Richterhammer
Martin Puchers Anwalt bestätigte, dass er nicht zum Prozess erscheint (Symbolbild).
REUTERS/ANDREW KELLY

Im Sommer 2020 fiel, mit einem großen Wumms, im Burgenland die Commerzialbank Mattersburg in sich zusammen. Der Vorstand des bis dahin weithin unbekannten, kleinen Instituts hatte, wie sich später herausstellen sollte, jahrzehntelang Geschäft und Kunden erfunden, nach einer Whistleblower-Meldung drehte die Aufsichtsbehörde FMA die Bank zu. Bankchef Martin Pucher, bis dahin auch Präsident des Fußballklubs SV Mattersburg, und seine Vorstandskollegin Franziska Klikovits gestanden die Malversationen, die Bank ging mit Passiva von 800 Millionen Euro pleite.

Seither ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen fast 40 Beschuldigte, es geht unter anderem um Betrug, Untreue, Krida, Bilanzfälschung, Geldwäscherei, der Schaden liegt bei rund 600 Millionen Euro. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Video: Commerzialbank: Erster Prozess startet ohne Ex-Bankchef Pucher.
APA

Drei Schuldsprüche

Am Dienstag wurde in einem Seitenstrang zur Causa, in der dem langjährigen Bankmitarbeiter B. Erpressung (von Pucher) und Beihilfe zur Veruntreuung sowie Pucher und Klikovits Veruntreuung vorgeworfen wird, verhandelt und das Urteil verkündet: Pucher bekam elf Monate bedingt auf drei Jahre, Klikovits acht Monate bedingt auf drei Jahre und der Angeklagte B. 9.600 Euro Geldstrafe und 16 Monate Freiheitsstrafe, auch die auf drei Jahre bedingt. Freigesprochen wurde B. vom Vorwurf der Anstiftung zur Veruntreuung. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Die Richterin begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass es für Klikovits und Pucher keinen Grund gegeben habe, B. zu belasten. Dieser habe nicht ausreichend erklären können, woher das von ihm auf ein Konto eingezahlte Geld gekommen sei; da soll es sich um den erpressten Betrag handeln. Auch anderen Argumenten des Erstangeklagten konnte das Gericht nicht folgen.

Urteil gegen Pucher in Abwesenheit

Um neun Uhr hatte im Straflandesgericht Eisenstadt der erste Prozess gegen Pucher und Klikovits begonnen. Etliche Medienleute waren gekommen, Pucher hatte sich aber aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig entschuldigt und ein ärztliches Gutachten vorgelegt. Er stimmte schriftlich zu, dass das Gericht (zuständig war ein Schöffensenat) das Verfahren ohne seine Anwesenheit durchführen kann. Klikovits (ihr Anwalt Johann Pauer hat der Nennung ihres Namens zugestimmt, Anm.) war mit schwarzer Maske gekommen, die sie im Gerichtssaal freilich abnahm. Sie saß regungslos auf der Anklagebank und so, dass die langen Haare aus Sicht der zahlreichen Zuschauer ihr Gesicht verdeckten.

Auftaktprozess

In der Angelegenheit geht es um einen Seitenstrang der Causa Commerzialbank, um den Vorwurf der Erpressung und Veruntreuung. Ein langjähriger Bankmitarbeiter, eben Herr B., soll gemäß Vorwurf der WKStA Pucher erpresst haben und so zu 70.000 Euro gekommen sein. Klikovits soll das Geld organisiert haben, freilich aus der Kassa der Bank. Sie und Pucher haben ihre Geständnisse aufrechtgehalten, Pucher tat dies in einem Schreiben seines Anwalts, Norbert Wess. Er entschuldigte sich erneut für den Schaden, den er angerichtet habe.

Der Erstangeklagte B. bekannte sich auch vor Gericht als nicht schuldig. Mit ihm war der Bankvorstand wegen eines Urlaubs in Streit geraten, 2017 beendete man das Dienstverhältnis. Anlässlich der Gespräche über den Austritt von B. soll er Pucher informiert haben, dass er über dessen Malversationen Bescheid wisse und Aufzeichnungen dazu habe, Pucher müsse aufpassen, "dass er nicht bald im Gefängnis sitze", so der Vorwurf.

"Kein Rachefeldzug, Vorwürfe stimmen"

Und, so der Vorwurf zusammengefasst, in dem Konnex habe B. auf seine Abfertigung verwiesen und 70.000 bis 90.000 Euro mehr verlangt, damit er die Bank "in Ruhe" verlasse. Aus Angst aufzufliegen habe Pucher seine Kollegin beauftragt, das Geld aus dem "nicht realen Geldkreislauf" der Bank zu organisieren – was sie auch getan habe. Der Angeklagte B. weist das zurück.

Pucher wie Klikovits waren also geständig. Klikovits Anwalt Pauer sagte vor Gericht, die Vorwürfe der WKStA stimmten zu 100 Prozent, es handle sich da um "keinen Rachefeldzug und keine Verschwörung". Seine Mandantin sage die Wahrheit, sie wolle nun, nach 30 Jahren, einfach "nichts mehr verschleiern". Auf die Fragen der vorsitzenden Richterin sagte die Ex-Bankerin, die ihren Job bei Pucher mit 17 Jahren begonnen hatte, sie habe das Geld, das sie Pucher für B. organisieren sollte, abgehoben und Pucher in einem Kuvert übergeben. Dieser habe es dem heutigen Angeklagten übergeben, das habe Pucher ihr "zeitnah" erzählt. Damals, Ende 2017, habe sie "noch mit Pucher kommuniziert", das habe sich erst später geändert.

Waren Goldverkäufe Goldankäufe?

Bei der Befragung des Angeklagten B. mahnte die Richterin öfter sinngemäß ein, er solle beim Thema bleiben. B. schilderte, dass er sich von Pucher schon länger gemobbt gefühlt habe und deswegen auch in Behandlung gewesen sei. Er erklärte, wie es aus seiner Sicht zu den Abfertigungszahlungen in der Höhe von rund 200.000 Euro an ihn gekommen sei. Warum er sein Gehalt für eine Geschäftsführertätigkeit in einer Banktochter, die er ab 2000 ausübte, erst 2017 bei Pucher einforderte? Sein Bankjob und seine Tätigkeit im Fußballklub seien ihm wichtiger gewesen, "ich habe um Job und Frau und Familie und Bankgehalt Angst gehabt".

Die Bareinzahlungen, die die WKStA rund um die mutmaßliche Erpressung auf seinen Konten gefunden hat, habe er zum Teil aus Goldverkäufen lukriert, erklärte B. Auf die Frage der Richterin, warum die Rechnungen, die er dafür selbst als Beweismittel vorgelegt hat, dann auf Goldankäufe ausgestellt seien, meinte er, dass er dafür ja nichts könne. Es sei damals der richtige Zeitpunkt gewesen, Gold zu verkaufen, und ein wenig habe es sich dabei auch um eine "Trotzreaktion" gehandelt: Schließlich habe er etliche Goldmünzen auch von Pucher und der Bank bekommen. Zudem habe er damals Sparbücher aufgelöst, was die Richterin wunderte, habe doch die Commerzialbank Mattersburg die besten Zinskonditionen der Republik geboten.

"Nichts von Malversationen gewusst"

Seine Aussage in einer schriftlichen Stellungnahme an die WKStA, wonach ihn bei den Goldgeschäften ein Bekannter begleitet habe, nahm B. zurück, da handle es sich um ein "Missverständnis" seines Anwalts, wie er erklärte. Dieser, Babak Rousta, hatte in seinem Eingangsplädoyer einen Freispruch gefordert, "dieser Herr Pucher ist einfach ein Lügner", wie er sagte. Eine Darstellung, die B. teilt. Er schloss aus, dass er von Malversationen Puchers gewusst habe, auch mit Kollegen habe er nicht von solchen gesprochen. Fragen der WKStA beantwortete B. nicht, der Staatsanwalt fragte trotzdem. Die Richterin meinte daraufhin in Richtung von B.s Anwalt, sie werde diese Fragen nicht wiederholen, das sei wohl "unfair". "Na, das machen wir jetzt sicher nicht", replizierte Anwalt Rousta – und daher gab es keine Antworten.

Neun Zeuginnen und Zeugen haben dann am Dienstag noch ausgesagt, wesentliche Erkenntnisse waren daraus freilich nicht zu gewinnen. Lang diskutierte die Richterin mit B. über die diversen Einzahlungen auf seinen Konten, er habe damals auch Geld (jenes aus den Goldverkäufen und Extra-Bares) für seinen Vater angelegt, argumentierte der Angeklagte. Er als Sohn habe das gedurft. Darstellungen, denen der Schöffensenat letztlich nicht folgen sollte.

Gericht wies weitere Beweisanträge ab

Die weiteren Beweisanträge, die der Verteidiger von Herrn B. stellte und zu denen auch eine Ladung des Vaters von B. gehört hätte, wies der Schöffensenat ab. Der Oberstaatsanwalt von der WKStA sah in seinem Schlussplädoyer die Vorwürfe im Wesentlichen bestätigt. "Die Geschichte mit dem Gold" sei absolut unglaubwürdig; weder Pucher noch Klikovits hätte einen "besonderen Belastungswillen" gezeigt, sondern sachlich und nüchtern ausgesagt. Angeklagter B. habe Wissen über die Fake-Kredite erlangt, und das habe er genützt, um sich zu bereichern. Er beantragte einen Schuldspruch.

Der Verteidiger des Angeklagten B. sah dagegen keinen einzigen Beweis dafür, dass B. überhaupt etwas von den Fake-Krediten gewusst habe, wegen derer er Pucher laut Anklage erpresst haben soll. Die Darstellung Puchers, er habe B. Ende Dezember 2017 zur Geldübergabe ein zweites Mal im Café des SV Mattersburg getroffen, sah er als nicht erwiesen an, etwa weil das Café doch um diese Zeit des Jahres geschlossen habe. Pucher und Klikovits erwarteten sich einen Milderungsgrund aus ihrem Verhalten, so der Anwalt sinngemäß. "Nur Vermutungen werden für eine allfällige Verurteilung nicht ausreichen", meinte er und plädierte für einen Freispruch.

"Null Interesse, wen reinzutheatern"

Und Klikovits' Anwalt wiederholte im Schlussplädoyer, dass seine Mandantin keinen Grund habe, B. zu belasten und "null Interesse, irgendwen in irgendwas reinzutheatern". Die beiden Rechnungen für den Golddeal bewiesen, dass es sich um Goldankäufe von B. gehandelt habe und nicht um Verkäufe. Die Angeklagten schlossen sich den Ausführungen ihrer Verteidiger an – bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzog. Nicht viel später verkündete die Richterin die Urteile. B. erbat sich drei Tage Bedenkzeit, Anwalt Pauer gab für Klikovits einen Rechtsmittelverzicht ab, die WKStA gab keine Erklärung ab. Alle drei Schuldsprüche sind daher nicht rechtskräftig. (Renate Graber, 23.1.2024)