Mädchen im Rollstuhl und Arzt
Die Weitergabe von Patienteninformationen ist heikel, für den Behandlungserfolg aber mitunter entscheidend.
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Außerhalb des Krankenhaussettings stehen therapeutischen oder pflegenden Fachkräften zwei Informationsquellen über die gesundheitliche Problemlage eines Patienten zur Verfügung: zum einen der Arztbrief und die – oft nur aus wenigen Wörtern bestehende – Therapieanweisung auf der Zuweisung, zum anderen die Befragung des Patienten oder der Angehörigen. Gerade bei Menschen mit längerer Krankheitsgeschichte, bei dementen oder anderweitig beeinträchtigten Patienten oder bei mehreren involvierten Ärzten und Therapeuten bleibt dabei aber oft relevante Information auf der Strecke. Details der Diagnose, bisherige Therapien und ihre Wirksamkeit und viele weitere Aspekte bleiben möglicherweise unerwähnt – obwohl sie vielleicht wertvolle Hinweise für neue Therapiemaßnahmen geben könnten. In die elektronische Gesundheitsakte (Elga) können die Therapeuten, die nicht im Spitalskontext arbeiten, keinen Einblick nehmen.

Im Projekt "Focus on Patient" arbeiten die FH Gesundheitsberufe OÖ gemeinsam mit dem Software Competence Center Hagenberg und dem Unternehmen Blockhealth an einer Anwendung, die die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen und innerhalb verschiedener Berufsgruppen im Gesundheitswesen verbessern soll. Gleichzeitig sollen die Patienten ermächtigt werden, eine aktivere und selbstbestimmtere Rolle im Behandlungsverlauf zu spielen. "In vielen therapeutischen Bereichen gibt es einen Informationsmangel. Gerade außerhalb des Krankenhausbereichs geht die Kommunikation zurück", fasst Bernhard Schwartz von der FH zusammen. "Diese Lücke wollen wir mit einem neuen digitalen System schließen. Patienten sollen freigeben können, welche Daten sie mit einem Therapeuten teilen wollen." Gefördert wird "Focus on Patient" vom Land Oberösterreich.

Bedarfsanalysen mit Fokusgruppen

Ausgangspunkt der Entwicklung ist eine bestehende App, die bei der Koordinierung einer Behandlung hilft, in die mehrere Ärzte involviert sind. Befunde und Impfnachweise können verwaltet und individuell freigegeben werden. Die wichtigsten Informationen – beispielsweise wenn ein Patient blutverdünnende Medikamente nimmt, was für eine weitere Behandlung in vielerlei Hinsicht relevant sein kann – werden vorsortiert und sind auf den ersten Blick sichtbar. Dieses grundsätzliche Prinzip soll nun auch auf Gesundheitsberufe abseits der Ärzteschaft erweitert werden.

In eigenen Studien werden dafür mittels Umfragen und Fokusgruppen die jeweiligen Bedürfnisse und Anforderungen verschiedener Berufsgruppen ermittelt. Eine erste Erkenntnis ist, dass man nur schwer eine Plattform wird schaffen können, die für alle passt. "In der Krankenpflege hat man beispielsweise vollkommen andere Bedürfnisse, was die Struktur und die Aufbereitung der Informationen betrifft, als in der Ergo- und Physiotherapie", sagt Schwartz. "Es könnte sein, dass man eine künftige Anwendung je nach Berufsstand entsprechend adaptieren muss."

Entwicklung eines Unterstützungstools

Die Plattform sollte grundsätzliche Informationen wie therapeutische Diagnosen oder die Ergebnisse von Pflegeanamnesen aufnehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Dokumentationssysteme von den Fachkräften bereits verwendet werden, die man über eigene Anbindungen abfragen könnte. Zudem soll ein Unterstützungstool entwickelt werden, das "yellow and red flags", also gelbe und rote Warnungen, ausgibt: Damit sind diagnostische Ergebnisse, Veränderungen des Gesundheitszustands oder sonstige Informationen gemeint, die einen Einfluss auf die zukünftige Therapie oder Pflege haben könnten. Taubheitsgefühle in der Hand, die vermerkt wurden, könnten für den Therapeuten bedeuten, dass bestimmte Übungen ausgesetzt werden sollten und eine medizinische Abklärung notwendig ist. Individuelle Erfahrungen zu Medikamentenwirkungen könnten für neue Pflegekräfte wertvolle Hinweise sein.

In der Umsetzung der Anwendung sei es wichtig, den richtigen Automatisierungsgrad zu finden, hebt Schwartz hervor. Diktierfunktion, Scannen per Handyfoto und andere Hilfsdienste sind hier relevant. "Man muss einerseits darauf achten, was klinisch wichtig ist. Gleichzeitig muss man auch pragmatisch sein. Es kann beispielsweise auch wichtig sein, die Administration zu erleichtern", betont der Experte. Einfache Dinge wie eine reibungslose Druckfunktion können die Akzeptanz wesentlich erhöhen.

Arztbriefe einfach erklärt

Für den Patienten könnte die Anwendung auch zu einem Werkzeug werden, um die eigene Gesundheitskompetenz zu erhöhen. Dazu gehört etwa bereits ein Feature, das den "medizinischen Kauderwelsch" in Arztbriefen erklärt. Zukünftig könnte eine Anwendung dieser Art um tiefergehende Hilfestellungen erweitert werden und Patienten beispielsweise bei der Ernährungsumstellung nach einem Diabetes- oder Allergiebefund unterstützen. Auch eine durch digitale Elemente vermittelte "Teletherapie" wären denkbar. "Man könnte Videos von individuellen physiotherapeutischen Übungen anfertigen, die sich der Patient zu Hause erneut ansehen kann", gibt Schwartz ein Beispiel. Umsetzungen dieser Art wären für Folgeprojekte denkbar.

Die Anforderungen, die in dem noch bis September 2024 laufenden Projekt gesammelt werden, sollen letztlich Eingang in einen Software-Prototyp finden. Eine unabhängige Evaluierung werde dann sicherstellen, dass die App auf die tatsächlichen Bedürfnisse von Fachkräften wie Patienten oder deren Angehörigen zugeschnitten ist, betont Schwartz. (Alois Pumhösel, 26.1.2024)