Mit der Angriffsserie der Huthi-Rebellen im Jemen auf Transportschiffe im Roten Meer ist der Warenverkehr im Suezkanal beinahe zum Erliegen gekommen – was den Wind in der Containerschifffahrt binnen Wochen um 180 Grad drehen ließ. Noch Ende November erwartete der Chef der Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen, gedämpfte Nachfrage, mehr Schiffskapazitäten und sinkende Preise, also tiefe Frachtkosten. Gekommen ist es anders, denn seitdem haben sich die Frachtraten bereits verdoppelt, Tendenz stark steigend.

Der Standard

Es mehren sich die Befürchtungen, dass dieser Anstieg nun Vorbote einer Inflationswelle sein könnte – ähnlich, wie die Frachtraten bereits im Vorfeld des ersten Teuerungsschubs in lichte Höhen geklettert waren. Wie realistisch sind diese Sorgen? Denn bei Konsumartikeln fallen in der Regel nur zwischen zwei und fünf Prozent des Verkaufspreises an Transportkosten an.

Die Preise treiben aber weniger höhere Transportkosten als die Effekte der nötigen Umfahrung des Suezkanals über das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Für ein Containerschiff von Schanghai nach Rotterdam verlängert sich die Reise um acht Tage. Es fallen dadurch zusätzliche Treibstoffkosten in Höhe von einer halben Million Dollar an und Transportkapazitäten sind länger gebunden – eine Zerreißprobe für viele Lieferketten wie jene von Tesla. Der E-Auto-Pionier musste zuletzt wegen fehlender Bauteile die Produktion im Werk in Brandenburg herunterfahren.

Warten auf Vorprodukte

Die deutsche Industrie- und Handelskammer warnt bereits vor Engpässen in den Lieferketten. Vorprodukte für die Industrie würden derzeit nicht rechtzeitig ankommen. Längere Lieferzeiten sowie höhere Frachtraten und Versicherungskosten würden sich auszuwirken. "Erste Lager laufen leer, Produktionsbeeinträchtigungen werden sichtbar", sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Kammer.

Ein Containerschiff im Roten Meer.
Ein Bild aus besseren Zeiten, als Containerschiffe 2017 noch weitgehend unbehelligt den Suezkanal ansteuern konnten.
REUTERS/AMR ABDALLAH DALSH

Dadurch wird das Angebot an Waren geringer und stößt auf unveränderte Nachfrage – Nährboden in einer Marktwirtschaft für steigende Preise. Verkäufer versuchen, geringere Absatzmengen durch höhere Verkaufspreise zu kompensieren, um negativen Folgen auf Umsatz und Gewinn entgegenzuwirken.

Steigende Kapazitäten

Auch wenn wegen akuter Dürre und tiefer Wasserpegel die Nutzung des Panamakanals ebenfalls stark eingeschränkt ist – eine derartig starke Beeinträchtigung der Containerschifffahrt wie während der Corona-Pandemie ist unwahrscheinlich, schließlich waren damals wichtige Häfen in China wochenlang gesperrt. Dass der Suezkanal auch 2021 zeitweise wegen der Havarie des Containerschiffs Ever Given ebenfalls nicht passierbar war, kam damals nur hinzu.

Zudem erzielten die Reedereien in den Jahren 2021 und 2022 Rekorderträge – und nutzten das Geld, um ihre Flotten im Eiltempo ausbauen. Im Vorjahr lieferten Werften gemäß dem internationalen Schifffahrtsverband Bimco 350 neue Containerschiffe mit einer Gesamtkapazität von 2,2 Millionen TEU (20-Fuß-Standardcontainer) aus. Zum Vergleich: Der bisherige Höchstwert wurde 2015 mit 1,7 Millionen TEU erzielt. "Der Rekord von 2023 wird nun wahrscheinlich schon 2024 übertroffen werden", ergänzt Bimco-Analyst Niels Rasmussen.

"Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird sich im Jahr 2024 noch verstärken." Allerdings würden die Störungen im Roten Meer das Gleichgewicht derzeit wiederherstellen. Sobald die Situation rund um den Suezkanal gelöst ist, dürfte das Ungleichgewicht Rasmussen zufolge zurückkehren. Dann würde wohl auch die November-Prognose von Hapag-Chef Jansen mit Verzögerung eintreten, nämlich: Die Kapazität der Branche werde die Nachfrage übersteigen – was für tiefere Frachtkosten spricht. (Alexander Hahn, 16.1.2024)