Wir sind älter geworden, und viele von uns haben mittlerweile auf die Kinder von Facebook gewechselt, beispielsweise Instagram.
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Unpassende Werbung, ein "Deine Erinnerungen an Facebook"-Posting mit einem neun Jahre alten Foto und vereinzelte Beiträge entfernter Freunde. So sieht aktuell und auch schon die letzten Jahre meine Facebook-Timeline aus. Ich pflege sie auch nicht mehr, weil ich fast gänzlich abgewandert bin. Nur gelegentlich werfe ich noch einen Blick auf das alte Tagebuch, das mich so viele Jahre begleitet hat.

Es muss 2007 oder so gewesen sein, als ich mich wegen eines befreundeten US-Journalisten auf dem sozialen Netzwerk anmelde. "So können wir Kontakt halten," hieß es damals. Tatsächlich sah ich dann Fotos von ihm vor der Golden Gate Bridge, aber warum ich wirklich auf Facebook war, wusste ich nicht. So spannend kam mir mein Leben nicht vor, um es im Internet teilen zu müssen. Es war eine andere Zeit.

Über die Jahre kamen allerdings immer mehr Menschen aus meinem Umfeld auf die massiv wachsende Plattform. Fotoalben wurden angelegt, Partys organisiert und natürlich wurde gelikt wie nie zuvor. Vor allem spektakuläre Pressereisen, die es damals in der Games-Branche zuhauf gab, nutzte ich, um mein Profil spannender zu gestalten. Aus meiner "World of Warcraft"-Zeit finden sich auch ein paar Screenshots oder auch so geistreiche Postings wie: "Heute geht's mir prima." Man hatte das Gefühl, sich zeigen zu müssen. Eine Krankheit, die uns bis heute geblieben ist, wenn auch nicht gezwungenermaßen auf Facebook.

Jubiläum

In diesem Jahr feiert die Plattform von Mark Zuckerberg, der Facebook am 4. Februar 2004 gründete, ihren 20. Geburtstag. Das Projekt des damals 19-jährigen Informatik- und Psychologiestudenten an der Harvard-Universität hieß zu diesem Zeitpunkt noch "thefacebook" und sollte ein Onlineverzeichnis aller Studierenden mit Foto und ein paar persönlichen Informationen sein. Der Rest ist Geschichte. Alle paar Jahre wurden Bestmarken in Sachen Nutzerzahlen und "Engagement" verkündet. Dazwischen Datenschutzskandale, Veränderungen im Algorithmus und schwächelndes Interesse der ehemaligen Stamm-User.

Seit 2016 findet man Artikel, die die Frage stellen, wer eigentlich noch auf Facebook ist, aber sieht man sich die Zahlen von Zuckerbergs Social-Media-Plattform an, ist der Untergang in weiter Ferne. Klar, die ganz Jungen sind auf Tiktok, Youtube und Instagram, aber schon die 30-plus-Jährigen bleiben laut aktuellen Statistiken weiterhin auf der Plattform, um über ihr Leben zu berichten. Was hält die Menschen bei Facebook, und wann wird es vielleicht doch endgültig abgelöst?

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Erinnerungen an aktivere Zeiten auf der Plattform.
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Jugend ist raus

"Nutzen Sie Facebook noch?" wurde auch beim STANDARD bereits gefragt. Im Februar 2023 beteiligten sich über 1.100 Leute daran, und 59 Prozent davon gaben an, Facebook den Rücken gekehrt zu haben. "Facebook macht depressiv", ist da zu lesen. Dort seien nur noch "FPÖ-Trolle und Putin-Fanboys" schreibt ein anderer User. So mancher Nutzer schreibt, er habe es früher auch zum Kontakthalten mit Familie und Freunden genutzt, aber durch die viele Werbung für Fake-Shops und andere "Betrügereien" habe er das Interesse verloren. Als Pro-Argumente finden sich vor allem "Events", das Folgen von "Interessengruppen" und die Möglichkeit, Leuten zum Geburtstag zu gratulieren. Auch Firmen wird weiterhin gefolgt, um deren Neuigkeiten aus erster Hand zu erfahren.

2,989 Milliarden monatlich aktive Nutzer vermeldete Facebook im April 2023. Ein Plus von zwei Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2022. Nun könnte man meinen, dass zumindest in Europa der Hype vorbei ist und andere Länder oder Kontinente für das Wachstum verantwortlich sind. Mitnichten. Laut Facebook-Nutzer-Statistiken waren in allen Regionen der Welt steigende Nutzerzahlen zu verbuchen.

Bei den täglich aktiven Nutzern sieht es nicht viel anders aus. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen kann hier aber in jedem Fall erwähnt werden, dass auch hier vom erstem Quartal 2022 und erstem Quartal 2023 ein Anstieg zu verzeichnen war. Mit einem Plus von vier Prozent sogar höher als das der monatlich aktiven Nutzer. Was Facebook nur klein druckt, ist die tägliche Nutzungszeit, die mit 34 Minuten sicher weit geringer ist als noch vor beispielsweise zehn Jahren.

Jugend Internet Monitor 2023
Bei den Jungen spielen andere Plattformen eine Rolle, also bleiben die "Alten" Facebook auch jetzt noch treu.
Saferinternet.at

Selbstaufgabe der Privatsphäre

Im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken hat Facebook sehr von der Privatheit gelebt. Man teilte persönliche Gedanken und Fotos mit einem engen Kreis an Vertrauten. Die 15 engen Freunde, mit denen man laut dem Psychologen Robin Dunbar fähig ist, Beziehungen aufrechtzuerhalten, waren allerdings schnell überschritten. Nach jeder Party oder jedem Jobwechsel wurden neue Menschen zu "Freunden". Irgendwann verlor man den Überblick. Wer ist die Frau in meiner Timeline? Eine kurze Bekanntschaft? Eine Arbeitskollegin von meinem Ex-Ex-Arbeitgeber, die ich mal auf dem Gang getroffen habe?

Die Gesprächskultur war dennoch meist freundlich, zumindest, wenn man bei den eigenen Kontakten blieb. In Fan- oder Interessengruppen auf der Plattform wurde der Ton über die Zeit allerdings rauer, obwohl die meisten Nutzer mit Klarnamen vertreten waren. Beruflich hatte ich zum damaligen Zeitpunkt mit Facebook-Marketing zu tun, buchte gesponserte Postings und sah, wie Beiträge ohne den Einwurf von Geld langsam, aber sicher aus den Timelines verschwanden. Facebook hat sich zu einem Bezahlmedium entwickelt. Immer mehr Firmen schalteten und merkten, dass der Gelddurst der Plattform immer stärker wurde, um gesehen zu werden.

Egal ob als Privatperson oder auch als Firma musste man aktiv sein, Engagement erzeugen, sonst ignorierte der Algorithmus die Versuche bei anderen Menschen aufzutauchen. Um Videos zu pushen wurden diese auf einmal bevorzugt angezeigt, mussten dann aber in Hochformat sein und eine bestimmte Länge bieten. Bei all dem ging es um den immer größer werdenden Werbemarkt, den Mark Zuckerberg für seine Plattform erkannte und nutzte. Dank der Selbstaufgabe der Privatsphäre wusste Facebook sehr viel über seine Nutzerinnen und Nutzer, was das "Microtargeting" für Firmen so einfach machte.

Vorwürfe und Fake News

Tja, und dann kamen Politiker wie Donald Trump und andere reichweitenstarke Menschen auf die Plattform und sprachen plötzlich direkt mit ihren "Fans". Keine Zeitung mehr, die dazwischengeschaltet war, keine unnötigen Fragen von Journalisten. Man konnte sich in seiner Bubble mit Gleichgesinnten austauschen. Andersdenkende wurden aus der Freundesliste entfernt. Besonders Politik wurde zu einem wichtigen Treiber für Zuckerberg, der Tages- und Wochenzeitungen das Leben auf der Plattform immer schwieriger machte – sie ausblendete. Einen der größten Skandale hatte die Plattform 2018, nachdem die Analysefirma Cambridge Analytica Nutzerdaten von Facebook für zielgerichtete Inhalte nutzte, um Millionen von Menschen in ihrem Wahlverhalten zu beeinflussen.

Trump/Facebook
34 Millionen Follower hat Trump auf Facebook. Seinen Account befüllt er täglich mit Updates zu seinem Wahlkampf.
Trump/Facebook

Es folgten Fake News, zuletzt vor allem im Zusammenhang mit zwei massiven Kriegen, und der Vorwurf, Meta würde zu wenig dagegen tun. Aufschreie auf der ganzen Welt waren zu hören, jedoch wurden damit zusammenhängende Strafen mit dem nötigen Kleingeld aus der Welt geschafft. Auch diverse Monopolvorwürfe, nachdem Zuckerberg die größer werdenden Sammelplätze Instagram und Whatsapp in seine neue Firma Meta integrierte, wurden mal lauter und dann wieder leiser. Zuletzt musste sich Zuckerberg vor dem US-Senat rechtfertigen. Die Anhörung konfrontierte den Facebook-Gründer mit den Vorwürfen, dass Kinder durch die Nutzung von Online-Plattformen seines Konzerns massiv zu Schaden kommen. "Herr Zuckerberg, Sie und die Unternehmen vor uns – ich weiß, dass Sie es nicht so meinen, aber Sie haben Blut an Ihren Händen", sagte der republikanische Senator Lindsey Graham und bezog sich dabei auf den Meta-CEO. "Sie haben ein Produkt, das Menschen tötet."

Hass im Netz ist ein allgemeines Problem, verteilt über alle Online-Plattformen und sozialen Netzwerken. Facebook ist allerdings eines der größten und damit verbunden ist eine gewisse Verantwortung. Cybermobbing, vor allem im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen, ist seit vielen Jahren ein Thema, auch auf Facebook. Getan wird wenig, auch wenn Regierungen zunehmende Richtlinien umsetzen wollen, um die großen Konzerne hinter den Plattformen zu mehr Verantwortung zu zwingen.

Alte Erinnerungen

Wenn ich heute auf meine Timeline schaue, dann posten die selben Leute wie vor zehn oder 15 Jahren Urlaubsfotos, teilen berufliche Erfolge oder gratulieren sich gegenseitig zum Geburtstag. Manche davon schreiben sogar noch Privatnachrichten, offenbar davon ausgehend, dass ich ebenfalls noch regelmäßig mitlese. Natürlich sind auch diese Menschen mittlerweile auch auf Instagram, X oder Tiktok. Aber offenbar fällt es vielen schwer loszulassen. Sei es wegen der alten Erinnerungen oder neu verteilter Likes.

Facebook-Chef Zuckerberg hat sich hingegen mittlerweile einen Bunker gebaut. Zumindest einer schätzt seine Privatsphäre weiterhin sehr. (Alexander Amon, 10.2.2024)