaft: Wer sich zu FPÖ oder ÖVP bekennt, ist mit erhöhter Wahrscheinlichkeit an einer Stärkung Doskozils interessiert – überdurchschnittliche Ablehnung erfährt Doskozil ausgerechnet in der SPÖ-Wählerschaft. (Conrad Seidl, 15.1.2024)