Turnierdirektor Herwig Straka wünscht sich deutlich mehr Zusammenarbeit im Profitennis.
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Der Elitegedanke hat im Sport Hochkonjunktur. Im Fußball erhitzt die Super League die Gemüter. Im Tennis geisterte zuletzt die Idee einer Premium Tour herum. Es wird spekuliert, dass sich die Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York mit den neun Masters-1000-Turnieren zu einer eigenen Elitetour zusammenschließen könnten. Für Herwig Straka wäre das allerdings "keine gute Idee". Der Turnierdirektor der Erste Bank Open in Wien sagt dem STANDARD: "Ich hoffe und glaube, dass das nicht umgesetzt wird."

Craig Tiley, der Chef des australischen Tennisverbands und der Australian Open, sagte zuletzt: "Die Premium Tour für die Zukunft des Sports liegt schon seit ein paar Jahren auf dem Tisch." Dass man nun offener darauf blicke, sei spannend. Diese Vision würde aber noch viel Arbeit und damit Zeit erfordern. Details, wie diese ausgestaltet sein könnte, nannte er nicht.

Taylor Fritz, die Nummer zwölf der Weltrangliste, hat mehr Vorstellungskraft: Die besten 100 bis 120 Spieler könnten wie auf der PGA Tour im Golf "eine Tourkarte bekommen. Und am Ende des Jahres steigen ein paar Leute ab und ein paar auf", schrieb der US-Amerikaner auf X, vormals Twitter. Eine komprimierte Tour wäre auch für Fans übersichtlicher.

Zweite Liga

Offen ist, was das für die 250er- und 500er-Turniere bedeuten könnte. Die Zahl gibt an, wie viele Weltranglistenpunkte der Turniersieger erhält. The Athletic berichtete, dass die Events unterhalb der Premium Tour eine Development-Tour bilden könnten, eine Art zweite Liga.

Für Straka sind all die Spekulationen "nicht gut durchdacht". Einerseits lebe Tennis ja gerade davon, dass ein Qualifikant auch einmal einen Top-Ten-Spieler schlägt. Eine geschlossene Gesellschaft würde das erschweren. Andererseits wäre die Premium Tour "natürlich auch schlecht" für die 250er und 500er.

ATP und WTA, die Tennis-Profi-Vereinigungen der Männer und Frauen, sind zuständig für die 250er, 500er und 1000er. Darüber thronen die Grand Slams, die prestigeträchtigsten und lukrativsten Events. Sie agieren eigenständiger. Straka sitzt im Board of Directors der ATP. "Die 1000er sind unsere Benchmark-Events. Wenn sie mit den Grand Slams zusammengehen würden, müssen sie aus der ATP rausbrechen. Das würde das ganze System kippen. Das wäre der Tod für den Tennissport."

Wie so eine Revolution aussehen könnte, hat Golf erfahren. Die Saudis riefen mit der LIV-Tour eine eigene Serie mit unverschämt hohen Preisgeldern aus, die der prestigeträchtigen PGA-Tour stark zusetzte. Die Golfwelt spaltete sich. Die ATP hat ein anderes Ziel: One Vision. "Unser Konzept ist ganz klar", sagt Straka. "Wir wollen, dass Damen und Herren gemeinsam mit den Grand Slams an einem Strang ziehen." Bisher sei der Sport zu fragmentiert. "Die Interessen sind unterschiedlich."

Straka plädiert für engere Zusammenarbeit. Frauen und Männer sollen mehr gemeinsame Turniere bekommen. "Das ist eine Stärke des Tennis", sagt der Steirer. Das gebe es kaum in anderen Sportarten. Eine Zentralisierung der Medienrechte hielte Straka auch für vorteilhaft. "Zurzeit ist das zu kompliziert. Wenn der Konsument erst suchen muss, auf welchem Sender er ein Turnier anschauen kann, ist er schon weg."

Alte Idee

Straka ist nicht überrascht, dass die Premium Tour zuletzt wieder vermehrt medial diskutiert wurde. "Ich bin seit 30 Jahren im Tennis. Die Idee kommt alle fünf bis zehn Jahre", sagt Straka. "Es gibt zurzeit einige Variablen auf der Tour, deswegen herrscht eine gewisse Unruhe."

Ein Beispiel: Saudi-Arabien. Das Königreich hat sich in den vergangenen Jahren mit unfassbaren Summen in die Welt des Sports gedrängt. Aus wirtschaftlichen Gründen und weil internationale Sportevents Menschenrechtsverletzungen im Land kaschieren sollen. Nun interessieren sich die Saudis für Tennis. Die Next Gen Finals der besten U21-Spieler wurden schon in Jeddah ausgetragen. Zuletzt wurde berichtet, dass Saudi-Arabien ein 1000er-Turnier vor den Australian Open bekommen könnte. Das soll wiederum den bisherigen Turnierveranstaltern im Jänner nicht gefallen. "Wir wissen alle, dass Saudi-Arabien früher oder später ein größeres Turnier haben wird", sagt Straka. Aber das brauche eine Einigung aller Beteiligten, die demokratisch erfolgen müsse. "Die Saudis wissen das auch mittlerweile."

Zur Kritik punkto Sportswashing sagt Straka: "Als Sportverband ist schwer zu sagen: ‚Wir sind eine Moralinstanz.‘ Wenn ein Land wie Russland einen Aggressionskrieg führt, gibt es Sanktionen. Das ist nachvollziehbar. Ob die Welt in Saudi-Arabien oder Nigeria oder sonst wo besser oder schlechter ist, obliegt nicht uns zu beurteilen."

Zudem müsse man die Chance für Tennisentwicklung sehen. "Saudi-Arabien hat 35 Millionen Einwohner, die im Schnitt unter 35 Jahre sind", sagt Straka. "Man wird sich diesem Markt nicht verschließen können." (Andreas Gstaltmeyr, 31.1.2024)