Der Fischotter zählt, wie etwa auch der Biber, der Wolf, der Luchs oder der Bär, zu unionsrechtlich geschützten Tierarten. Diese Tierarten finden sich in den Anhängen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und sind von den Mitgliedstaaten grundsätzlich zu schützen. Auf nationaler Ebene unterliegen diese Tierarten weiteren gesetzlichen Regelungen, entweder den Naturschutzgesetzen und/oder den Jagdgesetzen der Länder. Dies ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. So findet sich der Fischotter etwa im OÖ und im Kärntner Jagdgesetz, nicht jedoch im NÖ Jagdgesetz.

Je nachdem, ob so ein geschütztes Tier dem Jagdgesetz oder dem Naturschutzgesetz unterliegt, sehen die jeweiligen Gesetze in bestimmten Fällen und in Umsetzung der FFH-RL die Möglichkeit von Ausnahmen betreffend deren absoluten Schutz vor. Das heißt, dass die Landesregierung entsprechende Verordnungen erlassen kann, die das Fangen oder gar eine Entnahme dieser Tierarten zulassen.

Fischotter im Wasser
Der Fischotter ist eine unionsrechtlich geschützte Tierart. Und sorgt mit diesem Status für rechtliches Aufsehen in Niederösterreich.
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In Niederösterreich unterliegt der Fischotter dem NÖ Naturschutzgesetz. Dieses sieht gemäß § 20 Abs 6 vor, dass zu bestimmten Zwecken die Landesregierung eine Ausnahme von der grundsätzlichen Schutzpflicht dieser Tierart verordnen kann. Diese Bestimmung setzt Unionsrecht, genauer Art 16 der FFH-RL, um. Die niederösterreichische Landesregierung hat im November 2019 die NÖ Fischotter-Verordnung erlassen, welche im Wesentlichen im Bereich von Fischteichen das Fangen und Töten von Fischottern erlaubte.

Rechte der Umweltorganisationen

Gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz können Vereine oder Stiftungen, die sich vorrangig dem Umweltschutz widmen, gemeinnützig (also nicht gewinnorientiert) arbeiten, seit mindestens drei Jahren tätig sind und (sofern als Verein organisiert) aus mindestens hundert Mitgliedern bestehen, die Anerkennung als Umweltorganisation beantragen. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie stellt im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft die Erfüllung der oben genannten Kriterien fest und spricht aus, in welchem Bundesland diese Umweltorganisation Parteirechte ausüben kann.

Zwei solcher Umweltorganisationen beantragten bei der niederösterreichischen Landesregierung die Überprüfung und Aufhebung der NÖ Fischotter-Verordnung, weil diese ihrer Ansicht nach nicht mit dem anwendbaren Unionsrecht, der oben erwähnten FFH-RL, vereinbar sei. Ihr Antragsrecht betreffend stützten sie sich auf (i) die Aarhus-Konvention, die eine Öffentlichkeitsbeteiligung und insbesondere ein Überprüfungsrecht der Öffentlichkeit in Umweltrechtsbelangen vorsieht, (ii) die Grundrechtecharta und (iii) die FFH-RL. Die niederösterreichische Landesregierung wies den Antrag mangels Zuständigkeit zurück, weil in Österreich gemäß Art 139 B-VG die alleinige Zuständigkeit zur Prüfung von Verordnungen beim Verfassungsgerichtshof liege und eine inhaltliche Beurteilung daher verwehrt sei.

Gegen diese Zurückweisung erhoben die Umweltorganisationen Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, welches sich jedoch der Rechtsmeinung der Erstbehörde anschloss und das Prüfungsmonopol des Verfassungsgerichtshofes für die Rechtmäßigkeit von Verordnungen ebenso bestätigte. Um die Angelegenheit höchstgerichtlich zu klären, wurde schließlich noch eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

Der VwGH stellte in seinem Erkenntnis (13.6.2023, Ra 2021/10/0162) fest, dass die Zurückweisung des Antrages rechtswidrig war. Die Behörde hätte sich mit dem Antrag der Umweltorganisationen inhaltlich auseinandersetzen müssen. Begründend führte der VwGH aus, dass die Ausnahmeregelungen des § 20 Abs 6 NÖ Naturschutzgesetz in Umsetzung der FFH-RL, also Unionsumweltrecht, erlassen wurden. In Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung, in welcher der VwGH anerkannten Umweltorganisationen bereits ein Recht auf Teilnahme am behördlichen Verfahren zugesprochen, soweit der Schutz von Normen des Unionsumweltrechts auf dem Spiel steht (20.12.2019, Ro 2018/10/0010) und auch ein Antragsrecht auf Erlassung einer Verordnung zur Umsetzung von Unionsumweltrecht bestätigt hatte (18.2.2018, Ra 2015/07/0074), müssen diese auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung haben.

Die niederösterreichische Landesregierung hätte daher den Antrag der Umweltorganisationen inhaltlich behandeln und die erlassene Verordnung auf ihre Vereinbarkeit mit der FFH-RL prüfen müssen. Die Verordnungsermächtigung für die Landesregierung, die sich im NÖ Naturschutzgesetz findet, umfasst auch die Befugnis, die erlassene Verordnung jederzeit abzuändern oder aufzuheben. Diese inhaltliche Entscheidung der Behörde kann sodann vor dem Landesverwaltungsgericht überprüft werden, wobei dieses die Verordnung nicht selbst abändern oder aufheben kann.

Prüfungsmonopol des Verfassungsgerichtshofs gekippt

Das in dem Verfahren immer wieder argumentierte Verordnungsprüfungsmonopol des VfGH gemäß Art 139 B-VG wurde damit im Zusammenhang mit Unionsumweltrecht jedenfalls überholt. Dies ist unionsrechtlich insoweit auch konsequent, als Umweltorganisationen in einem Verfahren nach Art 139 B-VG keine Parteistellung haben und ihnen damit auch keine Antragslegitimation zukommt (VfGH 14.12.2016, V 134/2015). Ihnen wäre daher eine Überprüfung einer Verordnung vor dem VfGH gar nicht möglich gewesen.

Bedeutung für die Zukunft

Was bedeutet diese Entscheidung für andere Verordnungen, die Unionsumweltrecht betreffen? Diese gelten selbstverständlich weiterhin, können jedoch auf Antrag von Umweltorganisationen einer nochmaligen inhaltlichen Prüfung unterzogen werden. Die Behörden sind in einem solchen Verfahren dann angehalten, ihre erlassenen Verordnungen entsprechend zu begründen oder gegebenenfalls abzuändern oder aufzuheben. Diese Entscheidung der Behörde kann sodann wiederum von einem Verwaltungsgericht überprüft werden. Damit werden die Rechte der anerkannten Umweltorganisationen jedenfalls gestärkt und es ist davon auszugehen, dass der Fischotter nur die erste, aber sicher nicht die letzte Tierart einer solchen behördlichen Verordnungsprüfung sein wird. (Eva Erlacher, 23.1.2024)