Der Vorarlberger Wirtschaftsbund kommt nicht zur Ruhe. Die Teilorganisation der ÖVP stand in den vergangenen Jahren wegen ihrer Steueraffäre und ihrer Inseratenpolitik im eigenen Magazin im Fokus der Ermittler, zeitweise wurde sogar ein Verfahren gegen Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) geführt.

Mit neuen Gesichtern wollte der Wirtschaftsbund dieses Kapitel abschließen. Doch jetzt könnte es erneut strafrechtliche Probleme geben – und zwar für den seit Ende 2022 amtierenden Wirtschaftsbund-Chef Christoph Thoma.

Staatsanwaltschaft prüft Anzeige

Der langjährige Landtagsabgeordnete wurde angezeigt, eine Lehrerin in einer privaten familiären Angelegenheit bedrängt zu haben. Die Anzeige wird derzeit geprüft, wie die Staatsanwaltschaft Feldkirch Recherchen von STANDARD und "Vorarlberger Nachrichten" bestätigt. Zu einem Antrag auf Aufhebung der Immunität an den Landtag wollte sich die Staatsanwaltschaft aber nicht äußern. Dass ein solcher eingelangt sei, bestätigte hingegen die Landtagsdirektion. Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) gab an, er werde diese Woche mit Thoma sprechen, um dessen Sicht der Dinge zu erfahren. Es sei zu prüfen, inwiefern die Vorwürfe mit der Tätigkeit als Abgeordneter zusammenhängen und somit die Immunität berühren.

Anzeige für Wirtschaftsbund-Chef und ÖVP-Abgeordneten Christoph Thoma
Christoph Thoma, seit Ende 2022 Geschäftsführer des Vorarlberger Wirtschaftsbunds, ist mit einer Anzeige konfrontiert. Die Vorwürfe weist er entschieden zurück.
APA/Stiplovsek

Für die Ermittler sollen E-Mails, die Thoma über seine Mailadresse beim Wirtschaftsbund verschickt hat, einen Verdacht auf den Tatbestand der Nötigung konstituieren. Der Abgeordnete weist alle Vorwürfe entschieden zurück. "Ich gehe davon aus, dass diese Anzeige politisch motiviert ist", schreibt Thoma in einer schriftlichen Stellungnahme. Er und seine Frau seien schockiert, dass versucht werde, auf dem Rücken seiner Familie "parteipolitische Vorteile" zu erzielen. Thoma werde um eine Aufhebung seiner Immunität bitten und vollumfänglich mit den Behörden kooperieren.

Der Direktor der betroffenen Schule will sich zu dem Thema nicht äußern. Hinter vorgehaltener Hand ist von "Unverschämtheiten" die Rede, die sich Thoma geleistet habe. Gerüchte über Interventionen gebe es schon seit längerem. Die Bildungsdirektion will sich aus Datenschutzgründen nicht zu dem Fall äußern.

Wann gegen Abgeordnete ermittelt werden kann

Landtagsabgeordnete genießen die gleiche Immunität wie Mitglieder des Nationalrats. Das heißt: Die Strafverfolgungsbehörde muss zunächst beurteilen, ob die konkrete strafbare Handlung in einem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Abgeordneten stehen könnte. Wenn das offensichtlich nicht der Fall ist, etwa bei einem Verkehrsdelikt, kann ohne Zustimmung des Nationalrats bzw. des Landtags ermittelt werden. Ist ein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit aber nicht offensichtlich ausgeschlossen, darf eine Strafverfolgung nur mit Zustimmung begonnen werden.

In diesem Fall richtet die Behörde ein sogenanntes Auslieferungsbegehren an den Nationalrat oder den Landtag. Für eine Auslieferung braucht es im Landtag dann eine einfache Mehrheit. (Fabian Schmid, Lara Hagen, 18.1.2024)