Brittany Howard veröffentlicht heute ihr neues Album
Brittany Howard veröffentlicht heute ihr neues Album "What Now". Eine tolle Arbeit unter dem Eindruck von Neuorientierung und Selbstfindung.
AP/George Walker IV

Wie Brittany Howard erging es vielen. Während der Pandemie verkroch sie sich in ihrem Haus in Nashville und dachte sich: "What now?" Nicht viele machten daraus einen Song, nur wenige einen so lässigen wie Howard: What Now – das Fragezeichen schenkte sie sich letztlich – war ein Vorbote des neuen Albums der US-Musikerin. Und wie viele bedeutende Lieder erzählt es eine persönliche und zugleich eine universelle Geschichte.

Die universelle dürfte mit der Pandemie und der Konfusion, die mit ihr einherging, hinlänglich erklärt sein. Zumindest diesseits von Schwurblistan. Die Persönliche ist, dass sich Howard 2019 von ihrer Frau getrennt hat, sich sammelte, in Therapie ging, versuchte, sich über wiederkehrende Muster in ihren Beziehungen Klarheit zu verschaffen.

Zum amourösen Ungemach gesellte sich ein zweiter Ausnahmezustand. Denn wie für alle Musikerinnen und Musiker gab es für Brittany Howard plötzlich keine Auftritte. Was jetzt? Neben ihrem Haus in Nashville richtete sie sich ein kleines Studio ein, jedes Mal, wenn ihrer Muse ein Kuss auskam, dackelte sie durch den Garten ins Studio und machte sich an die Arbeit, nicht wissend, wohin sie das bringen würde. Nach einigen Monaten war klar: "Hey, ich habe ein neues Album." Es heißt What Now und erscheint heute, Freitag.

Auf einem Auge blind

Brittany Howard hat eine erstaunliche Karriere hinter sich. Sie wurde 1988 in Alabama geboren und wuchs am Rande eines Schrottplatzes in einem Trailer auf. Als dort einmal der Blitz einschlug, brannte der Kobel ab, die Familie war kurz obdachlos. Ihre ältere Schwester starb an einer Augenkrebserkrankung, der Vater hat die Familie früh verlassen. Howard litt an derselben Krankheit und ist auf einem Auge blind.

Brittany Howard - What Now
BrittanyHowardVEVO

Zu Lebzeiten brachte ihr ihre Schwester Musik und die Dichtkunst nahe, Howard wurde Musikerin und war ab 2009 die Chefin der Alabama Shakes. Die Band debütierte 2012 – und hob bald ab. Das Mädchen vom Schrottplatz spielte vor den Obamas im Weißen Haus und auf großen Festivals – ein funky Amalgam aus Blues, Rock, Soul und eine Spur Country. Zehn Grammys später empfahl sich Howard. Sie fühlte sich ausgebrannt, musste sich sammeln und legte nach einer Phase der Selbstfindung die Band auf Eis. 2019 erschien ihr Solodebüt Jaime – eine Hommage an ihre verstorbene Schwester.

Das Album war musikalisch keine Neuerfindung, Howard sah keinen Grund, ihr ureigenstes Terrain zu verlassen, doch sie konnte nun alle Entscheidungen allein treffen, musste sich keiner Bandstruktur beugen. Das Album wurde ein Erfolg, 2021 erschien das zu vernachlässigende Remixwerk Jaime Reimagined. Immerhin veranschaulichten die Bearbeitungen von Leuten wie Michael Kiwanuka, Bon Iver oder Childish Gambino, wie angesagt Howard ist.

Prince winkt aus der Ferne

What Now geht weiter in die Details ihres bisherigen Schaffens. Ein Song wie I Don’t ist nahe am klassischen Soul gebaut, ohne dass es deshalb angejahrt klingen würde. Es ist nach einem eher als längliches Intro fungierenden Earth Sign der Eintritt ins Album. Das Titelstück ist eine Verbeugung vor Prince, der so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner im Haushalt der Howards war, auf den konnten sich immer alle einigen, er war Howard stets Inspiration.

Brittany Howard - Prove It To You (Lyric Video)
BrittanyHowardVEVO

Ihr Funk ist dennoch südstaatengeprägt, die Produktion zart patiniert, was dem Album in den ruhigeren Songs eine ebenso originäre Atmosphäre verpasst wie in den auf die Hüften zielenden Titeln. Gleichzeitig bilden die beschleunigten Songs ein neues Selbstbewusstsein Howards ab. Vielleicht ist es die Kraft, die einen beschleicht, wenn man etwas Schlimmes überwunden hat.

Another Day klingt diesbezüglich wie ein Statement, wieder winkt Prince aus der Distanz, Prove It To You biegt gar in den Club ab, während manche ruhigere Stücke eine charmante Skizzenhaftigkeit besitzen. In Summe ergibt das ein tolles Album, das nicht zuletzt darauf neugierig macht, wohin Howard als Nächstes abbiegen wird, künstlerisch betrachtet. Dass sie sich auf einer Tour nach Österreich verirrt, zeichnet sich eher nicht ab. (Karl Fluch, 9.2.2024)