Schleppnetze, Fischerei
Neben den gewünschten Fischen landet in Schleppnetzen meist auch viel Beifang. Künftig könnte auch neue Technologie helfen, diesen zu reduzieren.
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Es sind teils gewaltige Netze, die über den Meeresboden reiben. Wie bei Pac-Man nehmen sie alles auf, wie sich am oder knapp über dem Meeresboden befindet: Shrimps, Dorsche, Rochen, Seezungen und sogenannten Beifang wie Schildkröten, Seevögel und Thunfische. Millionen Tonnen an Fischen ziehen Schleppnetze jedes Jahr an Land, mehr als ein Viertel des weltweiten Fischfangs stammt aus dieser Art der Fischerei.

Dass Grundschleppnetze – milde ausgedrückt – oft nicht gerade zimperlich im Umgang mit dem Meeresboden sind, ist seit langem bekannt. Immer wieder reißen sie Korallen, Schwämme und Seesterne ab und zerstören den Lebensraum von Tieren, die sich im sandigen Meeresboden befinden. Umweltschützerinnen und Umweltschützer vergleichen diese Art der Fischerei daher gerne mit der Abholzung von Wäldern: Was zurückbleibt, seien wüstenähnliche Meeresböden, in denen die Artenvielfalt um mehr als die Hälfte reduziert ist.

Vom Weltraum sichtbar

Nun zeigt eine neue Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "Frontiers in Marine Science" erschienen ist, dass die Schleppnetzfischerei noch weit schlimmer sein könnte als bisher angenommen. Denn die Schleppnetze, die derzeit über fünf Millionen Quadratkilometer Meeresboden – rund ein Prozent des Meeresfläche – gezogen werden, wirbeln auch große Mengen an CO2-haltigen Sedimenten auf. Diese Aufwirbelungen, ähnlich wie Kondensstreifen von Flugzeugen, sind auch mithilfe von Satellitenbildern aus der Atmosphäre sichtbar. Jedes Jahr gelangen dadurch laut Studie 370 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre – rund fünfmal mehr als der jährliche CO2-Ausstoß Österreichs.

Zwischen 1996 und 2020 hat die Schleppnetzfischerei laut Schätzungen der Forschenden circa 8,5 bis 9,2 Milliarden Tonnen CO2 verursacht. 55 bis 60 Prozent des CO2, das durch die Schleppnetze freigesetzt wird, gelange innerhalb von neun Jahren an die Atmosphäre. Dabei handle es sich um CO2, das ansonsten für tausende von Jahren im Meeresboden gespeichert wäre. Die meisten Emissionen entstehen laut Studie bei der Schleppnetzfischerei im Ostchinesischen Meer, der Ostsee, der Nordsee und der Grönlandsee.

Geht der CO2-Ausstoß so weiter wie bisher, könnte die Schleppnetzfischerei bis 2030 die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre laut Studie um 0,2 bis 0,5 ppm erhöhen. Zum Vergleich: Derzeit erhöht sich die weltweite CO2-Konzentration laut Global Carbon Budget Report etwa um 2,4 ppm pro Jahr.

Versauerung der Meere

Entscheidend ist laut Forschenden aber nicht nur, wie viel CO2 von den Meeren in die Atmosphäre gelangt, sondern auch, wie viel CO2 von diesen absorbiert wird. Denn Meere sind wie ein gewaltiger Schwamm: Rund ein Viertel des gesamten CO2, das die Menschheit bisher ausgestoßen hat, haben die Ozeane absorbiert. Insgesamt ist in den Ozeanen mehr CO2 gespeichert als in der gesamten Erde und in allen Pflanzen an Land. Dieses CO2 können Ozeane jedoch, wie die Studie gezeigt hat, auch wieder in die Atmosphäre freigeben. Jene 40 bis 45 Prozent des CO2, das durch die Schleppnetzfischerei nicht an die Atmosphäre gelangt, trägt laut Forschenden zu einer Versauerung der Meere bei, was wiederum Korallen und anderen Meerestieren schadet.

Die Schätzungen zu den CO2-Emissionen, die durch die Schleppnetzfischerei entstehen, sind laut Forschenden eher konservativ, da die Studie nur Fischerboote analysiert hat, die öffentlich getrackt werden. Eine andere Studie kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass 75 Prozent der Fischerei – hauptsächlich in Afrika und Südasien – im "Verborgenen" stattfindet, also nicht getrackt wird. Bisher beziehen Länder die CO2-Emissionen, die durch die Schleppnetzfischerei entstehen, jedoch nicht in ihre nationale CO2-Bilanz ein und haben auch keine Pläne, diese Emissionen zu verringern, kritisieren die Forschenden. Dabei würde eine Reduktion dieser Art der Fischerei sofort zu merklichen Umwelt- und Klimaverbesserungen beitragen.

Schutzgebiete ausweiten

Wie aber lassen sich diese Emissionen und Umweltauswirkungen konkret reduzieren? Das MSC-Gütesiegel, das immer wieder auf Produkten im Supermarkt prangt und nachhaltigen Fischfang verspricht, schließt nicht aus, dass für den Fang auch Schleppnetze zum Einsatz kamen. Der Grund laut der Organisation: Nicht alle Schleppnetze seien zerstörerisch.

Je nachdem, ob der sogenannte Grundtau mit Gummischeiben, Rollen oder Stahlkugeln ausgestattet ist, die dementsprechend leichter oder schwerer sind, unterscheiden sich die Auswirkungen auf den Meeresboden. Schleppnetzfischerei in Korallengebieten sei weit schädlicher als in Gebieten, in denen starke Strömungen und Gezeiten auf natürliche Art und Weise zu starken Bodenumwälzungen beitragen. Es sei daher eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Schleppnetzfischereien, die das marine Habitat irreversibel schädigen, würden keine MSC-Zertifizierung erhalten.

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace kritisieren allerdings, dass Gütesiegel wie MSC oft nicht halten, was sie versprechen. Auch industrielle Großfischereien, die alles andere als nachhaltig arbeiten, würden das Gütesiegel erhalten. Große Beifänge an bedrohten Schildkröten und Seevogelarten würden die Vergabe des Siegels oft nicht ausschließen. Die Umweltschutzorganisation rät daher, Meeresschutzgebiete auszuweiten und stattdessen zu heimischen Bio-Fischprodukten zu greifen.

Auch die Forschenden der Studie sprechen sich dafür aus, Verbote für Schleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten einzuführen. Derzeit sei diese Fangmethode noch in vielen Schutzgebieten zugelassen.

Auch die EU will Grundschleppnetze in Meeresschutzgebieten einschränken.
EPA

Aus für viele Betriebe

Im vergangenen Jahr setzte sich die EU-Kommission dafür ein, den Einsatz von Grundschleppnetzen in Meeresschutzgebieten bis spätestens 2030 schrittweise einzustellen. Damit will die Kommission den EU-Plänen nachkommen, wonach bis 2030 mindestens 30 Prozent der EU-Gewässer unter Schutz gestellt werden sollen. Bis Ende 2024 sollen alle Mitgliedsstaaten Maßnahmen vorstellen und erste Schritte einleiten. 79 Prozent des Meeresbodens der EU vor den Küsten gilt als physisch geschädigt, was laut EU-Kommission auch auf die Schleppnetzfischerei zurückzuführen ist.

Innerhalb der Fischereiindustrie kam der Vorschlag erwartungsgemäß weniger gut an. Ein Verbot von Grundschleppnetzen würde ein Aus vieler Betriebe bedeuten, da sie nicht auf andere Fangmethoden ausweichen können, hieß es etwa von vielen Krabbenfischern aus Deutschland im vergangenen Jahr. Denn Krabben ließen sich nur mit Grundschleppnetzen fangen. Die Folge wäre, dass mehr Krabben importiert werden müssten. Auch das deutsche Landwirtschaftsministerium setzte sich effektiv gegen ein solches Verbot ein. Dieses hätte "schwerwiegende sozioökonomische Auswirkungen" weit über die Fischerei hinaus.

Einige Wissenschafter und Umweltschützerinnen sprechen sich dennoch für ein solches Verbot aus. Die Menge an Nahrungsmitteln, die aus Schleppnetzen stammen, und die Zerstörung, die diese an der Umwelt verursachen, stünden in keinerlei vertretbarem Verhältnis zueinander.

Nachhaltigkeit verbessern

Anstatt Schleppnetze generell zu verbieten, sollte deren Nachhaltigkeit verbessert werden, heißt es von der Organisation MSC, beispielsweise durch Änderungen am Fanggeschirr. Forschende am Thünen-Institut für Ostseefischerei arbeiten bereits an "intelligenten" Netzen, die mithilfe von Kameras und künstlicher Intelligenz erkennen sollen, welche Fische sich im Netz befinden. Das ändert zwar nichts an den Schäden am Meeresboden, könnte aber zumindest übermäßigen Beifang in der Schleppnetzfischerei vermeiden.

Ein Algorithmus wertet dafür die Kamerabilder von den Netzen aus, bestimmt die darin vorkommenden Fischarten und lässt unerwünschten Beifang wieder aus dem Netz. Dafür wird noch im Wasser eine Klappe im Netz geöffnet, aus der die Tiere wieder entkommen können, ohne Schaden zu nehmen. Somit könnten laut Forschenden bedrohte Fischbestände in Zukunft besser geschützt werden. In den nächsten zwei Jahren könnte der Prototyp des KI-Systems dann auch in der kommerziellen Fischerei zum Einsatz kommen. (Jakob Pallinger, 25.1.2024)