Früher sei es Usus gewesen, dass Rechtsanwaltskosten von der Gemeinde übernommen werden, rechtfertigt sich Hannes Koza (Symbolbild).
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Diese Geschichte begann damit, dass Hannes Koza eine falsche Behauptung verbreitete. Das gab der schwarze Vösendorfer Bürgermeister damals selbst auf X (vormals Twitter) unumwunden zu. Das musste Koza auch. Immerhin behauptete er auf dem sozialen Netzwerk, dass die Kinderfreunde in Wien "Hass, Neid und Missgunst" lehren würden. Daraufhin leiteten die Wiener Kinderfreunde rechtliche Schritte ein. "Ich widerrufe diese Behauptung als unwahr und entschuldige mich für meine Wortwahl“, postete Koza daraufhin auf X. Doch damit war die Sache nicht erledigt.

Wie das Boulevardblatt "Krone" berichtete, wurden die Anwaltskosten für Kozas Vergleich über die Stadt Vösendorf als "Beratungskosten" für die Anschaffung eines neuen Feuerwehrautos abgerechnet. Konkret geht es um eine Summe von 1.129,32 Euro, die Koza wohl tatsächlich refundiert bekommen habe.

Ein Wiener Anwalt brachte deshalb eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein. Am Freitagvormittag bestätigte Behördensprecher Erich Habitzl, dass wegen des Verdachts der Untreue und der Urkundenfälschung ermittelt werde.

Auf X half auch Siegi Lindenmayr (SPÖ) bei der Verbreitung von Kozas Widerruf. 
Posting von Siegi Lindenmayr auf X.
X-Screenshot

Der Anzeige beigelegt seien auch zwei Honorarnoten dieses Anwalts, heißt es in der "Krone". Eine davon sei echt, die andere mutmaßlich gefälscht, wie es in dem Schreiben heißt. Der angeblich gezinkten Rechnung sei nicht nur das Wort "Feuerwehrkonto" handschriftlich beigefügt worden, sie unterscheidet sich laut dem besagten Anwalt auch in mehreren Punkten. So stehe das Aktenkürzel der Kanzlei nicht unter dem Datum; der Betreff sei anders formuliert; die zu hinterfragende Honorarnote sei an "Bgm. Hannes Koza" gerichtet und nicht an "Hannes Koza"; ein Vermerk sei verschwunden, und nicht zuletzt weise auch das Schriftbild eine größere Schriftgröße auf.

"Es besteht daher der dringende Verdacht, dass die 'Honorarnote' vom Verdächtigen gefälscht wurde, um sich die privat verursachten und geschuldeten Anwaltskosten von der Gemeinde Vösendorf rechtswidrig ersetzen zu lassen“, schreibt der Anwalt in seiner Sachverhaltsdarstellung, die mittlerweile auf X kursiert.

Florian Klenk postete die beiden Honorarnoten auf X.
Posting von Florian Klenk auf X.
X-Screenshot

In der "Krone" macht Koza kein Geheimnis daraus. Der "Kostenersatz" sei tatsächlich über ein falsches Konto verbucht worden. "Ein Fehler, der passiert ist und nicht passieren hätte sollen. Als Vorstand des Gemeindeamtes und Vorgesetzter der Gemeindebediensteten übernehme ich dafür natürlich die Verantwortung. Letztlich ist es aber egal, über welches Buchungskonto die Buchung erfolgt, weil sämtliche Buchungskonten der Marktgemeinde Vösendorf zuzuordnen sind“, erklärt Koza im Boulevardblatt.

Koza hat das Geld laut eigenen Angaben an die Marktgemeinde rücküberwiesen. Allerdings sieht der Bürgermeister in der Causa gar kein Problem. Früher sei es Usus gewesen, dass Rechtsanwaltskosten von der Gemeinde getragen werden. Bei seinem roten Vorgänger habe das niemanden gestört. Um künftigen "Anschuldigungen" zu entgehen, will Koza nun aber Richtlinien einführen. Er wolle "in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft selbstverständlich alles dafür tun, um den Sachverhalt rasch und lückenlos aufzuklären", kündigte der Bürgermeister an. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wann die Gemeinde Anwaltskosten übernimmt

Aber ab wann können den Anwaltskosten von der Kommune tatsächlich übernommen werden? Laut Gemeindebund bleibt das eine Auslegungssache. Themen, die eine Gemeinde als Ganzes betreffen – etwa rechtliche Beratung oder Mediationsverfahren –, würden darunter fallen, sagt ein Sprecher auf STANDARD-Nachfrage. Ebenso betroffen sind Fälle, die den Bürgermeister als Behörde betreffen, beispielsweise bei Problemen in Bauverfahren: "Alles andere müsste sich der Bürgermeister vom Gemeinderat oder vom Vorstand genehmigen lassen."

Vizebürgermeister fordert Rücktritt

An einen Rücktritt denkt der Bürgermeister übrigens nicht. Die politische Konkurrenz legt ihm diesen Schritt wenig überraschend nahe. "ÖVP-Bürgermeister Koza wird verdächtigt, Rechnungen zu fälschen, um seine Privatausgaben der Gemeinde zu verrechnen. Betrug, Amtsmissbrauch, Untreue? Wann gibt es Konsequenzen?", twitterte etwa der Chef der SPÖ Niederösterreich, Sven Hergovich.

Die Bundes-SPÖ äußerte am Freitag Rücktrittsforderungen. "Die Anliegen der Freiwilligen Feuerwehr zu missbrauchen und mutmaßlich in die Gemeindekassa zu greifen, um private Anwaltskosten zu begleichen, ist unerträglich und ein Schlag ins Gesicht der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich in den Dienst der Gemeinde stellen und ihren Mitmenschen in Notlagen unter großer Gefahr zur Seite stehen", teilte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim in einer Aussendung mit.

Er nahm auch Bundeskanzler Karl Nehammer und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) in die Pflicht, die nun für den Rücktritt ihres Parteikollegen sorgen müssten.

Auch der rote Vizebürgermeister in Vösendorf, Alfred Strohmayer, hält die Causa für "moralisch letztklassig", wie er sagt. Koza sei "damit untragbar geworden und muss zurücktreten. Ich bedaure das, weil ich mit ihm ein konstruktives Verhältnis pflege. Aber eine so schwere Pflichtverletzung, wie der Griff in die Kassa der Bürger, kann nur den sofortigen Rücktritt zur Folge haben."

Neos: "Hohe kriminelle Energie ist erschreckend"

"Eine mutmaßlich gefälschte Rechnung kann von der ÖVP nicht einfach nur mit Schulterzucken quittiert werden", moniert auch die Vorsitzende der Neos in Niederösterreich, Indra Collini. "Die hohe kriminelle Energie ist erschreckend. Sollte sich herausstellen, dass die von Koza eingereichte Rechnung tatsächlich eine Fälschung ist, erwarte ich mir von der ÖVP klare Konsequenzen." Nun ist für Collini die Gemeindeaufsicht gefragt. "Denn das dreiste Vorgehen wirft die Frage auf, was der Bürgermeister sonst noch so über die Gemeinde abrechnen hat lassen.“

Die Neos bezweifeln, dass die Gemeinde für Kozas Anwaltskosten habe aufkommen müssen. Collini ruft nach mehr Kompetenzen für den Rechnungshof. "Seit Jahren fordern wir, dass der Landesrechnungshof auch Gemeinden unter 10.000 Einwohnern prüfen darf. Seit Jahren wehrt sich die ÖVP aber mit Händen und Füßen dagegen. Man darf gespannt sein, welche Schritt Johanna Mikl-Leitner nun unternimmt, um in Vösendorf nach dem Rechten zu sehen." (Jan Michael Marchart, APA, 19.1.2024)