"Traumatisch", "Trigger", "Narzisst", "schizo", "depri" – viele psychologische Fachbegriffe haben Einzug in die Alltagssprache gehalten. Das ist kein neues Phänomen, auch mittlerweile selbstverständliche Wörter wie "unbewusst" oder "verdrängt" kommen von dort. Die ursprüngliche Bedeutung wird dabei jedoch oft mindestens verwässert, meist bleibt von den Begriffen nur mehr ein Gerippe übrig.

Wenn zum Beispiel erzählt wird, dass man gerade in einer "toxischen" Beziehung mit einem "Narzissten" steckt: Ist die so bezeichnete Person darauf angewiesen, ständig bewundert zu werden, oder hat sie nur mal angemerkt, dass sie sich ab und zu über nette Worte freuen würde? Wahrscheinlich möchte mitgeteilt werden, dass etwas und was in der Beziehung schwierig ist, doch es bleibt schablonenhaft.

Begriff
Was ist alles toxisch? Was nicht?
Illustration: Michaela Köck

Die Begriffe werden abgenutzt, aber manchmal kann damit auch eine Kränkung verbunden sein. Bei "schizo" etwa ist das ganz offensichtlich, und die Beleidigung trifft eine Personengruppe, welche nicht nur mit einer sehr schweren und einschränkenden Erkrankung, sondern ohnedies mit vielen Vorurteilen umgehen muss. Sie kann es nicht zusätzlich brauchen, dass eine Verballhornung ihrer Diagnose abwertend verwendet und dadurch die Stigmatisierung fast einzementiert wird.

Klare Sprache

Mit der inflationären Verwendung der Begriffe geht außerdem eine Bagatellisierung einher, die in verschiedenerlei Hinsicht bedenklich ist. Fachbegriffe werden definiert und etabliert, damit unmissverständlich klar ist, wovon die Rede ist. "Ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg", wie schon die deutsche Band Element of Crime singt. Bei psychologischen Begriffen kann das aber echte Auswirkungen auf echte Menschen haben. Wenn etwa die entscheidende Stelle bei der Versicherung nicht mehr weiß, dass "Trauma" ein "belastendes Ereignis (...) mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß" ist, "die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde", wie es im ICD-10, dem Diagnoseklassifikationssystem der WHO heißt, kann es für Betroffene schwieriger werden, den Kassenzuschuss bewilligt zu bekommen. Wenn es auch "traumatisch" ist, mal als Vierjährige kein Eis bekommen zu haben, dann wird der Begriff beliebig. Das mag nämlich vielleicht zu einem Drama geführt haben, aber wohl kaum zu einem Trauma.

Verknüpft mit dem Begriff des Traumas ist ein anderer Begriff, der ebenfalls in der Umgangssprache angekommen ist: der "Trigger". Im psychologischen Sinn ist damit ein Schlüsselreiz gemeint, der ein psychisches Wiedererleben des bedrohlichen Ereignisses auslöst. Dieser Schlüsselreiz nun ist höchst individuell, außerdem auch zufällig: Das kann ein Geruch sein, das kann aber auch eine zu Boden sinkende Feder sein, welche kurz vor dem Ereignis wahrgenommen wurde. Kommt in einem Gespräch der Hinweis, "getriggert" zu werden, dient dies oft als Totschlagargument, das jegliche weitere Argumentation unterbinden soll. Gemeint ist damit aber meist nicht das Wiedererleben eines furchtbaren Ereignisses, sondern schlicht das Auftauchen unangenehmer Gefühle. Emotionen wie etwa Wut, Scham, Hass, Neid oder Ekel dürfen nicht aufkommen und wenn, dann sind die anderen dafür verantwortlich.

"Auch in einer Psychotherapie geht es nicht darum, Emotionen zu vermeiden."

Natürlich ist eine respekt- und rücksichtsvolle Kommunikation wichtig. Bedeutet das aber, dass Kritik oder inhaltlicher Widerspruch vermieden werden müssen, weil sie zum Beispiel Wut auslösen könnten? Auch in einer Psychotherapie geht es nicht darum, Emotionen zu vermeiden. Es geht darum, mit den Emotionen so umgehen zu lernen, dass sie nicht überwältigend bleiben, damit Denk-, Handlungsfähigkeit und die Lebensqualität erhalten oder wiedererlangt werden können. Mit dem Verweis auf einen Trigger wird die weitere Kommunikation gekappt, so als wären Menschen nicht immer fühlende Menschen und müssten in Alltagssituationen mit ihren Gefühlen ebenso zurechtkommen.

Nicht verharmlosen

Problematisch ist auch die Verwendung des Begriffs "Depression" wie im verballhornten "depri". Hier kann es sogar gefährlich werden, wenn nämlich keine kürzere Niedergeschlagenheit vorliegt, sondern eine ausgewachsene Depression, die eben nicht durch einen Spaziergang geheilt oder wie bei der "Cleanfluencerin" weggeputzt werden kann ("Mit dem Wischmopp zur Cleanfluencerin werden"). Es kann zusätzlich belasten, dass es einem selber nicht gelingt, die Depression wegzuwischen, was ohnedies viel zu häufig und viel zu lange versucht wird. Solche Beiträge führen mitnichten zur Entstigmatisierung. Sie verharmlosen ernstzunehmende Erkrankungen.

Es ist zweifellos wichtig, miteinander über Emotionen zu reden und sich bewusst zu machen, dass wir alle vor psychischen Problemen nicht gefeit sind. Das sollte aber nicht mit der Aushöhlung psychologischer Fachbegriffe einhergehen. Wer psychisch krank ist, braucht keine Putzanleitung, sondern eine Aufstockung der kassenfinanzierten Psychotherapie, fachärztliche Behandlung, einen Ausbau der tagesklinischen Angebote und wenn notwendig eine stationäre Aufnahme. (Angelika Purkathofer, 20.1.2024)