"Die Impfung gegen Meningokokken? Ich empfehle sie Ihnen, wenn Sie Ihre Tochter sehr früh in die Kinderkrippe schicken." – "Was meinen Sie mit sehr früh?" – "Vor dem zweiten Lebensjahr."

Als ich kürzlich einen Artikel des Le Monde-Korrespondenten in Österreich über seine Schwierigkeiten las, als junger Vater in Wien eine Krippe für sein acht Monate altes Kind zu finden, musste ich lächeln: Nach der Geburt meiner Kinder konnte ich messen, wie tief der Graben zwischen dem französischen und dem österreichischen Familienmodell ist. Auf der einen Seite ist es normal, Babys in Krippen zu geben, auf der anderen wird dies fast schon als unnatürlich, ja sogar brutal angesehen.

Eines hat sich doch geändert: Die Überzeugung, dass Kleinkinder so lange wie möglich zu Hause bleiben sollen, kollidiert immer mehr mit Werten wie Gleichberechtigung der Geschlechter.

Rasch in Erwerbsarbeit

Das französische Modell basiert seit Jahrzehnten auf zwei Säulen: der finanziellen Ermutigung, ein drittes Kind zu haben, und dem Anreiz, schnell zur Erwerbsarbeit zurückzukehren. Die Familienbeihilfe von 148,52 Euro ab zwei Kindern erhöht sich auf 323,91 Euro für drei, für jedes zusätzliche Kind gibt es dann etwas über 180 Euro. Eine Mutter in Elternzeit erhält nur 428,71 monatlich (alle Zahlen von 2023). Aber Präsident Emmanuel Macron, der am Dienstag eine "demografische Wiederaufrüstung" angekündigt hat, will einen Elternurlaub – auch für Väter – von mindestens sechs Monaten mit mehr Geld – wie viel, wissen wir noch nicht.

Emmanuel Macron im Porträt
Präsident Macron fordert von Französinnen und Franzosen eine "demografische Wiederaufrüstung": Babys bekommen.
Foto: Reuters / Christian Hartmann

In Österreich wäre eine derartige progressive/regressive Staffelung jedenfalls undenkbar. Eine Mutter, die zum Beispiel zwölf Monate zu Hause bleibt – Väter können es, tun es aber selten –, erhält 80 Prozent ihres früheren Gehalts, sei sie nun Verkäuferin oder Forscherin mit einem Ph.D.-Abschluss; maximal jedoch 2300 Euro monatlich.

Das österreichische Modell hat einen Nachteil: Es kommt den patriarchalen Werten vieler Familien, auch der mit "Migrationshintergrund", nur zugute. Dieses Modell der "Mutter zu Hause", das Konservative der Volkspartei und Rechtspopulisten der FPÖ favorisieren, steht im Widerspruch damit, egalitäre Prinzipien zu vermitteln.

Raus aus dem Dilemma

Man könnte aus dem Dilemma herauskommen, indem man frühe Berührungspunkte aller Kleinkinder mit Orten fördert, wo sie Prinzipien der Gleichberechtigung erleben. Sogar "konservative" Bundesländer hatten schon die Idee – auch um soziale Ungleichheiten zu bekämpfen –, setzen aber, wie Tirol, den Gratiskindergarten erst für Fünfjährige an. Und selbstverständlich würden religiös-konservative Kindergärten die Integration nicht fördern: Man erinnere sich nur an die Debatte im "progressiven" Wien.

Hand an Babyfüsschen
Die EU-weit immer noch hohe Geburtenrate in Frankreich ist auf ein neues Tief gesunken.
Foto: AFP / Loic Venance

Da die Trennungsrate in Österreich ungefähr so hoch ist wie in Frankreich (35 Prozent), sehen sich viele Frauen gezwungen, sich zwischen finanzieller Autonomie und Kinderkriegen zu entscheiden. Viele wünschen sich zwei bis drei Kinder, die staatliche Geburtenrate beträgt dennoch 1,4. Auch in Frankreich – lange Nummer eins in der EU – ist die Geburtenrate auf ein Tief gesunken: von 2,03 im Jahr 2010 auf weniger als 1,7 im vergangenen Jahr (EU-Durchschnitt: 1,5). Dieser Rückgang ruft eine mediale Debatte hervor: Warum wünschen sich nun junge Französinnen und Franzosen höchstens zwei Kinder – oder gar keines (laut einer Umfrage 2022 für Elle fünf Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter)? Vielleicht weil diese, trotz eines eher verlässlichen Betreuungssystems für Kleinkinder, den höheren Preis für ein Familienleben nicht zahlen wollen.

Dazu kommt Kritik von Eltern, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Wäre Teilzeitarbeit für beide eine Lösung? Das "französische Modell" ist sicher nicht ideal. Beide Familienmodelle, das "französische" genauso wie das "österreichische", scheinen ihre Grenzen erreicht zu haben.

Modell "Mutter zu Hause"

Doch immerhin hat das französische den Vorteil, dass Kinder nach der Krippe (nicht gratis) oder Tagesmutter mit drei Jahren – oft mit zwei – schon in eine Gratisvorschule gehen, wo sie auf sehr qualifizierte Lehrkräfte treffen, und deren Ziel explizit ist, "die Gleichheit zwischen Buben und Mädchen" zu fördern. Wenn man allerdings das Modell der "Mutter zu Hause" so weit durchgesetzt hat wie in Österreich, wird es sehr schwierig, dies zu korrigieren, ohne die Wählerschaft zu verärgern. (Joëlle Stolz, 22.1.2024)