Alfred Komarek
Alfred Komarek, hier aufgenommen im September 2015.
Heribert Corn

Ab 1998 musste man im Weinviertel aufpassen, es hätte ja sein können, dass einem der Gendarm Simon Polt begegnet. Es hätte die allermeisten aber wohl gefreut, denn grüblerisch und mit einem feinen Gespür für Menschen ebenso wie mit einem für die Berufsausübung glücklich gefügten Gerechtigkeitssinn und einer - ihr etwas entgegenstehenden - Abneigung zum Schießen ausgestattet, hatte sich die Figur von Alfred Komareks Krimireihe beim Publikum schnellstens beliebt gemacht. Auf den ersten Teil "Polt muss weinen" folgten bis 2015 nicht umsonst sechs weitere Bücher mit dem Ermittlernamen im Titel. Fast alle wurden vom ORF mit Erwin Steinhauer in der Hauptrolle verfilmt.

Und das war nur ein Bruchteil der Bücher, die Komarek weltberühmt in Österreich machten. Mit 78 Jahren ist der Autor am Samstag in Wien, wo er neben Bad Aussee und einem alten Presshaus im Pulkautal im Weinviertel wohnte, verstorben. Eine andere Romanreihe (2014–2020) widmete er dem entlassenen Chefredakteur Daniel Käfer, der sich auf seine Salzkammerguter Kindheit besinnt. Gespielt wurde der in zwei Verfilmungen übrigens von Peter Simonischek. Publikumslieblinge unter sich, kann man da nur sagen.

Sachbücher und Mülleimer

1945 in Bad Aussee geboren, hatte Komarek nach einem Jusstudium aus Geldnot für Zeitungen sowie fürs heimische und deutsche Radio („Melodie exklusiv“) zu schreiben begonnen: Glossen, Reportagen, Hörspiele, Feuilletons.

Auch Sachbücher übers Wald- und Weinviertel, das Ötztal oder die Wachau verfasste er später neben seinen Krimis und Erzählbänden, ebenso Kinderbücher. Rund 80 Titel umfasst Komareks Schaffen. "Alfred", eines seiner letzten Bücher, erzählte 2019 von einem Mistkübel in Wien auf Sinnsuche.

Fan sympathischer Enten

In einem STANDARD-Interview im Jahr 2015 sagte der bekennende Donald-Duck-Fan einmal, was er in seinem quasi heiligen Ort im Pulkautal, im Weinkeller, gut versteckt aufbewahrt hat: einen Donald-Ententotenkopf aus Keramik: "Der Keller ist ein sehr weihevoller Raum, eine weitverzweigte Lösshöhle, in der es absolut still ist, und in der ich der Einkehr und Kontemplation fröne. Weit hinten liegt der Schädel, in einer verschatteten Nische mit einer kleinen Kerze davor."

Stilgemäß war Komarek 2CV-Fahrer, dazu sagte er: "Der 2CV war und ist das einzige Auto mit einer eingebauten fröhlichen Naivität. Man saß drin und fühlte sich wohl. Ich habe nie einen unsympathischen oder aggressiven Enten-Fahrer getroffen."

Das Schwierigste ist der Anfang

Über die "Knochenarbeit" Schreiben verriet Komarek damals im Gespräch mit STANDARD-Redakteurin Renate Graber, die ihn fragte, was das Schwierigste sei, der Anfang oder das Ende eines Romans: "Der Anfang, denn das Ende weiß ich, und das habe ich meist auch schon formuliert. Ich weiß nur den Weg dorthin nicht, inklusive den ersten Satz. An dem sitze ich oft drei, vier Wochen lang. Ich komponiere meine Geschichten nämlich, muss die Ouvertüre und die ersten paar Töne haben, erst wenn ich die Sprachmelodie einmal kenne, komme ich weiter."

Nun ist die von Alfred Komarek angestimmte Melodie verklungen, kein letzter und kein erster Satz mehr von ihm. Seine Bücher bleiben. So wie er selbst geantwortet hat auf die Frage, woran er – gläubig, aber nicht katholisch – glaube, neben den Menschen, denen er begegnet sei und seinen guten wie schlechten Taten, meinte er damals: "Man kann Energie nicht umbringen, also dauert alles fort. Ich dauere also durch meine Bücher." Und auf die letzte Frage, worum es im Leben gehe, sagte Alfred Komarek: "Ein Leben zu leben, das einem gehört und das etwas macht aus einem. Und darum, dass man etwas zurücklässt auf der Welt."

Mit seinen Figuren hatte Komarek vieles gemein. "Tolerant zu sein ist für Polt wie für mich eine Möglichkeit, einigermaßen mit der Welt und den Menschen zurechtzukommen", sagte er einmal. Als "Menschenfreund" - wie seinen Polt - würdigten ihn am Samstag auch Autorenkollegen. (nim, wurm, 27.1.2024)