Es ist jetzt viel die Rede vom unausweichlichen Sieg von Herbert Kickl bei den nächsten Nationalratswahlen. Und von einer "Allianz gegen Kickl", die sich dagegen bilden soll, um ihm keinen Koalitionspartner zu liefern.

Beide Überlegungen haben ihre Berechtigung. Kickl ist ein gefährlicher Demagoge und Radikaler, der Österreich in Richtung autoritäres Regime so umbauen würde, dass manchem Hören und Sehen vergeht. Eine Allianz aus ÖVP, SPÖ und Grünen oder Neos hätte jedes Recht, eine solche Machtergreifung zu verhindern.

Helene Maimann, Österreichische Autorin
Hat sich im Präsidentschaftswahlkampf engagiert: Helene Maimann.
Heribert Corn

Die Frage ist, ob das alles so eintritt. Ein erster Platz für Kickl ist sehr wahrscheinlich, aber nicht garantiert. Eine Allianz gegen Kickl wird erst schüchtern von ein paar Leuten in SPÖ und ÖVP angestrebt, aber da gibt es riesige wechselseitige Vorbehalte vor allem bei ÖVP und SPÖ.

Kurzum, es fehlt noch etwas. Die sogenannte Zivilgesellschaft müsste sich wieder mobilisieren. Und nicht nur, um "Kickl zu verhindern", sondern um die Qualität des politischen Diskurses hierzulande – und die Politik selbst – zu verbessern und zu beleben. Wir alle spüren, dass da etwas im Argen liegt in Österreich. Mittelmäßigkeit, steriles Gezänk, dummschlaues Taktieren beherrschen den politischen Alltag. Das muss durchbrochen werden. Warum nicht durch ein paar mutige, schlagkräftige Initiativen, die es sich zur Aufgabe machen, die Politik in diesem Land zu verbessern? Die Abwehr von Kickl wäre dann ein wichtiges Ziel, aber nicht das einzige.

"Zivilgesellschaft" kommt von lateinisch "civis", Bürger, und beschreibt Privatleute, die sich aus den verschiedensten Motivationen für etwas einsetzen. Nach einer Schätzung gibt es rund 700.000 Personen, die sich für humanitäre und sonstige Anliegen selbst organisieren und engagieren. Allerdings sind auch die "Identitären" Zivilgesellschaft. Politisch hatte die liberale Zivilgesellschaft ihre größte Stunde bei der Präsidentschaftswahl 2016. Ursprünglich schien ein Sieg des rechten Norbert Hofer wahrscheinlich. Dann organisierte sich die Zivilgesellschaft. Die Historikerin Helene Maimann, die an führender Stelle beteiligt war, erinnerte sich: "Wir waren ein paar Aktivisten, ein paar Profis aus der politischen Welt, rund 150 freiwillige Helfer und ein paar Sponsoren. Unabhängige Initiativen vernetzten sich – an die 70 Facebook-Gruppen wurden aktiv."

Im Schneeballsystem wurden es immer mehr. Youtube war ein wichtiges Instrument. Und sehr wichtig: "Wir setzten von vornherein nicht nur auf die linke Szene, sondern bezogen bürgerliche Liberale mit ein" (Maimann). Alexander Van der Bellen wurde auch von eher Konservativeren gewählt, die ihn gar nicht so schätzten.

Die Aktivisten produzierten Filme und Postings und Aufrufe im Internet, sie sammelten via Crowdfunding Geld, sie verteilten Flyer und halfen bei Versammlungen aus. Andere richteten Websites ein ("Es bleibt dabei"). Einer mailte massenweise "Warum man VdB nicht lieben, aber wählen muss". Usw.

Das war damals eine Wahl zwischen zwei Persönlichkeiten, da ist es leichter, weil eindeutiger. Aber auch bei dieser Nationalratswahl geht es im Grunde um eine Alternative: eine (zu verbessernde) Demokratie und eine Autokratie. Das klarzumachen wäre eine Aufgabe für eine Zivilgesellschaft. (Hans Rauscher, 16.1.2024)