Die jemenitischen Huthis zeigen nach den massiven US-geführten Luftschlägen auf ihre Militäreinrichtungen keine Anzeichen, ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer einzustellen: Auch am Sonntag und am Montag wurden wieder Raketen abgefangen, gab das US Central Command bekannt. Die USA gehen jedoch davon aus, dass die militärischen Kapazitäten der Huthis durch die Angriffe auf dutzende Ziele im Rahmen der Operation "Prosperity Guardian" vergangene Woche stark reduziert wurden.

Protest von Huthi-Anhängern für deren Krieg gegen Israel und die Schifffahrt im Roten Meer am Wochenende in der Hauptstadt Sanaa.
EPA/YAHYA ARHAB

Die radikale politisch-militärische Bewegung, die seit 2014 Teile des Jemens inklusive der Hauptstadt Sanaa kontrolliert, fühlt sich seit Ausbruch des Gaza-Kriegs als Teil der iranischen "Achse des Widerstands" aufgewertet: Durch die Destabilisierung der wichtigen Schifffahrtsroute von Asien über den Golf von Aden und das Rote Meer über den Suez-Kanal in den Westen werden die Huthis plötzlich global wahrgenommen. Das nützt ihnen auch innenpolitisch, wenngleich die Jemeniten und Jemenitinnen unter Huthi-Kontrolle in einer Diktatur und im Elend leben. Am Wochenende gingen in Sanaa Zehntausende gegen Israel auf die Straße.

"Unabhängige" Huthis

Der Iran hat die US-Angriffe auf den Jemen scharf verurteilt, gleichzeitig die Unabhängigkeit der Huthis betont und – nicht sie, sondern die Koalition gegen sie – dazu aufgerufen, verantwortlich zu reagieren. Das klingt nicht so, als würde Teheran eine volle Eskalation vonseiten der Huthis unterstützen, die Israel nach dem 7. Oktober den Krieg erklärt haben. Gleichzeitig besteht die Sorge, dass Iran-loyale Milizen in anderen Ländern der Region ihre Aktivitäten erhöhen könnten. Das betrifft nicht nur die Hisbollah im Libanon.

Seit Oktober hat es mehr als hundert Angriffe auf US-Einrichtungen im Irak und in Syrien gegeben. Die USA haben mehrmals militärisch geantwortet. Unter anderem wurde Anfang Jänner bei Bagdad gezielt ein Kommandant einer von den USA als Terrororganisation gelisteten irakischen Schiitenmiliz getötet, Abu Taqwa (ein Aliasname) von der Harakat Hisbollah al-Nujaba (Bewegung der Gottespartei der Edlen). Er soll laut USA an der Planung von Attacken auf die USA beteiligt gewesen sein.

Da die US-Militärs vor allem im Nordirak stationiert sind, ist die Kurdenregion besonders in Mitleidenschaft gezogen. In der Nacht auf den Dienstag griffen allerdings nicht pro-iranische Milizen, sondern der Iran selbst in der kurdischen Hauptstadt Erbil an: gegen Spionagezentren Iran-feindlicher Gruppen – damit ist Israel gemeint –, hieß es aus Teheran dazu. Mehrere Kurden wurden getötet, laut den USA wurden keine US-Einrichtungen getroffen. Gleichzeitig gab es auch in Syrien einen Luftangriff iranischer Revolutionsgarden, nach iranischen Angaben galt er dem "Islamischen Staat", der sich zum Anschlag in Kerman Anfang Jänner bekannt hatte.

Irakischer Premier in der Zwickmühle

Im Irak steht Premierminister Mohammed Shia al-Sudani, der mit der Unterstützung der Iran-freundlichen Milizen Regierungschef geworden ist, unter verschärftem Druck, die US-Militärs aus dem Irak zu werfen. Eine nicht bindende Resolution des irakischen Parlaments gibt es schon seit Jänner 2020, als die USA den iranischen Revolutionsgardengeneral Ghassem Soleimani und den irakischen Milizenführer Abu Mahdi al-Muhandis am Flughafen Bagdad mit einem Luftschlag töteten. Nun gibt es wieder eine Initiative im Parlament, eine bindende Resolution zu verabschieden.

Sudani wirft den USA die Verletzung der irakischen Souveränität vor. Der Präsident der Kurdischen Autonomieregierung, Nechirvan Barzani, geht jedoch auch mit den Milizen hart ins Gericht: Sie würden mit ihren Angriffen auf diplomatisch geschützte Einrichtungen die Autorität des Regierungschefs, also Sudanis, infrage stellen. Nach dem iranischen Angriff in der Nacht zum Dienstag forderte Barzani die Regierung in Bagdad auf, Teheran zur Verantwortung zu ziehen.

Die USA hatten Ende 2011 ihre Kampftruppen aus dem Irak abgezogen, waren aber 2014, als der "Islamische Staat" (IS) Teile Syriens und des Irak eroberte, wieder zurückgekehrt. Und gerade jetzt gewinnt der IS in der ganzen Region wieder an Kraft. Sudani ist in einer Zwickmühle.

Keine Konkurrenz

Bisher konnte Sudani die radikalen Pro-Iran-Kräfte ruhig halten, indem er einen strukturierten Dialog mit Washington über den US-Rückzug versprach. Aber nun sind die Radikalen im Irak wieder im Aufwind, beflügelt vor allem durch den Gazakrieg. Aber zu ihrer Stärke trägt auch bei, dass der Wahlgewinner der Parlamentswahlen 2021, die Partei des Schiiten Muqtada al-Sadr, sich aus der offiziellen Politik zurückgezogen hat. Sadr ist um nichts weniger radikal, pocht aber auf eine irakische Unabhängigkeit auch vom Iran. Er stilisiert sich als irakischer Nationalist. Sadr hat auch eine mächtige Miliz, die gehört aber nicht zur Iran-freundlichen Dachorganisation, die eine eigene Partei im Parlament hat.

Bei den Provinzwahlen Mitte Dezember hat auf schiitischer Seite der "Koordinationsrahmen", der die Regierung anführt, obsiegt. Da ging es zwar nur um die Provinzinstitutionen, die verschaffen den Parteien aber mächtige politische Apparate, wenn es um nationale Wahlen geht. Dementsprechend milizenfreundlich agiert die Regierung in Bagdad, das Budget für die "Volksmobilisierungseinheiten" (Popular Mobilisation Units, Hashd al-Shaabi) wurde zuletzt erhöht, zuungusten anderer Teile des irakischen Militärs, die von den USA unterstützt werden. (Gudrun Harrer, 15.1.2024)