Green Day
Billie Joe Armstrong (Mitte) und Green Day schaffen es seit über 30 Jahren, mit Poppunk im Geschäft zu bleiben.
Warner

Die US-Band Green Day hält einen einsamen Rekord. Das Trio hat es geschafft, 1991 im alten Wiener Punklokal Flex in Meidling vor gerade einmal 25 Leuten zu spielen, um dann drei Jahrzehnte später im Juni 2022 das Wiener Ernst-Happel-Stadion mit 45.000 Leuten zu füllen. Dass sich die Musik von Green Day dabei wesentlich verändert hätte, kann man nicht behaupten. Ihr am Freitag erscheinendes, mittlerweile 14. Album Saviors bildet da keine Ausnahme.

Möglicherweise sind die Songs dem Alter geschuldet mitunter etwas in die Breite gegangen und behäbiger geworden. Seit ihrem Durchbruch 1994 mit dem Album Dookie und der endgültigen Welteroberung mit American Idiot von 2004 versuchen sich die drei nach wie vor in Kernbesetzung spielenden Kalifornier Billie Joe Armstrong, Tré Cool und Mike Dirnt an einem: Die Vorgaben großer Altvorderer sollen stilistisch und inhaltlich erfüllt, das Ganze aber kommerziell etwas verträglicher und einträglicher gestaltet werden.

Der gute alte und immer auch zum Schunkeln und Geselligsein bei Freizeitgetränken und Sportzigaretten einladende, gesellschaftspolitisch aufgeladene Punkrock von Joe Strummer und The Clash wird seither bei mittlerem Sonnenschutzfaktor dem froh und munter machenden kalifornischen Himmel und einem durchaus juvenilen Humor ausgesetzt. Green Day ist immerhin ein amerikanischer Slangausdruck für einen freundlich ereignislosen, mit Kiffen verbrachten Slacker-Tag. Dookie steht für unser hiesiges Exkrement. Manche Bands haben mit ihren einstigen Jugendsünden ein schweres Binkerl zu tragen.

Öffentlicher Schabernack

In einer Welt, in der sich europäische Bands noch immer beklagen, dass ihr Publikum bei Festivalkonzerten in den USA gehäuft aus Nachkommen der einstigen MTV-Helden Beavis und Butt-Head besteht, musste Green Day natürlich zwangsweise erfolgreich werden und bleiben. Gemeinsam mit anderen Fußballgesangs- und Nordkurve-Bands und freiluftkonzerttauglichen Call-and-Response-Einlagen im Zeichen von "Hey-Ooooh" und einer gewissen Neigung zum öffentlichen Schabernack haben es Green Day als Headliner längst auch zur Fixgröße bei europäischen Großfestivals gebracht. Wie einmal richtig angemerkt wurde, bilden Green Day im Vergleich mit zwei deutschen Größen mit Punk-Vergangenheit die exakte Schnittmenge aus den Toten Hosen und den Ärzten.

Green Day

Dabei darf man eines auch beim Hören neuer Songs von Saviors nicht unterschätzen. Mit Titeln wie The American Dream Is Killing Me oder Living in the ’20s haben Green Day in der obersten Einkommensliga des Rockgeschäfts ein Alleinstellungsmerkmal erreicht. Es handelt sich um eine kommerziell äußerst erfolgreiche Band, die sich noch traut, politische Botschaften unter zigtausende Fans zu bringen: "I got a buzz like a murder hornet / I drink my media and turn it into vomit / I got a robot and I’m fucking it senseless / It comes with batteries and only speaks in English." Und weiter: "Congratulations, best of luck and blessings / We’re all together and we’re living in the ’20s / Salutations on another era / My condolences / Ain’t that a kick in the head?!"

Green Day

Musikalisch werden immer noch drei, vier Akkorde aus der Schule der Ramones, der Sex Pistols oder The Clash auf verzerrten Gitarren gedroschen. Allerdings wird die Freude am fröhlichen Treiben dank der gequengelten Mickey-Mouse-Singalongs gedämpft. Unzählige US-Nachahmerbands haben sich während der letzten drei Jahrzehnte beim Bauplan der talentierten Kopisten Green Day bedient und ihn zum Soundtrack diverser Highschool- und Teenie-Serien verwässert.

Kasperl zum Frühstück

Kurz, Poppunk, inklusive der optischen Normierung im ewiggleichen Stachelfrisur-, Schottenkaro- und Grindtattoo-Outfit, ist eigentlich die Pest. Zumal Green Day und Konsorten vor Konzerten gern einen Kasperl zum Frühstück essen. American Idiot hat es 2009 auch schon als Broadway-Musical gegeben. Solange die Inhalte nicht von auf die Bühne fliegenden Pfandbechern zugeschüttet werden, wollen wir allen Junggebliebenen auf den kommenden Sommerfestivals aber gute Unterhaltung wünschen. Die Linken sollen im Herbst wählen gehen, die Rechten nicht. (Christian Schachinger, 18.1.2024)