Die Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase in Österreich bis 2040 vollständig zu stoppen. Weil etwa 80 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen aus dem Energiesystem stammen, haben die Energie-, Wärme- und Mobilitätswende besondere Bedeutung. Daher haben wir, also Wissenschafter:innen der Universität für Bodenkultur, des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse und der Österreichischen Energieagentur, im Projekt "NetZero2040" untersucht, wie das Energiesystem klimaneutral werden kann.

Das Ergebnis: Es sind sehr rasche und tiefgreifende Veränderungen auf struktureller, technologischer, institutioneller, gesellschaftlicher und individueller Ebene notwendig, um den Plan innerhalb der nächsten 17 Jahre umzusetzen. Aber: Das Ziel ist erreichbar. Und zumindest für die nächsten zehn Jahre ist auch klar, was dafür notwendig ist.

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Österreichische Treibhausgasemissionen in der Vergangenheit und im Klimaneutralitätsszenario bis 2040. Beobachtete Emissionen 2023: Nowcast der Emissionen des Wegener Center, Graz.
Umweltbundesamt, Wegener Center Graz, Netzero2040.at

Wie sind wir zu unseren Ergebnissen gekommen? Wir haben gemeinsam mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in zwei Workshops zentrale Treiber für die Energiewende identifiziert. Daraus entwickelten wir vier qualitative Szenarien und haben anschließend mittels Computermodellen berechnet, wie diese Szenarien mit den geringstmöglichen Kosten umgesetzt werden können.

Diese Szenarien unterscheiden sich durch folgende Faktoren: Werden wir künftig mehr oder weniger Auto fahren? Werden wir in größeren oder kleineren Wohnungen beziehungsweise Häusern leben? Werden wir in Österreich mehr oder weniger industrielle Produktion haben? Werden wir Treibstoffe und Gase, die keine direkten klimaschädlichen Emissionen verursachen, wie zum Beispiel Wasserstoff, E-Fuels und synthetische Gase, eher importieren oder in Österreich erzeugen? In allen vier Szenarien wird aber Klimaneutralität erreicht.

Beschleunigter Ausbau der Windkraft bis 2030 notwendig

Die Ergebnisse zeigen, dass für das Ziel der Klimaneutralität in allen Szenarien der Ausbau der Stromerzeugung bis 2030, vor allem durch Windkraft, sehr schnell erfolgen muss – nämlich mehr als doppelt so schnell als im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) vorgesehen – und auch doppelt so schnell wie der rasante Wasserkraftausbau in Österreich im vergangenen Jahrhundert. Zu viel Sonnenenergie kommt dabei – im Vergleich zu Windkraft – unnötig teuer. Denn Sonnenenergie erzeugt wie die bereits reichlich vorhandene Laufwasserkraft Strom mehrheitlich im Sommer. Wind hingegen weht im Winter stärker und kann so die saisonale Lücke ausgleichen.

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Einsatz von erneuerbaren Energien und von Synfuels und Gasen in Österreich bis 2040 in den vier Szenarien.
Netzero2040.at

Elektrifizierung und nachfrageseitige Einsparpotenziale

Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien ist es auch erforderlich, Verbrennermotoren durch Elektroautos zu ersetzen, Gasthermen und Ölheizungen durch Wärmepumpen und Gebäude zu sanieren. Diese Maßnahmen senken den Energieverbrauch drastisch. Aber auch Verhaltensänderungen reduzieren die Nachfrage. Weniger Auto fahren, kleinere Wohnflächen und ein Rückgang der industriellen Produktion senken den Energieverbrauch in den Szenarien mit niedriger Nachfrage um bis zu 20 Prozent.

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Bruttoinlandsverbrauch von Energie in Österreich in den vier Szenarien.
Netzero2040.at

Ab 2030: E-Fuels, oder?

Ab 2030 kommen in unseren Szenarien synthetische Treibstoffe und Gase wie E-Fuels und Wasserstoff in Sektoren zum Einsatz, die nicht elektrifiziert werden können: in der Luft- und Schifffahrt, in der Industrie und zu kleinen Teilen in der Stromerzeugung zur Deckung von Zeiten mit wenig Strom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft. In unseren Szenarien werden diese E-Fuels aus dem Ausland importiert. In den Szenarien gibt es aber nach 2030 hohe Unsicherheiten: alternativ zu Importen könnten diese Treibstoffe auch im Inland erzeugt werden – dazu müsste der Ausbau der erneuerbaren Energien aber noch einmal mehr als verdoppelt werden, da E-Fuels aus Strom hergestellt werden. Statt des Einsatzes von E-Fuels könnten auch weiterhin fossile Energien zum Einsatz kommen, bei deren Einsatz das CO2 unter der Erde gespeichert wird, aber auch hier gibt es viele offene technische, ökonomische und gesellschaftliche Fragen. Welcher dieser Pfade nach 2030 die geringsten Kosten verursacht, hängt von vielen unsicheren Faktoren ab, insbesondere von technischen Innovationen und Lerneffekten im Zuge der Energiewende.

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Endenergiebedarf im Mobilitätssektor in Österreich in den vier Szenarien.
Netzero2040.at

Langsamer Infrastrukturwandel

Ab 2040 kommt in unseren Szenarien ein kleiner Anteil von E-Fuels auch in Gasheizungen zum Einsatz: Dies ist eigentlich ineffizient, da aber auch die aktuelle Bundesvorlage des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes (EWG) nur bei Neubauten ein Verbot von Gasheizungen vorsieht, ist der Einbau in bestehenden Gebäuden weiterhin möglich – diese werden voraussichtlich bis 2040 im Bestand verbleiben. Umso wichtiger ist es, jetzt schon klare Entscheidungen zu treffen und die Haushalte und die Infrastruktur auf die Zeit nach 2030 vorzubereiten. Neben dem zügigen Ausbau erneuerbarer Energien ist es dabei auch von großer Bedeutung, die Errichtung neuer fossiler Infrastruktur zu verhindern.

Klimaneutralität bis 2040 ist erreichbar

In Summe zeigen unsere Szenarien ermutigende Ergebnisse: Wir können Klimaneutralität erreichen. Dafür bedarf es aber einer breiten Unterstützung seitens der Politik und der Bevölkerung. Drei Aspekte sind zentral für diese enorme Transformationsaufgabe: die gesellschaftliche Akzeptanz für den Ausbau von Energieinfrastruktur, die 'klimafreundliche' Ausrichtung von Lebensstilen und die sofortige Umsetzung ambitionierter politischer Klimaschutzmaßnahmen. Die Gewichtung dieser Aspekte variiert in den vier Szenarien, doch in jedem Fall zeigt sich die Notwendigkeit, dass die Dringlichkeit von Klimaschutz und Energiewende öffentlich anerkannt werden muss. Während viele Trends bereits in die richtige Richtung zeigen, ist die derzeitige Geschwindigkeit des Wandels nicht ausreichend für die Erreichung der nationalen und europäischen Ziele.

Es liegt daher in der Verantwortung der Politik, zeitnah zu handeln, um bedeutende Investitionen in Gebäudesanierung, Heizkesseltausch und den Ausbau der Energieinfrastruktur und der Elektromobilität zu ermöglichen. Ein vielfältiger Maßnahmenmix aus gesetzlichen Regulierungen, anreizorientierten Instrumenten wie der CO2-Bepreisung sowie sektoren- und bundesländerübergreifender Zusammenarbeit ist dabei laut unseren Stakeholdern von entscheidender Bedeutung. Um die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen, ist es außerdem notwendig, die Energiewende sozial gerecht zu gestalten und der Bevölkerung Möglichkeiten zu bieten, sich an zentralen Projekten der Energiewende zu beteiligen. (Johannes Schmidt, Martin Baumann, Daniel Huppmann, Michael Klingler, Hermine Mitter, Sebastian Wehrle und Lukas Zwieb, 7.2.2024)