Anfang Jänner wurde eine 31-Jährige in Wien-Floridsdorf in tot aufgefunden. Hochrisikofälle sollen künftig besser erkannt werden.
Anfang Jänner wurde eine 31-Jährige in Wien-Floridsdorf in tot aufgefunden. Hochrisikofälle sollen künftig besser erkannt werden.
APA/FLORIAN WIESER

Wien – Gewalt in der Privatsphäre bedeute in der Regel Gewalt gegen Frauen oder Gewalt gegen Kinder. Pro Monat werden in Wien 350 bis 360 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. "2023 waren es ein paar weniger", sagte Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl im APA-Gespräch. Die Beamt:innen seien angewiesen, "da sehr gut hinzuschauen", betonte Wiens oberster Polizist.

"Wir haben in Wien ein sehr gutes System im sicherheitspolizeilichen Bereich, wo es den Bediensteten vor Ort möglich ist, die Situation einzuschätzen, und dann, wenn es notwendig ist, ein Betretungsverbot verbunden mit einem Annäherungsverbot auszusprechen" sagte Pürstl. In Wien gebe es insbesondere einen "Gewalt in der Privatsphäre-Support", dem Polizeipräsidenten zufolge eine Art Journaldienst, den die ersteinschreitenden Beamtinnen und Beamten anzurufen haben. In dem Journaldienst helfen Menschen, die im Bereich Gewalt in der Privatsphäre spezialisiert sind, bei der weiteren Behandlung des jeweiligen Falles weiter, erstellen auch mit Hilfe diverser Tools Risikoanalysen für die Gefährder. Die Spezialistinnen und Spezialisten treffen dann eine Prognose. "Da sind wir in Wien federführend", sagte der Landespolizeipräsident.

Taten innerhalb der Privatspähre

Für die weitere Betreuung der Opfer läuft in der Bundeshauptstadt seit Herbst 2023 ein Probebetrieb für ein Opferschutzzentrum, "das das Ziel hat, dass dort Spezialisten der Prävention arbeiten, die für die gesamte Gefährdungseinschätzung von sogenannten Hochrisikogefährdern zuständig sind. Darunter verstehen wir solche, wo eine schwere Körperverletzung oder gar eine Todesfolge sogar erwartet werden kann". Diese Spezialisten seien dann für den Opferschutz aller Betroffenen zuständig. "Irgendwann laufen Betretungs- und Annäherungsverbote aus, aber wir wollen jemanden haben, der lange darauf schaut, wie es in der Familie weitergeht, ob sich eventuell auch neue Gefährdungssituationen ergeben." Die Expert:innen sollen auch an Fallkonferenzen teilnehmen und sind mit allen Partnerorganisationen vernetzt. "Das scheint gut anzulaufen und wir hoffen, das auch als Dauerorganisation implementieren zu können", hofft Pürstl.

Der Polizeichef wies darauf hin, dass die Zahl der Tötungsdelikte insgesamt deutlich zurückgegangen ist in der Bundeshauptstadt gegenüber den 1980er- und 1990er-Jahren. "Damals waren 50 bis 60 Morde in Wien pro Jahr zu registrieren, jetzt bewegen wir uns jedes Jahr zwischen 15 und 25. 2023 waren es 18." Von den 18 Opfern waren Pürstl zufolge elf Opfer männlich und sieben weiblich. "Bei den weiblichen Opfern kann man feststellen, dass das immer Taten innerhalb der Privatsphäre sind, also entweder ist der Täter der Mann oder der Sohn oder ein Bekannter." Bei den männlichen Opfern seien die Motive vielfältiger: "Wir haben einige Taten im Suchtgiftbereich, oder es geht in den vermögensrechtlichen Bereich, oder die Tötungen von Obdachlosen." (APA, 16.1.2024)