Mumok Wien
Wofür – außer seine markante Architektur – ist das Mumok im Wiener Museumsquartier bekannt?
Stefan Oláh

Das Museumsquartier in Wien erfreute sich vergangenes Jahr einer Rekordbeliebtheit: 5,2 Millionen Menschen besuchten das Kulturareal. 77 Prozent davon kamen aus Österreich, großteils aus Wien, wie die von A1 erfassten Mobilitätsdaten ergaben. Welche Rolle die dortigen Kulturinstitutionen spielen? Theoretisch fristen sie quasi ein Dasein wie die Maden im Speck. Praktisch zeichnen deren Statistiken aber ein differenzierteres Bild. Das Leopold-Museum kam auf etwa 380.000 Besuchende, also fast 38 Prozent mehr als noch 2022.

Im Mumok, dem Museum moderner Kunst, wuchs die Besucherzahl indes nur um zehn Prozent auf rund 224.000. Das könnte auch an der Programmierung gelegen haben: Die mit neun Monaten unüblich lange anberaumte Ausstellung des New Yorker Konzeptkünstlers Adam Pendleton dürften selbst ambitionierte Kunstinteressierte nicht mehrmals besucht haben. Warum sie dann so lang lief? Corona-bedingt musste die Schau verschoben werden und ergab sich die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Laufzeit zu verlängern, heißt es auf Anfrage.

Bis Juni steht der Ausstellungsbetrieb des Mumok jetzt vorerst still. Für Sanierungsarbeiten an Böden, Bestandswänden sowie Lüftungs- und Sanitäranlagen wurde das Museum Anfang Jänner geschlossen. Um das Publikum nicht zu verlieren, bietet man ein Alternativprogramm etwa mit Atelierbesuchen bei Kunstschaffenden, die in der eigenen Sammlung vertreten sind.

24 Bewerbungen um Posten

Den Luxus einer fünfmonatigen Sperre kann man sich als subventioniertes Bundesmuseum leisten. Als jährliche Basisabgeltung bekam das Mumok zuletzt etwas mehr als zehn Millionen Euro; hinzu kommen Zuschüsse für kleinere Investitionen in die Gebäudeinfrastruktur (2022 waren es rund 724.400 Euro). Die Kosten der aktuellen Sanierung in Höhe von sechs Millionen Euro finanziert ebenfalls das Kulturministerium.

Eine mehrmonatige Schließung gab es bereits 2011, nachdem die deutsche Kunsthistorikerin Karola Kraus (zuvor Kunsthalle Baden-Baden) das Haus von Edelbert Köb übernommen hatte. Nun neigt sich ihre Ära als Generaldirektorin dem Ende zu, der Vertrag der 64-Jährigen läuft ebenso wie jener der wirtschaftlichen Geschäftsführerin Cornelia Lamprechter (seit 2015) Ende September 2025 aus.

Beide Positionen wurden im Dezember ausgeschrieben, die Frist endete vergangene Woche: Um die wirtschaftliche Geschäftsführung haben sich fünf Kandidaten und sieben Kandidatinnen beworben. Ob sich Lamprechter um eine Verlängerung bemüht, war nicht in Erfahrung zu bringen. Für die wissenschaftliche Geschäftsführung gab es 24 Bewerbungen, acht aus Österreich, 16 aus dem Ausland, darunter sieben Männer und 17 Frauen. Kraus schloss eine neuerliche Kandidatur im Vorfeld bereits aus.

Schwerpunkt Diversität

Was die Direktorin rückblickend anders machen würde? Das könne sie erst nächstes Jahr beantworten, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Die einstige Irritation, die ihre Programmierung mit Künstlern der Galerie ihrer Schwester Bärbel Grässlin hervorrief, scheint offenbar vergessen. Die Tändelei der Bundesmuseen mit der Galerienszene ist mittlerweile ja auch schon salonfähig.

Zu ihren Errungenschaften zählt sie, das spezifische Sammlungsprofil des Museums mit seinen Schwerpunkten von der Klassischen Moderne bis in die Gegenwart vertieft und neue Impulse gesetzt zu haben: vor allem mit der verstärkten Integration von Arbeiten von Künstlerinnen in die von Männern dominierten Sammlungsschwerpunkte, wie es der Zeitgeist eben auch fordert.

Als Beitrag zur Sichtbarkeit sind die Präsentation der österreichischen feministischen Avantgarde der 1970er-Jahre oder auch die große Solo-Schau von Jakob Lena Knebl 2017 in Erinnerung. Kraus machte als Kommissärin für den Venedig-Pavillon 2022 denn auch Knebl zur heimischen Biennale-Vertreterin. Nur Diversität wäre als Alleinstellungsmerkmal eines Museums aber wohl zu wenig. Was gilt also als Markenzeichen des Mumok? Wofür steht dieses Haus, etwa aus Sicht des Publikums und im Vergleich zu den anderen Museen der Stadt?

Karola Kraus
Drei Amtsperioden: Karola Kraus leitet das Mumok seit 2010. Im Herbst 2025 läuft ihr Vertrag aus.
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Profilprobleme

Resümiert man die Ausstellungen der letzten Jahre, lässt sich kein spezifischer Fokus ableiten. Abseits von einzelnen Highlights wie der Op-Art-Schau Vertigo, der Personale des Fotografen Wolfgang Tillmans oder der auf zwei Etagen präsentierten Ausstellung zu Andy Warhol fühlt man sich teils an das Programm einer Kunsthalle erinnert. Teils schienen die Kuratoren eher für ihre Lebensläufe und den akademischen Betrieb zu konzipieren als für das tägliche Museumspublikum.

Möchte man Werke von Gustav Klimt sehen, besucht man das Belvedere, für solche von Egon Schiele und die Epoche Wien um 1900 das Leopold-Museum. So eine Assoziation mit einer prominenten Cashcow gibt es beim Mumok nicht. Die Albertina lockt – in einer vergleichbaren Situation – erfolgreich mit großen Namen sowie laufend mit der Schau Von Monet bis Picasso (Sammlung Batliner) und ihren Wechselausstellungen – demnächst etwa zur Pop-Art-Ikone Roy Lichtenstein. Dessen Geburtstag jährte sich 2023 zum 100. Mal und hätte auch dem Mumok Gelegenheit gegeben, seine Leihgaben aus der Ludwig-Stiftung zu zeigen. Für eine Dauerpräsentation relevanter Bestände aus der Sammlung sei nämlich einfach zu wenig Platz, heißt es schon seit Jahren. Eine Justamenthaltung, die man offenbar selbst für populärere Wechselpräsentationen nicht aufzugeben gewillt scheint.

Konkurrent oder Partner?

Hört man sich in der Wiener Kunstszene um, würden sich viele ein deutlicheres Profil samt Wiedererkennungswert für dieses Museum wünschen. Und damit verbunden auch eine stärkere Präsenz der Sammlungsschwerpunkte im Programm. Vielleicht braucht es ja eine Neupositionierung, um das Potenzial nach außen erkennbarer und für Publikum zugänglicher zu machen?

Die eine oder andere Chance scheint inzwischen fast schon vertan. Auch wenn sich das Mumok als "internationales Kompetenzzentrum für den Wiener Aktionismus" bezeichnet, blieb eine nachhaltige Positionierung für diese bedeutende Strömung aus Österreich aus. Der Grundstock war 2003 über einen umfangreichen Ankauf aus der Sammlung Friedrichshof unter Kraus’ Vorgänger Edelbert Köb gelegt worden. Obwohl dieser Bestand in den vergangenen Jahren wuchs, blieb die Anzahl damit bestückter Ausstellungen aber überschaubar.

Im März eröffnet nun das privat initiierte Wiener-Aktionismus-Museum in der Innenstadt. Konkurrent oder Partner? Man befände sich derzeit in Gesprächen. Wie eine "allfällige Kooperation aussehen" könnte, darüber möchte Kraus "derzeit noch keine Auskünfte geben". Als Chefkuratorin wird dort jedenfalls Eva Badura-Triska fungieren, die sich 2019 aus dem Mumok vorerst in den Ruhestand verabschiedet hatte. (Olga Kronsteiner, Katharina Rustler, 23.1.2024)