Philharmoniker
Joana Mallwitz wieder einmal in Salzburg.
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Das Spannende an den Interpretationen von Mozarts "Jenamy"-Konzert wie Schuberts Achter war, dass die Philharmoniker mit Dirigentin Joanna Mallwitz einen überrumpelnd genialischen Zugriff mit schärfster Analyse verbunden haben. Mallwitz hat in jedem Moment das große Ganze in Blick und Griff. Sie blickt dem Aufblühen oder auch der Attacke jedes einzelnen Soloeinsatzes – sei es der Orchestermusiker oder des Solisten – schon von weitem entgegen. Speichert auf dem Weg alle Energie der Mitstreiter und lässt dann die Klarinettenlinie oder den Posaunenton gleichsam explodieren. Ob nach "innen" pianissimo oder nach "außen" fortissimo: Die Energie zündet auf gleichem Level.

Revolutionäres Werk

Spannenderweise wurden durch diesen Zugriff die beiden Werke, die immerhin gut fünfzig Jahre trennen, zu Geschwistern im Geiste. Igor Levit als Solist im Klavierkonzert Es-Dur KV 271, dem "Jenamy"-Konzert! Das ist jenes ohnehin revolutionäre Werk aus dem Jahr 1777, in dem Mozart sich "frei" schrieb und, nicht nur im Kopfsatz, die Konventionen der Gattung Klavierkonzert auf den Kopf stellte wie erst Beethoven wieder.

Es wurde in der Lesart von Igor Levit zu einem Psychogramm romantischer, geradezu moderner Zerrissenheit. Auf einem Level von klanglichem Facettenreichtum und technischer Brillanz freilich, auf dem nur wenige Künstler sich zu bewegen und zu halten wissen. Das gilt für das rezitativische Andantino (Mozarts ersten Moll-Mittelsatz), aber auch für das virtuose Rondo, das sich mit seinem delikaten Menuett mitten im Trubel selber zu beruhigen scheint.

Abgründigkeit mit Levit und Mallwitz

Wäre das Wort "mozartisch" nicht leider heillos kitschbehaftet, wär es hier anzuwenden. Auf den Solopart wie auf die Gesamtwiedergabe: Joana Mallwitz und die Wiener Philharmoniker verliehen zusammen mit Igor Levit dem Klavierkonzert die Abgründigkeit des Don Giovanni und die Lieblichkeit des Veilchens, die ja trotz Größenunterschied beide nicht ganz eindimensional sind.

Wie die Dirigentin den Passagen des Solisten lauschte, um diese im Wortsinn "aufzugreifen" und an die Orchestermusiker weiterzugeben, wie Levit eine Linie in den Raum stellt um sie seinerseits Mallwitz in die Hand zu geben: Das war im Großformat kammermusikalisches Musizieren in Reinkultur.

Und all das gilt nun, anzuwenden freilich auf deutlich größeres Material, auch für die Interpretation von Franz Schuberts Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944, die "Große". Herausgegriffen sei einzig die Generalpause im zweiten Satz, dem Andante. Da türmen Schubert und die jeweiligen Interpreten das Themenmaterial zu gigantischen Formationen und lassen es in den Abgrund stürzen.

Davon wird man jedesmal kalt erwischt. Aber erst in der Interpretation von Joana Mallwitz übertönte die Stille aus dem Abgrund jedes Fortissimo ... Eine grandiose Dirigentin. Ein überwältigendes Konzert. (Heidemarie Klabacher, 28.1.2024)