Endless Wellness
Sänger Philipp Auer (links) und Endless Wellness aus Salzburg haben ihre Lektion aus der Musikgeschichte gelernt: Liebe ist besser als Perfektion.
Rea von Vic

Als erlebnisorientierter junger Mensch war es lange Zeit nicht unbedingt die erste Wahl, eine Band zu gründen, in muffigen Kleinbussen durch die Lande zu fahren und auf der Gitarre mit dem Schlagblatt Töne in den Verstärker statt mit dem Messer den Spätzleteig ins Kochwasser zu schaben. Möglicherweise musste man mit einer Mixing-Desk-App auf dem Laptop als DJ auch nicht so viel üben und hatte Vielfliegerbonus statt Autobahntankstellendepression. Und die Gagen, die Drogen und das Publikum in den Clubs wirkten fast eine ganze Generationenspanne lang von den 1990er-Jahren herauf schöner und zeitgenössischer als die Leute draußen auf irgendwelchen dem Wetter und dem Tageslicht ausgesetzten Wald- und Wiesenfestivals in der Pampa.

Tocotronic, aber später

Allerdings hat sich das mittlerweile geändert. Neben jungen heimischen Bands, die sich Leber, Bipolar Feminin oder The Leftovers nennen und so tun, als gäbe es stilistisch kein Gestern, gehen nun auch Endless Wellness als Band und nicht als DJ-Kollektiv an den Start. Das ist abwechslungsreicher, und später kann man über dieses soziale Experiment dann einmal lachen, wenn man sich alte Fotos aus den Backstagebereichen anschaut.

Endless Wellness

Das Debütalbum von Endless Wellness nennt sich Was für ein Glück. Es entfaltet seine ganze Pracht in der österreichischen Doppeldeutigkeit dieser Aussage. Zwischen Glücksbärchi-Seligkeit und dem Gefühl, dass alles gerade noch einmal gutgegangen ist, spannt sich der Bogen, den das Quartett beackert, beschrammelt und beschabt. Klassischer Indierock mit deutschen Texten aus den frühen 1990er-Jahren ist angesagt. Endless Wellness sagen selbst, sehr schön und treffend, "Tocotronic, aber später" dazu. Und tatsächlich, es hoppertatscht mitunter recht ordentlich bei den vier aus Salzburg kommenden Musikerinnen und Musikern. Sie kennen sich schon aus einer der dortigen Sandkisten, haben aber damals nur miteinander Kuchen gebacken oder sich gegenseitig Sand in die T-Shirts gestopft. Erst nach dem Umzug nach Wien begann man, miteinander Musik zu machen.

Dazu muss man eine praxisgetestete Tatsache anführen: Vom übertriebenen Üben im Proberaum wird man höchstens gut im Üben, nicht aber in seiner Kunstausübung. Ein künstlerisches Alleinstellungsmerkmal entsteht ja nicht durch Perfektion, sondern durch Originalität, Fehler oder spieltechnische Limitierungen. Möglicherweise fällt man mit übertriebener Kunstfertigkeit an seinem Instrument auch noch den Kollegen und Kolleginnen in den Rücken. Das wird auf die Dauer nicht gutgehen.

In Hab nicht so heißt es: "Hab nicht so einen Hass auf dich / Deine Wünsche, die kommen nicht auf an Schlag / Und es is nix so wichtig, wie’s dein Hirn dir manchmal sagt / Und wennst schlafen magst, ja, dann schlaf den ganzen Tag." Don’t feed the monkey in your brain.

Endless Wellness

Dazu tuckert gemütlich das Rhythmusprogramm einer antiken Heimorgel. Eine greinende Hawaiigitarre taucht durch eine dicke Schicht Watte in den Ohren. Im Mittelteil wird es dann progrockig pompös wie früher bei Queen oder den Sparks. Allerdings sägt die verzerrte Leadgitarre dann doch dazwischen, als würde das Instrument mit eingefatschten Händen und nicht von einer sich selbst verwirklichenden Solierkunst-Person gespielt werden. Der mit heller, junger Stimme praktizierende Sänger Philipp Auer hält sich beim Vortrag des zitierten Songs keinesfalls zurück. Er überschlägt sich fast vor Freude über so viel guten Rat.

Galliger Humor

Philipp Auer, Adele Ischia, Milena Klien und dem früher bei den erfolgreichen Popmelancholikern Oehl beschäftigten (und schwer unter Probenverdacht stehenden) Multiinstrumentalisten Hjörtur Hjörleifsson gelingt es mit wechselnden Leuten an der Schießbude - und trotz aller mitunter auftauchenden Verlorenheit und Traurigkeit - einer wieder einmal letzten Generation, so etwas wie galligen Humor zu verbreiten. Im Song Danke für Alles etwa werden alte NDW-Helden wie Grauzone oder Nena zitiert. Dazu heißt es: "Ich möchte kein Eisbär sein, ich möchte eine Zukunft." Und: "Das Jammern überlassen wir den Alten." In Hand im Gesicht singt Auer: "An manchen Tagen will ich sterben / Und an anderen lieber nicht." So soll es sein. Tapfer bleiben! (Christian Schachinger, 26.1.2024)

Livetermine von Endless Wellness finden Sie hier