Mit der Corona-Pandemie hielt in vielen Betrieben die Arbeit aus dem Homeoffice Einzug. Die Gründe waren naheliegend, es ging vor allem um die Vermeidung von Ansteckungen mit Sars-CoV-2. Dabei stellte sich heraus, dass viele bisher im Büro gepflegte Tätigkeiten von daheim auch gut erledigt werden können und zumindest ein Teil der Meetings auch per Videokonferenz seinen Zweck erfüllt. Dienste wie Zoom verzeichneten massiven Zulauf, und manche IT-Abteilungen hatten alle Hände voll zu tun, sinnvolle Fernarbeit überhaupt erst möglich zu machen. Und so manche Angestellte haderten mit der mangelnden Qualität ihrer privaten Internetanbindung.

Die Zeit der großen und gefährlichen Infektionswellen ist allerdings vorbei, nicht zuletzt dank der Impfungen und schwächeren Mutationen des Virus. Einige Firmen, darunter auch große Tech-Konzerne, haben seitdem die Rückkehr ins Büro ausgerufen. Bei manchen sollte das Homeoffice wieder zum Ausnahmefall werden, andere wollten ihre zuletzt weitgehend daheim arbeitenden Angestellten zumindest an der Mehrheit ihrer Arbeitstage wieder zur Präsenz im Büro verpflichten. Ein Vorhaben, das längst nicht überall auf Gegenliebe stößt. Das zeigen auch die Reaktionen auf ein bizarres "Return-to-Office"-Video, welches die große US-Webagentur Internet Brands für ihre Mitarbeitenden produziert hat.

In diesem Clip wird argumentiert, dass man "gemeinsam besser" sei, schneller Ideen entwickeln und mehr umsetzen könne. Oder, anders formuliert: Die Arbeit im Office sei produktiver als die Arbeit von zu Hause aus. Folglich, so lässt sich ableiten, ist die Rückkehr zu vorwiegend in Präsenz abgewickelten Arbeitsläufen aus geschäftlicher Perspektive gut argumentierbar. Der Haken, wie Mike Elgan in "Computerworld" aufzeigt, ist jedoch, dass die Datenlage dagegen spricht.

Ein Büro mit Arbeitsplätzen, aber ohne Mitarbeitern. Generiert mit der Bilder-KI Midjourney.
Mit der Pandemie kam die Entvölkerung vieler Büros durch das Homeoffice. Nun wollen viele Firmenchefs die Mitarbeiter wieder zurückholen. Dieses Symbolbild wurde mit der Bilder-KI Midjourney generiert.
DER STANDARD/Pichler/Midjourney

Von "persönlichen Überzeugungen" ...

Auch beim E-Commerce-Riesen Amazon wurde wieder zu vermehrter Arbeit im Büro geblasen. Mike Hopkins, Chef der Amazon Studios und des Prime-Video-Streamingdiensts, wird aus einem internen Meeting mit folgenden Worten zitiert: "Es funktioniert. Ich habe keine Daten, um das zu untermauern, aber ich weiß, dass es besser ist." Zudem sei es auch die "persönliche Überzeugung" von CEO Andy Jassy, dass Angestellte ihre Arbeit am besten im Office verrichten können. Ähnliches war auch von Tesla-Chef Elon Musk und Google-CEO Sundar Pichai zu vernehmen.

Hier könnte möglicherweise eine Form des sogenannten Confirmation Bias zuschlagen. Eine von Menschen häufig praktizierte Selbsttäuschung, bei der man ausschließlich nach Informationen sucht, die die eigene Position bestätigen, während Daten, die dagegen sprechen, abgetan oder – bewusst oder unterbewusst – ignoriert werden. Was man aus der Politik kennt, schreibt Elgan, sei in der Geschäftswelt aber genauso anzutreffen.

Wird der eigene Standpunkt von Daten unterfüttert, wird eine Angelegenheit gerne als "einfach" präsentiert. Fehlt es an Daten oder sprechen diese gar dagegen, wird die Lage hingegen gern als "kompliziert" dargestellt. Mitunter werden aus dem Bauchgefühl heraus Argumente sogar frei erfunden (Stichwort: "alternative Fakten") oder widersprechende Informationen schlicht abgestritten. Gerade bei Amazon, das eigentlich ein per se "datengetriebener" Konzern ist, sei so etwas enttäuschend.

Bob Brisco, CEO von Internet Brands
Bob Brisco, CEO von Internet Brands, erklärte seinen Mitarbeitern in einem von vielen als "bizarr" wahrgenommenen Video, dass die Rückkehr ins Büro nicht verhandelbar sei.
Internet Brands

... und aufschlussreichen Daten

Elgan nennt eine Reihe von Untersuchungen, die eine differenzierte Sicht auf das Thema "Büro vs. Homeoffice" erlauben. Eine von Tech.co durchgeführte Umfrage zeigt, dass 47 Prozent aller befragten Firmen einen Produktivitätszuwachs bei Mitarbeitern feststellen, die während der Pandemie auf Heimarbeit umgestiegen waren. Dazu wird auch eine Erhebung von ADP zitiert, laut der 89 Prozent der Angestellten im Homeoffice eine optimistische Einstellung zu ihrer Arbeit haben, während es unter jenen im Büro 77 Prozent waren.

Eine Umfrage von Upwork zeigte, dass 32 Prozent der für Personalien verantwortlichen Manager durch die Einführung von Remote-Work-Möglichkeiten einen Zuwachs in Sachen Produktivität bemerkten, während nur 22,5 Prozent hier einen Rückgang orteten. Zwei Untersuchungen von Owl Labs erbrachten, dass Mitarbeiter im Homeoffice deutlich glücklicher seien als ihre hauptsächlich im Büro arbeitenden Kollegen und auch seltener ihren Job wechseln. Eine Erhebung von Ergotron ergab, dass Remote-Work-Möglichkeiten förderlich für die psychische und physische Gesundheit von Arbeitnehmern sind und ihre Zufriedenheit mit ihrer Stelle erhöhen.

Und schließlich wertete auch noch Prodoscore 105 Millionen Datenpunkte aus. Der Schluss, den man daraus ziehen konnte, lautete, dass das Level an Produktivität von den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Art, wie sie von ihren Vorgesetzten geführt werden, abhängt. Und nicht davon, von welchem Ort aus sie arbeiten. Wer im Office produktiv sei, sei es üblicherweise auch von daheim.

"Return to Office" ist eigentlich tot (in den USA)

Nick Bloom, Wirtschaftsexperte an der Stanford University, aggregiert schon seit geraumer Zeit große Datenmengen für das Projekt "Work from Home Research". Das bisherige Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Hybride Arbeitsmodelle bringen tendenziell geringe Produktivitätsvorteile. Bei Arbeit, die ausschließlich remote erfolgt, hängt es hingegen stark davon ab, wie die Vorgesetzten selbige managen. Gutes Management bringt deutliche Vorteile, schlechtes Management führt zu negativen Folgen für die Produktivität.

"Hybride und auch komplett remote arbeitende Teams können sich einen substanziellen Produktivitätsvorteil verschaffen, wenn ihre Führungskräfte damit aufhören, sich auf traditionelle Bürokultur und ihre Formen der Zusammenarbeit zu verlassen", fasst er die Datenlage zusammen. Er finde die Anekdoten mancher bekannter CEOs und Politiker in Bezug auf das Ende der Heimarbeit "frustrierend".

Eigentlich sei zu sehen, dass das "Return to Office"-Bewegung seit Anfang 2023 tot sei. In den USA stagnieren seitdem nämlich die Auslastung der Büros und die Quote der Mitarbeiter im Homeoffice. De facto sei man in einer "neuen Normalität" angekommen, in der sich die Lage eingependelt habe.

Kulturwandel notwendig

Während viele heutige Führungskräfte sich vor der Homeoffice-Ära darin bewährt haben, Mitarbeiter vor Ort zu managen, müssen künftige Manager in der Lage sein, Mitarbeiter zu führen, die von einem anderen Ort aus arbeiten. Produktivitätsprobleme sind, so die Daten, nicht dem Tätigkeitsort zuzuschreiben, sondern wohl oft eine Folge von Management und Unternehmenskultur. Der notwendige Wandel, so Elgan, sei vergleichbar mit dem Umstieg von Stumm- zu Tonfilm ab den 1920er-Jahren. Auch damals wollten viele Studios keine klare Richtung einschlagen und lieferten sowohl Stummfilme als auch welche mit Ton.

Erst während der wirtschaftlichen Turbulenzen der "Great Depression" in den 1930ern sahen sie sich unter Zwang und verabschiedeten sich vom tonlosen Bewegtbild. Das sorgte in weiterer Folge für wirtschaftliches Wachstum, zumal die zunehmende Integration von Sprache und Musik in Filmen zur Gründung von Firmen führte, die sich auf Vertonung spezialisierten.

Was die Zukunft der Arbeit angeht, so sei es im ersten Schritt notwendig, sich von persönlichen Überzeugung zu lösen und auf die Daten zu schauen. Und diese unterstützen zunächst folgende drei Positionen: Effektive Mitarbeiterführung hat in der Regel nichts mit (ständiger) Kontrolle oder Micromanagement zu tun. Es ist weiters auch nicht möglich, die Produktivität von jemandem einzuschätzen, wenn man ihm beim Arbeiten zusieht. Und Kollaboration ist gut, insbesondere für die Ideenbildung. Doch für die Ausführung braucht es eine Möglichkeit, lange und ohne störende Unterbrechungen an etwas arbeiten zu können. Und gerade Letzteres nimmt den größten Teil des Zeitkontingents in Anspruch.

Basierend darauf sei es wichtig, dass Führungskräfte passende Soft Skills entwickeln. Firmenchefs sollten sich zudem mit dem Wandel vertraut machen, statt kraft ihrer Autorität ihre Unternehmen dazu zu zwingen, in der Vergangenheit zu leben. Unternehmen sollten analytisch aufarbeiten, welche Probleme eine Rückkehr ins Büro für sie tatsächlich lösen würde. Und sollten die Daten dabei den eigenen Überzeugungen widersprechen, so müsse man diese Überzeugungen ändern, statt so zu tun, als würden die Daten nicht existieren. (gpi, 17.1.2024)