Bild einer traditionellen Familie.
Bild einer traditionellen Familie mit Fehler: Eine Tradwife auf Instagram wüsste wahrscheinlich, dass das Tranchieren des Vogels die Aufgabe des Hausherrn ist.
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Man kann das frisch gebackene Brot förmlich riechen, derart perfekt ist es in der Instagram-Story in Szene gesetzt. Der Weg zum selbstgemachten Brot wurde immer wieder mit "geht ganz schnell" oder "total einfach" kommentiert. Die Küche ist schon wieder in bester Ordnung, ebenso die Laune der backenden Mama, und die Familie macht sich am Tisch zwischen selbstgepflückten Wiesenblumen, naturfarbenen Leinenservietten und Keramikbechern in Natur über das Backwerk her.

Neidisch, weil man das selbst auch gern so hinbekommen würde? Oder wütend ob dieser Zelebrierung von unbezahlter Arbeit, die Frauen bis heute ökonomisch schlechter dastehen lässt als Männer?

Vor einigen Jahren tauchte erstmals der Begriff "Tradwife" auf. Gemeint waren damals Frauen, die auf diversen digitalen Plattformen in 1950er-Jahre-Ästehtik inklusive Petticoats, Schürze und High Heels einem traditionellen Frauenbild frönten. Die gibt es noch immer, doch inzwischen haben sich die Darstellungen traditioneller Weiblichkeit im Netz vervielfältigt, und es gibt feine Unterschiede zwischen "Tradwifes" und "Tradwives".

So arbeiten sich manche Accounts, zum Beispiel jener von Carolina Tolstik auf Tiktok und Instagram, zwar auch holzhammerartig an der Selbstbezeichnung "traditionelle Frau" ab.

Sie zeigen sich backend, kochend, schminkend und als jene bessere Hälfe, die sich um "den Rest" kümmert, während ihr Mann für die Finanzen zuständig ist. Doch Bilder traditioneller Weiblichkeit werden auch von fortschrittlicher aussehenden Accounts beworben. Sie jonglieren einerseits mit einem Hauch von politischen Botschaften zu Selbstbestimmung, Nachhaltigkeit, Bio oder Naturverbundenheit, andererseits geht es letztlich aber doch zentral um die Optimierung und Erweiterung von Familienarbeit durch Frauen.

Susanne Kaiser hat im vergangenen Jahr das Buch "Backlash" veröffentlich, in dem sie das Verhältnis zwischen den vielen feministischen Fortschritten und einem neuen Konservatismus sowie neue Formen von Gewalt gegen Frauen analysiert. Sie hält diese digitale Hingabe zur einer geschlechterpolitischen Vergangenheit für wenig glaubwürdig oder gar authentisch, was immerhin zu einer besonders wichtigen Währungen auf Instagram gehört. Die Frauen in Tradwife-Accounts würden nur den Eindruck vermitteln, dass sie sich in die Vergangenheit katapultieren wollen, "in Wirklichkeit handelt es sich dabei um sehr reichweitenstarke Influencerinnen, die sichtbar, erfolgreich, selbstbestimmt agieren", sagt Kaiser. Und damit handeln sie genau so, wie es in der Vergangenheit für Frauen gar nicht möglich gewesen wäre.

Bio und selbstbestimmt

Tatsächlich stehen hinter manchen Accounts richtige Unternehmen, mit dem inszenierten Status "Hausfrau only" ist es nicht weit her. Zum Beispiel beim enorm erfolgreichen Account "Ballerina Farm" auf Instagram (fast neun Millionen Follower) und Tiktok (rund sieben Millionen Follower). Er zeigt das Leben der achtfachen Mutter Hannah Neeleman.

Hinter "Ballerina Farm" steht mitnichten nur diese eine Frau, die in ihrer Küche spontan die Handykamera aufstellt, wenn sie bäckt, sondern ein ganzes Team und Unternehmen, das zahlreiche Produkte vertreibt. Finanziell wären das viele Selbstbacken und die Landwirtschaft – Neelemann und ihre Mann bezeichnen sich auch als Farmer – sowieso überflüssig. Schwiegervater und Millionär David Neeleman gründete gleich mehrere Airlines.

Reine Geschäftstüchtigkeit und berechnetes Schauspiel? Obwohl Kritiker:innen von Hannah Neeleman im Netz immer wieder betonen, man dürfe nicht annehmen, die dargestellte Frau auf "Ballerina Farm" sei auch nur im Geringsten echt, und dass User:innen in Wahrheit keine Ahnung hätten, wer Hannah Neeleman wirklich sei – auch wenn man auf Instagram quasi mit ihr mitleben kann.

Dennoch: Die sieben Kinder hat Neeleman ja tatsächlich bekommen, und womöglich steckt bei "Ballerina Farm" auch ein Stück weit Religiosität dahinter: Die Familienmitglieder sind Mormonen. Somit könnte Hannah Neeleman tatsächlich daran glauben, dass ihr Leben das einzig wahre ist und keine Gefahr besteht, irgendwann ohne finanzielle Mittel dazustehen, weil sie nach einer Scheidung kein Geld von ihrem Ex-Partner und dessen Familie mehr bekommt.

Sie können jederzeit hinschmeißen, dank Feminismus

Auch wenn diese Wendung im echten Leben oft passiert, in konservativen Insta-Erzählungen hat sie keinen Platz. Doch das ändert nichts daran, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem Frauen ihr Leben auch wieder ändern können, wenn sie das wollen.

"Diese Influencerinnen leben einen Widerspruch“, meint Kaiser. Sie würden zwar einen extrem konservativen Lebensentwurf propagieren, der für sie selbst aber nur als eine Art Cosplay funktionieren kann. Denn letztlich würden auch diese Frauen auf den heimlichen Konsens vertrauen, dass sie jederzeit hinschmeißen, sich jederzeit anders entscheiden, jederzeit ihren Mann einfach verlassen und ein anderes Leben beginnen könnten, "dank der Rechte, die der Feminismus für sie erkämpft hat".

Ein Stück weit könnte der Erfolg und die Faszination für diese ultrakonservativen Leben womöglich auch in diesem Widerspruch begründet liegen; es ist ein "So tun als ob", ein Spielen von Familie, wie es das im wahren Leben gar nicht geben kann.

Die Influencerinnen würden damit eine Nische besetzen, die ihnen persönlichen Erfolg garantiert, sagt Kaiser. Aber Frauen schaden sie damit strukturell.

Den egal, ob eine innige Überzeugung vom Patriarchat dahintersteht oder eine kühle Kalkulation, dass etwa die Selbstinszenierung beim Backen viele gewinnbringende Kooperation mit Bio-Lebensmittelmarken einbringt – das Ergebnis kann dasselbe sein. "Die Verbindung von Frauen mit Natur und Aufgaben im eigenen Heim entspricht dem biologistischen Rollenbild in rechten Ideologien", sagt Kaiser. Demnach seien Männer und Frauen wegen ihres Geschlechts von Natur aus unterschiedlich, biologische Merkmale entsprächen persönlichen Eigenschaften. Kaiser: "Das Praktische am biologistischen Geschlechterbild: Frauen werden nicht von Männern unterdrückt, sondern von der Natur – die Hierarchie ist naturgegeben."

Es ist also kein Zufall, dass rechte Ideologien einen Mutterkult pflegen mit der alten Idee, dass Frauen durch das Kinderkriegen der Natur und dem Heim nahestehen. Und Abermillionen schauen dabei in Form einer aufgehübschten Social-Media-Version von Mutterkult und traditioneller Weiblichkeit zu. Einer, die ohne ökonomische Folgen für Frauen mit der Isolation von völlig anderen Aspekten des Lebens auskommt – und deshalb derart harmlos aussehen kann. (Beate Hausbichler, 30.1.2024)