Amazon Chef Jeff Bezos
Amazon-Gründer Jeff Bezos könnte durch die Werbung in Prime Video noch einen Tick reicher werden.
Evan Agostini/Invision/AP

In Deutschland bieten Netflix und Disney Plus bereits günstigere Abos mit Werbung. Nun spielt Amazon in Prime Video Werbung an seine Kunden aus, sofern man keinen Aufpreis für eine werbefreie Version des Streamingdienstes zahlt. DER STANDARD erklärt, was das für Endkunden bedeutet, warum Amazon diesen Schritt setzt, wie das Modell anderer Anbieter bei der Kundschaft ankommt (Spoiler: schlecht) und wie man sich gerichtlich dagegen wehren kann.

Frage: Ab wann wird Werbung auf Amazon Prime Video angezeigt?

Antwort: Nachdem Amazon Prime Video bereits in den USA Werbung anzeigt, sehen auch Userinnen und User in Österreich ab dem 5. Februar Werbeeinschaltungen bei Filmen und Serien. Bei Amazon ist es möglich, zusätzlich zum Abo auch Inhalte zu kaufen oder auszuleihen. Bei diesen gekauften oder geliehenen Inhalten soll keine Werbung angezeigt werden. Live-Events wie Sportübertragungen enthalten auch dann Werbung, wenn man eine zusätzliche Gebühr zahlt (siehe weiter unten).

Frage: Wie viel Werbung wird angezeigt?

Antwort: Amazon betont, "deutlich weniger Werbung als lineare TV- und andere Streaming-Fernsehanbieter zeigen zu wollen". In einem Artikel des "Wall Street Journal" ist zu lesen, dass in den USA auf Prime Video derzeit zwischen zwei und 3,5 Minuten Werbung pro Stunde angezeigt werden. Manche Werbeclips werden vor den Filmen und Serien angezeigt, andere hingegen zwischendurch als Unterbrecher.

Frage: Wie viel kostet ein werbefreies Abo?

Antwort: Das werbefreie Abo "Prime Video Ad Free" kostet zusätzlich zu den regulären Kosten für Amazon Prime monatlich 2,99 Euro. Dieser Aufpreis kann jedoch nur bezahlt werden, wenn man zuvor ein reguläres Amazon-Prime-Abo abgeschlossen hat. Da dies nach einer 30-tägigen Probephase 8,99 Euro pro Monat kostet, summieren sich die Gesamtkosten also regulär auf knapp zwölf Euro pro Monat.

Frage: Wie begründet Amazon diese Entscheidung?

Antwort: "Das ermöglicht es uns, weiterhin in attraktive Inhalte zu investieren und diese Investitionen über einen langen Zeitraum weiter zu steigern", lautet die offizielle Begründung von Amazon für die Einführung des werbefinanzierten Abos beziehungsweise für die Zusatzkosten für die Kundschaft.

Im Artikel des "Wall Street Journal" prognostiziert Justin Post, Analyst bei der Bank of America, dass Amazon pro Jahr 3,2 Milliarden Dollar Umsatz mit den Werbeeinnahmen machen wird, hinzu kommen jährlich 1,6 Milliarden Dollar Umsatz durch die Zusatzgebühren. Das Unternehmen investiert jährlich Milliarden in Eigenproduktionen, dieser Schritt könnte den Content von Prime Video also mitfinanzieren. Einer Prognose des "Wall Street Journal" zufolge wird Amazon pro Monat weltweit 159 Millionen Menschen mit Werbung via Prime Video bespielen.

Frage: Wie kommt das bei der Kundschaft an?

Antwort: Dies hat das Medium "Techbook" in einer Umfrage unter 30.000 Personen erfragt. Hier gaben knapp 79 Prozent der Befragten an, die Abo-Pläne nicht gut zu finden. Unter diesen Personen wurde wiederum der Grund für die Abneigung erfragt: 54,5 Prozent stören sich generell an Werbung, 27,5 Prozent stören sich am Preis beziehungsweise am Aufpreis. 11,2 Prozent nennen andere Gründe, und 6,8 Prozent ärgert es, dass sie das Abo nicht separat buchen können.

Dementsprechend sagen mehr als 56 Prozent der Befragten, dass sie einfach beim alten Abo bleiben und die Werbung über sich ergehen lassen werden. 7,5 Prozent werden den Aufpreis zahlen. 36,3 Prozent sind noch unentschlossen. Irritierend sind übrigens auch Beschwerden aus den USA, laut denen Kunden auch dann noch Werbung vor Filmen und Serien ausgespielt wird, wenn sie eigentlich den Aufpreis für die werbefreie Version gezahlt haben.

Frage: Werden jetzt viele ihr Abo kündigen?

Antwort: Zu beachten ist, dass Amazon unter den Streaming-Anbietern eine Sonderrolle einnimmt, denn neben dem Zugriff auf Prime Video werden für die besagten 8,99 Euro monatlich weitere Features aus dem Umfeld des Konzerns geboten. Darunter ein schnellerer Versand beim Onlineshopping, Zugriff auf den Musikstreamingdienst Amazon Music, ein Online-Fotospeicher und Zugriff auf kostenlose Kindle-Bücher.

Im Artikel des "Wall Street Journal" wird aufgrund dieser Bündelung vermutet, dass trotz dieses unangenehmen Schritts nur wenige der weltweit über 200 Millionen Prime-Kunden ihre Mitgliedschaft kündigen werden. Bei der Konkurrenz ist das übrigens nicht anders: Netflix hat zwar mit Preiserhöhungen und dem Vorgehen gegen das Teilen von Nutzer-Accounts die Kundschaft zwar vor den Kopf gestoßen, die Zahl der Neukunden zuletzt aber gar erhöht. Netflix hat weltweit 260 Millionen Kunden.

Andererseits ist anzunehmen, dass die Inflation zunehmend ihre Spuren hinterlässt und Menschen auf ihre laufenden Kosten schauen. Die Vielzahl an unterschiedlichen kostenpflichtigen Services macht das Leben für alle Beteiligten nicht einfacher.

Frage: Drängen die zahlreichen Abos die Menschen nicht wieder in die Piraterie?

Antwort: Ja – zumindest wenn man einem Bericht auf der Website Torrentfreak.com glaubt. Demnach wurden 2023 weltweit 141 Milliarden Besuche auf Websites mit raubkopierten Inhalten verzeichnet, ein Plus von zehn Prozent gegenüber 2022. Rund 65 Prozent der raubkopierten Inhalte sind Filme und Serien. Eben die besagte Vielfalt an unterschiedlichen Abos wird als Grund für das Wiederaufkommen der Piraterie gesehen, die durch Streaming eigentlich hätte besiegt werden können. Allerdings ist die Lage weltweit nicht überall gleich: In Österreich stagniert die Entwicklung noch auf niedrigem Niveau.

Frage: Setzen die anderen Anbieter ebenfalls auf Werbung?

Antwort: In Deutschland bietet zum Beispiel auch Netflix ein Abo mit Werbung an, das pro Monat 4,99 Euro kostet. In Österreich ist hingegen das Basis-Abo um 7,99 Euro pro Monat die günstigste Option. Ein Disney-Plus-Abo kostet in Österreich 10,99 Euro pro Monat oder 109,90 Euro pro Jahr. Auch der Konzern mit der Maus bietet hierzulande keine günstigere Version mit Werbung, in Deutschland aber schon: Dort kostet das Abo mit Werbung 5,99 Euro pro Monat.

Frage: Wie kommt das dort an?

Antwort: Die Redaktion von "Techbook" hat die Userinnen und User auch zur Beliebtheit jenes Netflix-Abos befragt, bei dem vor, während und nach dem Stream Werbung angezeigt wird. Von den Befragten nutzen immerhin 24 Prozent das Werbe-Abo von Netflix aktiv, vier Prozent haben es genutzt und dann wieder abbestellt. Nur zwei Prozent planen, das Abo in Zukunft noch zu buchen. Rund 70 Prozent – und somit die Mehrheit – nutzen das Abo hingegen gar nicht und haben es auch nicht vor. Das deckt sich auch mit der Frage zur Beliebtheit dieses Abos: Elf Prozent gefällt das Abo gut, 71 Prozent sagt das Abo gar nicht zu.

Frage: Vielleicht ist das eine komische Frage ... aber kann ich mich rechtlich dagegen wehren?

Antwort: So komisch ist die Frage gar nicht. Die Stiftung Warentest in Deutschland stuft das Vorgehen Amazons nämlich als rechtswidrig ein, mindestens ein Kunde ist dagegen bereits vor Gericht gezogen. Die Argumentation der Stiftung Warentest: Bei der monatlichen Aufzahlung handle es sich faktisch um eine Preiserhöhung für ein bestehendes Abo, und eine solche sei bei laufenden Verträgen ohne Zustimmung der Kunden nicht möglich, ebenso wie die Einführung von Werbung in ein bisher werbefreies Angebot. Auch Österreichs VKI überlegt rechtliche Schritte gegen Amazon Prime Video.

Frage: Okay, was muss ich dafür tun?

Antwort: Prime-Kunden können nun auf Unterlassung pochen, die Stiftung Warentest stellt dafür einen entsprechenden Musterbrief bereit. Es ist aber davon auszugehen, dass Amazon das entsprechende Ansuchen ablehnt, der nächste Schritt ist dann der Gang vors Gericht. Die Alternative wäre, sich an einer etwaigen Sammelklage zu beteiligen. (Stefan Mey, 5.2.2024)